[12] Izaiah

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𝕸it den Jahren hatte Izaiah vergessen, wie ergreifend wunderschön es war, wenn die bunten Mosaike auf den Fenstern im Sonnenlicht erstrahlten und die dort dargestellten Szenen zum Leben erweckt wurden

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𝕸it den Jahren hatte Izaiah vergessen, wie ergreifend wunderschön es war, wenn die bunten Mosaike auf den Fenstern im Sonnenlicht erstrahlten und die dort dargestellten Szenen zum Leben erweckt wurden. Es war nicht schwer, zu glauben, dass in diesen Hallen etwas Heiliges wohnte, doch er war sich nicht ganz sicher, ob dieses Heilige sich auch nur das kleinste bisschen um ihn scherte.

Auf der letzten Bank ganz hinten in der Ecke, wo ihn von den wenigen, die um diese Uhrzeit hier waren, niemand wahrzunehmen schien, faltete er die Hände und senkte den Kopf.

Hallo. Ich bin's wieder. Du weißt schon, der Typ, der dich vor ein paar Tagen gebeten hat, seinem Freund zu helfen. ... Ist das ein kranker Scherz oder bestrafst du mich? Ich bin doch zu dir zurückgekommen, ich bin doch hier. Ich glaub doch, dass es dich gibt, ich weiß es doch. ...Ich wäre doch auch früher vorbeigekommen, aber ich war auf der Arbeit ziemlich beschäftigt, weißt du? Natürlich weißt du das, du bist Gott.

"Hallo, mein Sohn," sagte eine Stimme neben ihm, und er zuckte zusammen.

"Hallo," grüßte er den Pfarrer.

"Du bist ein neues Gesicht hier."

"Jaah, ich... Ich war lang nicht hier," beichtete er.

"Kein Grund für Scham, mein Sohn. Der Herr könnte nicht glücklicher sein, dass deine Wege dich zu ihm zurück geführt haben. Was bringt dich zu uns?"

"...Der Herr stellt mich auf Proben. Mich und meinen Glauben."

"Zeigt dir das nicht, wie sehr er dich liebt? Dass er dir die Wahl lässt, dich für oder gegen ihn zu entscheiden? Der Herr schuf dich, wie du sein solltest, und dann gab er die die Freiheit, deinen Weg selbst zu wählen."

Der Herr schuf dich, wie du sein solltest. Schon vor Jahren hatte er sich über diesen Satz den Kopf zerbrochen, als er noch ein kleines Mädchen war, das nachts an seinem Bett kniete und betete, dass Gott diese Gedanken von ihm nahm, dieses ewige Gefühl, nie wie seine Freundinnen sein zu können. Oder hatte Gott ihm diese Gedanken doch selbst gegeben?

"Ich will mich ihm ja beweisen, ich will ihm zeigen, dass ich an ihn glaube, aber ich- Ich weiß nicht, ob ich es kann. Ob ich stark genug bin."

Die warme Hand des Pfarrers legte sich auf seine Schulter, und die Fenstermosaike schienen noch so viel strahlender als vorher. "Der Herr legt nur so viel auf deine Schultern, wie er weiß, das sie tragen können, mein Sohn."

Die Mittagssonne wärmte seine Haut, als er durch die schweren Türen nach draußen trat, und etwas wie Frieden erfüllte ihn. Er hatte starke Schultern. Er konnte diese Proben bestehen.

Sein Herz setzte kurz aus, als er sein Handy anschaltete. Zwanzig verpasste Anrufe. Bevor er nachsehen konnte, von wem sie waren, nahm der nächste sein Display ein.

"Cam?"

"Wo bist du?", fragte sie nur, die Stimme regungslos.

"Wieso?"

"Wo bist du, Izaiah?"

"... Vor der Four Seasons. Der Kirche." Warum schämte er sich fast, das zuzugeben? Und warum schämte er sich noch mehr dafür, dass er sich dafür schämte?

"Hast du deine Waffe?"

Er griff an sein Holster. "Ja. Warum?!"

"Bleib, wo du bist."

"Cam, was-"

Sie hatte schon aufgelegt.

Nervös las er wieder und wieder durch die Liste der verpassten Anrufe. Sechs von Junis, vor etwa einer halben Stunde, nie mehr als eine Minute Abstand zwischen ihnen. Er rief Junis zurück, rief Vivien, Cam, sogar Joanne an, doch niemand nahm ab.

Der SUV parkte vor ihm.

Cam fuhr, die Hände so fest um das Lenkrad geschlossen, dass die Knöchel weiß hervortraten, Vivien kauerte auf dem Rücksitz, den Kopf keuchend auf die Knie gesenkt. Niemand sprach ein Wort mit ihm, und plötzlich wollte er die Antwort auf seine Frage gar nicht mehr wissen.

Joanne stand plötzlich am Straßenrand, doch Cam fuhr um ein Haar beinahe einfach an ihr vorbei. Als sie schließlich doch zum Stehen kam, öffnete Joanne die Beifahrertür und warf nur einen Blick auf Cam, bevor sie sagte: "Steig aus. Ich fahre. ...Camille."

Mit etwas Nachdruck wechselten sie schließlich doch die Seiten. Izaiah ahnte, dass Joanne ihm vielleicht sogar antworten würde, wenn er noch einmal nachfragte, was passiert war, doch als er erkannte, dass sie auf die Wohnwagenanlage zusteuerten, fesselte seine Zunge sich plötzlich an seinen Gaumen, und sein Gehirn brachte keinen vernünftigen Gedanken mehr zustande.

Schon aus der Ferne sah er das gelbe Absperrband, entdeckte Doctor Everett, Freya und Clubs (noch immer in Handschellen), die nervös davor herumstanden.

Ein Mann in einem Spurensicherungsanzug kam aus dem Büro und zeigte hinter sich. "Hey! Jemand muss diesen Hund unter Kontrolle kriegen!"

"Hades," murmelte er, und stolperte dem Forensiker hinterher.

Zuerst sah er Junis' Schuhe. Schon lang abgelaufene braune Converse, die dey seit Jahren nicht hatte ersetzen wollen, dann den breiten, verschmierten Streifen Blut, sicher einen halben Meter lang, auf dessen Ende dey bäuchlings regungslos lag.

Dey hatte sich zum Sofatisch gezogen, zu deren Handy, das dey noch in der Hand hielt.

Unter die andere Hand hatte Hades die Schnauze geschoben. Als der Forensiker einen Schritt auf ihn zu machte, knurrte er laut. Izaiah hatte ihn noch nie zuvor knurren gehört.

"Er hat Blut an den Zähnen, und in der Umgebung haben wir ein paar blutige Fußabdrücke und andere Spuren entdeckt. Wahrscheinlich hat er den Täter gebissen," erklärte der Mann, doch Izaiah hörte ihm gar nicht richtig zu.

Junis' Jacke war ganz blutig, rund um die sechs dunklen Löcher in deren Rücken. Dey liebte diese Jacke doch so.

Langsam hob er den Blick zum Sofatisch. Der Laptop war aufgeklappt, ein Textdokument geöffnet. Hört auf, zu graben, stand dort, und eine Spielkarte steckte in dem Spalt zwischen Tastatur und Bildschirm.

Pik-Ass.

Restless | ONC 2024 ✓Where stories live. Discover now