15. - Die Seelensymphonie

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Nach der Unterrichtsstunde mit Professor Snape machte sich Eleonora auf den Weg zu ihrem Büro. Die Gedanken an das Buch, das Dumbledore ihr gegeben hatte, ließen sie nicht los. Sie verspürte eine Mischung aus Neugier und Vorfreude, denn sie hoffte, dass dieses Buch die Antworten enthielt, die sie seit ihrer Begegnung mit Fawkes suchte.

Als sie ihr Büro betrat, setzte sie sich zielstrebig an ihren Schreibtisch und zog das Buch vorsichtig aus ihrer Tasche. Es fühlte sich schwer und bedeutungsvoll in ihren Händen an. Das kunstvolle Buchcover, verziert mit dünnen, filigranen Mustern und einem Symbol, das wie eine Phönixfeder aussah, ließ sie einen Moment innehalten. 

„Die Seelensymphonie: Die Quelle der Magie von Beedle dem Barden," las sie leise vor. Sie wusste, dass dieses Buch etwas Besonderes war. Sie schlug die erste Seite auf und begann, die kunstvoll gedruckten Zeilen zu lesen:

In einer Ära längst entschwunden, als Tierwesen die Wälder bewohnten, fernab der Menschensiedlungen und der Kriege, die über ihre Köpfe hinweg tobten, fand ein gewöhnliches Kind, namenslos und verlassen, Zuflucht  in den schützenden Armen der Natur. Unter den schimmernden Blättern der uralten Bäume und dem leisen Flüstern der Bäche verlor sich das Kind in den Pfaden, die einst von den magischen Wesen als ihre Heimat bezeichnet waren.

Doch nicht alle Geschöpfe im Wald waren freundlich gesinnt. Die Tierwesen fürchteten die Menschen mit ihren grausamen Taten, die mit Feuer und Klinge in ihre Reiche kamen. Sie zwangen das Kind raus aus ihrem schützenden Zelt, denn es gehörte nicht in ihre Welt.

So zog das Kind weiter, unschuldig an den Konflikten der Welt, in der Hoffnung auf ein Zuhause, das endlich ihm gewährt. Mit nichts als den Lumpen am Leib, ging es immer weiter allein, doch war sein Herz stark und seine Seele rein.

Auf verlassenen Wegen fand das Kind einen verletzen Vogel, einsam und hilflos, wie es selbst. Seine Flügel gebrochen, sein Gefieder vom Schlamm beschwert, doch das Kind, voll Mitgefühl, ihn behutsam in seinen Händen hält. 

In jedem Sonnenstrahl des Tages und in der Stille der Nacht, hütete das Kind den Vogel und heilte seine Wunden mit all seiner Kraft. Der Vogel, ein Phönix von unbeschreiblicher Schönheit, fand in dem Kind einen Freund in einer Welt, die sich oft so brutal und grausam verhält.

Gemeinsam durchstreiften sie die Wälder und lernten voneinander. Der Phönix lehrte dem Kind die Geheimnisse der uralten Magie, die in den Flammen seines Herzens brannten.

Schließlich kehrten sie zurück zu den Bewohnern des Waldes, die das Kind einst verstoßen hatten. Beeindruckt von der Fürsorge des selbstlosen Kindes, öffneten sie ihre Herzen und nahmen es auf. Endlich war das Kind Zuhaus'. 

Doch eines Tages brach Sturm und Finsternis über den Wald der Tierwesen herein. Die Menschen kamen mit Feuer und Schwert, zerstörten ihr vertrautes Heim. Inmitten dieses Chaos stand das Kind, allein, umhüllt von den Flammen so dicht und blickte dem Tod ins Angesicht. 

In einem Akt bedingungsloser Liebe erhob sich der Phönix, sein Gefieder schimmernd im Licht. Flügel umhüllten das Kind, während das Feuer sie verschluckte und die Dunkelheit des Todes über sie hereinbricht.

In einem gewaltigen Flammenmeer aus tiefstem Blau verschmolz das Kind mit des Phönix' Federkleid und eine Aura uralter Magie erblühte, als ihre Körper zu Asche zerfielen.

Aus der Verbindung zwischen Mensch und Tier, stieg ein helles Licht empor und das Kind erhob sich aus der Asche, beseelt von der unsterblichen Kraft des Feuers, das nun durch seine Adern strömte. 

Mit neu erworbener Magie löschte das Kind die Flammen und zwei Seelen lebten fortan in einem Körper beisammen.  Durch das Band der Seelensymphonie vereint, erblühte das Kind zu neuem Leben und führte eine neue Ära ein, die der Magie und des Friedens.

Eleonora las die Zeilen aufmerksam und langsam durch. Noch nie hatte sie von dieser Geschichte gehört.

Im Wesentlichen erzählte die Geschichte von der Geburt des ersten Zauberers. Es hieß, dass es einst nur Menschen ohne magische Fähigkeiten gab, bis in einem Moment größter Not durch die Liebe zwischen einem Menschen und einem Tierwesen eine Seelensymphonie entstand. Wie ein mächtiges Ritual übertrug diese Symphonie die Macht des Phönix auf den Menschen und verlieh ihm die Fähigkeit, Magie zu wirken. In diesem Prozess verschmolzen die Seelen von Mensch und Phönix zu einer einzigen im Feuer, und beide zerfielen anschließend zu Asche.

Eleonora las die Zeilen ein zweites Mal: „...beseelt von der unsterblichen Kraft des Feuers, das nun durch seine Adern strömte."

Diese Worte schienen zu bedeuten, dass der Phönix dem Menschen seine Unsterblichkeit übertragen hatte. Oder man zumindest die Fähigkeit, dem Tod zu entkommen. Laut dieser Geschichte fließt das Blut des Phönix durch die Adern der Zauberer. Durch unsere Adern?

Doch konnte das wirklich wahr sein? Das klang nach einer reinen Kindergeschichte, eine mythologische Erklärung dafür, wie die Magie ihren Weg in unsere Welt gefunden hatte. Konnte Dumbledore wirklich an diese Geschichte glauben? Glaubte er tatsächlich, dass Zauberer und Hexen einen Teil des Phönix in sich tragen und somit einen Teil seiner mächtigen Magie besitzen?

Wenn das wahr wäre und der Phönix, der bekanntlich die Fähigkeit zur Unsterblichkeit besitzt, einen Teil seiner Magie auf uns übertragen hat, gäbe es dann einen Weg, diese Fähigkeit des Phönix in uns zu aktivieren? Aber das erschient doch albern. Unsterblichkeit existierte nicht, auch wenn es ein verlockender Gedanke war. Ging es überhaupt um Unsterblichkeit? Oder ging es vielmehr um die Verschmelzung zweier Seelen, die das Kind vor dem Tod bewahrte?

„Ein Flammenmeer aus Blau..." und „eine Aura uralter Magie..." Diese Beschreibungen passten genau zu dem, was Eleonora bei Fawkes wahrgenommen hatte. Die tiefblauen Flammen in seinen Augen und die überwältigende magische Anziehungskraft, als ob sich seine Seele an ihre klammerte und der Druck so intensiv war, dass die Seelen ineinander schmolzen.

Eleonora war verwirrt. Einerseits schien es nur eine Kindergeschichte zu sein, andererseits sah sie deutliche Parallelen zu ihren eigenen Erfahrungen mit Fawkes. „Uralte Magie", ging es ihr wieder durch den Kopf. Sie wusste, dass uralte Magie existierte, kannte sich aber nicht sonderlich gut damit aus. Vielleicht würde sie in der Bibliothek der Schule ein paar Antworten finden.

Nachdenklich klappte sie das Buch zu. Sie musste das Gelesene erst einmal sacken lassen. Die vielen Fragen, die diese alte Legende aufgeworfen hatte, wirbelten in ihrem Kopf herum. Sie stand von ihrem Schreibtisch auf und ging zum Fenster. Der Blick auf den Schlosshof beruhigte sie ein wenig, doch die Unruhe in ihrem Inneren blieb bestehen.

„Uralte Magie", flüsterte sie leise zu sich selbst. Sie würde nachforschen müssen, um herauszufinden, ob diese Geschichte mehr als nur ein Märchen war. 





Eleonora Tonks - und das Geheimnis der Phönix-Feder  [Snape x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt