Kapitel 45: Die Strafe von Vittorius

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• Lucan •

Mein erster Weg führt mich in das Gemach von Vittorius, wo ich vorsichtig meinen Kopf hineinstecke.

Alle Vorhänge sind abgenommen und hängen zum Trocknen im Garten. Perfekt, denn so wird Julius heute hier nicht mehr reinkommen und ich habe meine Ruhe! Für heute habe ich nämlich einen ganz besonders fiesen Plan, um meinen Vampirmeister auf die Palme zu bringen. Im Geiste stelle ich mit mir selbst schon erste Wetten auf.

Strafeinheiten zur Erdmagie, zum Schreiben, zum Lesen, im Schwertkampf, drei Tage durchgehend Rüstung tragen und so Präsenz in meiner Stadt zeigen oder auch eine Mischung aus allem. Wobei ich lachen muss, als ich mir vorstelle, wie ich in Rüstung mit Schwert und Buch auf dem Kampffeld stehe, um Steinen auszuweichen, während ich Vittorius irgendwelche Gedichte vorlesen soll.

Das wird nicht passieren, aber der Gedanke erheitert mich.

Ich bin nun fertig, alle Möbel sind von den Wänden weggeschoben und mit einem weißen Leinentuch abgehangen. Wenn ich dem Gemach einen neuen Anstrich in Pastellrosa verpassen will, dann soll das auch ordentlich aussehen!

Das Gemach verlasse ich vorerst aber wieder, dafür benutze ich der Heimlichkeit wegen den Balkon und lasse die Tür angelehnt. Ohne Farbe komme ich nicht weit, also führt mein Weg mich auf den Markt, wo ich am Buchhandel vorbei zum Malergeschäft komme. Überwiegend führt der Inhaber alles für den Bedarf eines Künstlers, er verkauft aber auch große Eimer mit Farbe, weil Adelige gerne ihre Räume in neue Farben hüllen. So auch Vittorius, auch wenn er von seinem Glück noch nichts weiß.

Mit ausreichend Farbe, die ganz schön schwer zu tragen ist und ein paar Farbrollern bleibe ich dann vor dem Buchhandel stehen. Mir kommt noch eine weitere Idee, um Vittorius zu ärgern. In 100 Jahren lacht er bestimmt auch darüber, weil sich dann keiner mehr daran erinnern können wird, außer wir.

Schließlich sind wir die einzigen Vampire. Also gehe ich in das Geschäft des Buchhändlers, ein Glöckchen an der Tür verkündet meine Anwesenheit.

„Fürst Lucan, welch angenehme Überraschung. Womit kann ich euch dienen?", hakt er nach.

Nach einer halben Stunde, in der ich kurz eine Ecke zum Schreiben benutzen durfte, überreiche ich einen gefälschten Auftrag in Vittorius' Namen und der Buchhändler merkt nicht mal, dass ich den noch eben auf die Schnelle geschrieben habe. Ja, Vittorius ganze Lehreinheiten in Wort und Schrift machen sich bezahlt!

Ich muss mir die Belustigung verkneifen und gehe dann mit der ganzen Farbe zurück ins Stadthaus von Vittorius. Natürlich benutze ich wieder die Balkontür seines Gemachs, damit Julius nichts von alledem hier mitbekommt.

So streiche ich dann in schnellem Tempo, aber auch so, dass es vernünftig aussieht den oberen Holzabschnitt seiner Wandpaneele. Normal pflegt er gerne eine rein anthrazitfarbene Wandvertäfelung, die seinem Image als düsterer Vampirmeister nur gerecht wird. Dann schaue ich aber staunend durch den Raum, wo ich nach und nach die Leinentücher von den Möbel abziehe und sie zeitgleich zurück an Ort und Stelle schiebe. Die Tücher liegen noch auf einem Haufen und ich überlege noch, wo ich den weißen Stoff mit den pastellrosa Farbsprenkeln lassen soll.

Verbrennen wäre eine Option.

Bevor ich das Zeug aber in den Kamin schmeiße, bestaune ich mein Werk. Wäre das hier das Gemach eines Mädchens oder einer Frau, wäre das garantiert der Hingucker für das weibliche Geschlecht. Der zarte Rosaton öffnet den Raum und hüllt alles in eine warme und freundliche Atmosphäre. Es fehlen nur noch Puppen und ein Teeservice mit verschnörkelten Tassen!

Mein Blick geht aber zu den Fenstern, wo noch die anthrazitfarbenen Vorhänge fehlen. Schade, das sähe jetzt noch witziger aus! Jetzt muss ich mich aber beeilen, denn die Sonne ist schon hinter dem Horizont und Vittorius wird sicher bald zurück sein. Wahrscheinlich geht er in sein Gemach im Schloss, wo er überwiegend wohnt, aber selten ist er auch mal hier in diesem Gemach.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt