Kapitel 56: Elisa in Lilienhain

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• Lucan •

„Bitte, nicht weinen, Elisa", kommt es aus mir heraus, als ich auf das Stadttor zugehe.

Das Mädchen hängt noch immer in meinen Armen und vor mir sehe ich erste Wachleute, die uns irritiert ansehen.

„Aber wegen mir musst du nun frieren. Ich habe keinen Mantel dabei gehabt, es ist meine Schuld", bringt sie hervor und gibt einen Schluchzer von sich.

Wahnsinn, sie gehört also zu der Art Frauen, die die Schuld immer bei sich suchen. Victoria kann das auch ganz gut, aber Janosch und Kyrill reden ihr das immer aus.

Und jetzt hänge ich hier planlos herum.

Hätte Vittorius mir mal Lehreinheiten für Frauen gegeben! Jetzt kann ich töten für eine Frau, aber was im Namen der Götter mache ich, wenn eine Frau weint?

Ich gehe nun unter dem Stadttor hindurch und drücke Elisa ganz fest an mich. Immerhin vergräbt sie ihr Gesicht an meiner Brust und durch das rege Treiben, gehen ihre ganz leisen Schluchzer unter.

Dann kriege ich einen gehörigen Schrecken.

Auf meinem Kopf landet ein schwerer Umhang, eindeutig der Geruch von Vittorius. Und als ich den dann umständlich von meinem Kopf ziehe, sehe ich, wie er auf der Zinne des Stadttors steht und hinunter sieht.

Elisa schaut an mir vorbei, ebenfalls hoch.

„Er ist doch immer da oder?", fragt Elisa und bekommt ein Lächeln auf den Lippen.

Ich kann nicht anders, hülle mich in den wärmenden Stoff und muss dann auch Lächeln.

„Ja, das ist er. Ob du es willst, oder nicht", warne ich sie amüsiert vor.

Dann landet Vittorius neben uns und so gehen wir dann weiter entlang der Hauptstraße. Um uns herum verbeugt sich wirklich jeder und wirft uns den einen oder anderen Satz zur Ankunft zu.

Elisa staunt nicht schlecht, wie freundlich die Leute hier sind und dass es zwischen den Bürgerlichen und den Adeligen keine so große Kluft gibt, wie in der Zollernweite.

Es ist ihr aber auch sehr unangenehm, sie versinkt schüchtern in meinen Armen.

„Kyrill war der Meinung, ich solle dir die Tortur bis nach Hause gönnen", verrät Vittorius dann mit einem Schmunzeln.

„Ihr habt meinen Dank, dass Ihr nicht auf seinen Rat gehört habt, Vampirmeister", erwidere ich.

Aus Ehre sehe ich ihm dabei auch kurz seitlich in die Augen, was er mit einem zufriedenen Lächeln abnickt.

Ich mache mir aber nichts vor: Er erbarmt sich vor allem wegen Elisa, weil er eine Schwäche dafür hat, dass es seinen Schützlingen gut geht. Zumindest, sofern sie nicht reihenweise Scheiße anstellen. Dann will er zwar auch, dass es den Schützlingen gut geht, aber er ist auch streng und konsequent.

So trage ich Elisa dann bis zum Stadthaus von Vittorius, was kurz vor dem Schloss ist. Mit großen Augen schaut sie die makellose Fassade an, ich lasse ihr den Moment. Vittorius steht nun drei Schritte voran und sieht uns fragend an.

„Es ist genauso, wie du erzählt hast!", stellt Elisa begeistert fest.

„Und da das mein Haus ist, gebe ich dir auch morgen in aller Ruhe einen ganz persönlichen Rundgang. Aber nun kommt, es wird langsam spät", meint Vittorius und blickt in den immer rötlicher werdenden Himmel.

Die Müdigkeit macht sich allmählich auch in meinen Knochen breit, also trage ich Elisa nun den Rest der Straße hinauf.

Vittorius hält uns dann das Tor auf und im Anschluss die große Flügeltür am Eingang. Ich bringe Elisa bis in mein Gemach, was eindeutig das des Landesherrschers ist. Ihr Blick geht mit großen Augen durch den Raum.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt