Chapter 1~ A wie Anfang

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Chapter 1

„Es tut mir so leid, bitte verzeih mir. Es war ein Ausrutscher, es wird nie wieder passieren!", verzweifelt blickt Tony mich aus seinen hellblauen Augen an. „Glaub mir doch."

Mit halboffenen Mund schaue ich an ihm vorbei zu dem Mädchen welches Peinlich berührt im Raum steht. „Raus.", zische ich sie bedrohlich an. Sie sieht nicht aus wie eine der typischen Schlampen, was die Sache fast noch schlimmer macht.

„Es war nur ein Kuss.", sage ich mehr zu mir selbst als zu ihm.

„Nur ein Kuss.", wiederholt er. Seine Arme umfassen meine Taille und ziehen mich näher an ihn heran. „Verzeih mir.", fügt er hinzu und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Seine dunkelbraunen Haare stehen wild von seinem Kopf ab, als wäre er gerade aus dem Bett gekommen, er sieht wirklich gut aus.

„Wir reden später, ich habe noch ein Shooting. Das College wird sich nicht von allein bezahlen, du weißt das ja am besten.", ich ziehe ihn immer wieder gerne damit auf. Letzten Monat hatte er das Angebot sich für ein Magazin ablichten zu lassen, nackt.

So haben wir uns übrigens auch kennengelernt. Also, das klang jetzt falsch. Vor einem dreiviertel Jahr meinte Oma ich solle mir einen Job suchen, sie könnten die Collegegebühren niemals allein tragen. Ich hatte zwar eine Menge Vorstellungsgespräche, aber bei allen lief etwas schief. Also fing ich an zu modeln, auf einem der Shootings lernten wir uns dann kennen.

Ich muss zugeben, dass es am Anfang nicht leicht für mich war. Keine Sekunde verging an der ich keine Schuldgefühle hatte, Blake und Olivia gegenüber. Ich vermisse die beiden so schrecklich, bei Blake weiß ich wenigstens das es ihm gut geht. Olivias und mein Schwesternverhältnis hat in letzter Zeit ziemlich gelitten, sie ist immer noch angeschlagen von der Schussverletzung.

Jeden Tag stehe ich mindestens einmal vor dem Pokal und erinnere mich an diesen Tag zurück. Der Tag an dem alles möglich schien.

Ja, es stimmt. Ich habe ein Stipendium bekommen, aber nur weil ich mir wirklich den Arsch aufgerissen habe. Mit dem Boxen habe ich größtenteils abgeschlossen. In meiner Schule hier in Los Angeles wurde ich Cheerleader Kapitänin, Vorsitzende des Buchclubs und Vertrauensschülerin. Das war wahrlich nicht leicht, doch ich habe es geschafft. All dem habe ich mein Stipendium zu verdanken.

In drei Tagen werde ich eine Elite- Schülerin der Stanford University hier in Kalifornien werden. Ihr könnt gar nicht wissen wie froh ich bin hier in der Nähe zu bleiben. Wenn ich zum Beispiel in Pennsylvania oder so gelandet wäre, tausende Kilometer von meiner Heimat entfernt.

Ich kann nur hoffen, dass ich nicht die einzige mit einem Stipendium bin . Freuen tue ich mich wirklich darüber, jedoch wird man ganz anders behandelt als wenn die Eltern die ganzen Gebühren zahlen.

Meine Großeltern sind vor Freude in Tränen ausgebrochen, von ihnen viel die Last, dass Geld zusammenkratzen zu müssen. Das Geld vom Modeln wird so zwar nicht unbedingt mehr gebraucht, aber es ist immer besser Reserven zu haben.

Während des Laufens binde ich mir meine Haare zusammen, ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie heiß es hier ist. Ohne Sonnenbrille würde ich die ganze Zeit geblendet werden. Trotzdem muss ich zugeben das hier alles noch viel beeindruckender ist als in Seattle, jeden Tag entdecke ich neue faszinierende Dinge.

„Hey Laicee.", begrüße ich sie sofort am Telefon. „Was gibt's?"

„Ich glaube meine Eltern knicken bald ein, aber nur weil du auch dort bist. Sie finden du bist ein guter Umgang für mich. Das Ja von Stanford habe ich ja schon.", ihr aufgeregtes quicken am anderen Ende der Leitung zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen.

„Das ist ja klasse.", erwidere ich in derselben Tonlage wie sie. Ist es das wirklich? Kann ich mich wirklich darüber freuen das Laicee auf dieselbe Uni wie ich geht? Ich weiß es nicht. „Wir sehen uns ja später noch, ich habe jetzt eine Verabredung."

Sie hat mich schon aus einigen schwierigen Lagen befreit, jedoch wäre ich ohne sie überhaupt nicht da reingeraten. Es ist eine verdammte Zwickmühle.

~

Es ist manchmal echt gruselig wie schnell die Zeit vorbei geht. Gerade war es noch Nachmittag und nach gefühlten fünf Minuten ist es abends und man liegt in seinem Bett rum.

„Gott ist die Dumm! Warum checkt die nicht das er sie betrügt?", während ich mich hier total über den Film aufrege und jede Minute erwähnen muss wie dumm die Hauptdarstellerin doch ist, lacht Tony sich einen ab.

„Wenn ihre beste Freundin ihr doch sagt das sie deren Scheiß Freund mit einer anderen Tussi gesehen hat, wieso glaubt sie ihr nicht? Ernsthaft jetzt.", aus purer Langeweile nehme ich ein paar Gummibärchen und ziele auf das Gesicht der dämlichen Frau im Flachbildfernseher.

„Wieso wolltest du den Film denn überhaupt schauen wenn er so schlecht ist?", fragt Laicee mich mit vollem Mund.

„Um eine Kundenrezension auf Amazon zu erstellen natürlich.", meine ich Todernst, kann mir ein Grinsen aber nicht verkneifen.

„Jamie! Deine Mutter ist am Telefon, sie will mit dir reden!"

Widerwillig rufe ich ein genervtes ‚Ja' zurück. Weigern ist in diesem Haus zwecklos.

Trotzdem versuch ich auf dem Weg ins Wohnzimmer eine halbwegs freundlich Miene aufzusetzen, ich hatte echt keine Lust mir noch eine dieser ‚Früher war alles besser' Geschichten anzuhören. Diese gingen mir mit der Zeit echt auf den Geist, vor allem wenn es jedes Mal dieselbe Leidensgeschichte ist.

„Ich habe von dem Stipendium gehört, ich und dein Vater sind wirklich stolz auf dich." Kein ‚Hey' oder ‚Wir haben dich vermisst' kommt von ihr, sie rückt gleich mit der Sprache raus. Wenn ich keines bekommen oder ablehnt worden wäre hätte sie sicherlich nicht angerufen. Sie tut es nur weil ich etwa erreicht habe, was sie schon immer für das Beste für mich hielt. „Medizin wird wirklich die beste Wahl für dich werden."

„Mum.", sage ich vorsichtig. „Ich tue es nur für euch."

Ich wollte nie wirklich Medizin studieren, meine Mum jedoch schleppte mich ziemlich oft zu ihren Schichten mit ins Krankenhaus. Sie war zwar ‚nur' eine der Pflegerinnen, jedoch wurde sie hoch geschätzt von ihren Kollegen und Vorgesetzten. Hätte ich mich für etwas anderes eingeschrieben würde sie bis zu ihrem Tod nicht mehr mit mir reden, außerdem so schlecht kann es ja gar nicht sein.

Ärzte haben ein hohes Ansehen.

Nachdem sie ungefähr noch zehnmal erwähnt hat wie gerührt uns stolz sie sei, konnte ich endlich wieder zu den zwei verrückten in mein Zimmer. Laicee stand schon mit gepackter Tasche vor meine Tür und wartete auf mich um sich zu verabschieden. Mein Zimmer war nicht so groß um drei Menschen darin einen angenehmen Schlafplatz zu ermöglichen, also ging sie nach Hause.

„Morgen ist der große Tag.", flüstert sie mir bei unserer Verabschiedung ins Ohr.

In zwei Tagen würde zwar erst der Unterricht beginnen, aber es ist wesentlich schlauer wenn wir uns morgen schon in unserem Wohnheim einrichten. Sowie ich Laicee kenne hat sie schon Deko und die passenden Wandfarben gekauft. (Ich habe ihr extra gesagt, dass es nicht erlaubt sein wird die Wände zu streichen, aber sie wollte ja nicht hören!)

Müde ich kuschele ich mich zu Tony ins Bett und versuche mich weiterhin auf den Film zu konzentrieren. Meine Augen fallen mir immer wieder zu, irgendwann gehe ich den Drang sie zuzulassen nach. Glücklich schlafe ich in seinen Armen ein.

PS: Die Kapitel sind so gut wie alle aus Jamies Sicht, ab und zu wird aber auch etwas von Blake kommen

Devil is a Good GirlWhere stories live. Discover now