Milady? (Alternatives Ende zu HTTYD 2)

2K 81 24
                                    

"Lass das sein!", hört Astrid nur von Weitem, als sie einigen Pfeilen ausweichen. Es ist die Stimme ihres Freundes, die würde sie unter Tausenden erkennen. Das ist es aber nicht, was sie beunruhigt. Seine Worte klingen wie ein Hilfeschrei. Sofort drängt sie sich an Eret vorbei und fliegt Sturmpfeil wieder selbst, als die Schreie noch lauter werden: "Hör auf! Reiß dich zusammen!" Astrid sucht so schnell sie nur kann den ganzen Boden ab, um Hicks zu finden. Nicht sehr einfach unter den vielen Menschen und Drachen am Boden und in der Luft. Ihr Blick wandert zu den großen Eisblöcken, bei denen sie ihn und Ohnezahn endlich entdeckt. Sie steuert mit Höchstgeschwindigkeit auf die beiden zu, ohne überhaupt schon zu wissen, was sie machen will, wenn sie Hicks erreicht hat. Aber eins ist ihr klar: Ohnezahn hat nichts Gutes vor! Kaum sind sie gelandet, springt sie von Sturmpfeil herunter und rennt auf Hicks zu. Eret will sie noch aufhalten und ihrem Arm greifen, aber sie ist zu schnell, weshalb er in nichts anderes greift als Luft. "NICHT!", ruft Hicks mit aller Kraft seinem Nachtschatten zu, doch dieser geht immer weiter auf ihn zu und ist bereit einen Plasmastrahl abzufeuern. Jetzt ist es klar. Astrid muss Hicks sofort aus Ohnezahns Schussfeld bringen! Inzwischen ist sie nur noch ein paar Meter von ihm entfernt. "Hör auf!", versucht Hicks immer noch seinen Drachen abzubringen. Doch als er Schritte von der Seite hört, dreht er kurz seinen Kopf in diese Richtung: "Was? Nein! Astrid! STOP!" Den letzten Meter springt sie auf Hicks zu und wirft sich und ihn somit zu Boden. Ein kurzer Schmerz durchfährt ihren ganzen Körper. Angefangen beim Bauch arbeitet sich das Stechen immer weiter, bis es sogar ihre Finger- und Zehenspitzen erreicht. Mehr spürt sie nicht mehr. Nicht den Aufprall auf den harten Boden oder auf Hicks, den sie eigentlich erwartet hätte. Nur noch ein kurzes Lächeln hatte sich auf ihren Lippen gebildet, als ihr bewusst wurde, sie hatte es geschafft. Sie hatte ihn gerettet.

Im Gegensatz zu Astrid spürt Hicks den Aufprall auf den Boden. Er schleift noch kurz auf dem Eis weiter, nachdem er aufgekommen ist, da die Explosion von Ohnezahns Plasmastrahl ihn zurückgeworfen hatte. Davon kommt auch dieses Dröhnen in seinen Ohren und die kurze Orientierungslosigkeit. Trotzdem steht er so schnell wie möglich wieder auf, um zu sehen, was passiert ist. Es ging in den letzten Momenten einfach zu schnell. Er schaut sich um und muss sich erst einmal im Kreis drehen, bevor er es sieht. Astrid liegt mit Eisplatten auf ihrem ganzen Körper verteilt am Boden. Bei diesem Anblick setzt sein Herz einen Schlag aus. Eigentlich will es gleich ganz aufhören zu schlagen, denn das Einzige, was Hicks' Herz angetrieben hat, war Astrid. Obwohl seine Beine ihn nicht mehr tragen wollen, rennt er zu ihr hin und versucht, das Eis von ihrem Körper zu entfernen. "Nein. Nein. Nein.", wiederholt er dabei immer und immer wieder. Die Tränen sammeln sich in seinen Augen, bevor sie unkontrolliert die Wangen herunterlaufen. Sofort, als Valka und Haudrauf das Szenario sehen, eilen sie ihrem Sohn herbei. Dieser hat inzwischen seine Geliebte von dem Eis befreit und den Kopf auf ihren Brustkorb gelegt. Ein Bumm-Bumm des Herzschlags, eine auf und ab Bewegung der Rippen, ein plötzliches Aufatmen. Nur das kleinste Geräusch, nur die kleinste Bewegung, irgendwas. Doch da war nichts. Rein gar nichts. "Nein, nein, das ist nicht wahr." Hicks hebt seinen Kopf kurz an, nur um ihn auf eine andere Stelle zu legen und dort zu horchen. Wieder nichts.

Alle anderen haben sich mittlerweile um sie versammelt. Ab und zu ist ein Schluchzen zu hören, sonst ist es totenstill. Langsam traut sich auch Ohnezahn auf die leblose Figur am Boden zuzulaufen. Kurz bevor er sie mit der Nasenspitze berühren konnte, bemerkt ihn Hicks und fängt an zu schreien: "Nein! Fass sie nicht an! Geh weg! Geh weg und lass dich nie wieder blicken!" Kaum hatte Hicks sein Ziel erreicht und Ohnezahn wendet sich mit gesenktem Kopf wieder ab, will es der junge Wikinger weiter versuchen, Astrids Herzschlag zu finden. Doch sein Blick bleibt an ihrem Gesicht hängen. Die rosa Wangen sind verschwunden. Ihre zarten Lippen haben ihre Farbe zu einem gräulichen Blau  gewechselt. Er legt eine Hand auf ihre rechte Wange. Sie ist längst nicht mehr von der Körperwärme erfüllt. So sanft wie möglich, als würde sie, wenn er zu fest aufdrückt, zerbrechen. Mit der anderen streicht er ihr genauso sanft die Haare aus dem Gesicht. Sie sieht so leblos aus, dass es seinen Lebenswillen mit sich zieht. "Bitte, Astrid. Ich brauche dich. I-ich kann doch nicht ohne dich leben. Bitte, Astrid. Wach auf. Wach auf! WACH AUF!!" Plötzlich spürt er eine Hand auf seiner Schulter. "Sie kann dich nicht hören, Hicks. Sie ist-" "NEIN! Nein. Sie-sie-sie kann-sie kann...doch nicht einfach-" In diesem Moment bricht seine Stimme ab, er vergräbt sein Gesicht in Astrids Oberkörper und man kann nur noch ein dumpfes Schluchzen hören. Mit der Zeit wird dieses immer lauter, bis er seine Stimme wiederfindet: "NEEEEEEIIIIIIIIN!!!"

"Mögen die Walküren dich willkommenheißen und dich durch Odins großes Schlachtfeld führen. Mögen sie deinen Namen preisen in Liebe und Raserei, auf das wir ihn schallen hören aus den Tiefen von Walhalla und wissen, dass du an der Tafel der Könige und Königinnen Platz genommen hast, wie es dir zusteht. Denn eine wunderbare Frau ist heute gefallen. Eine Kriegerin, eine Tochter, eine Freundin, eine...zukünftige Schwiegertochter, ei-" Haudrauf wird in seiner Rede von seinem Sohn unterbrochen, der diese mit seinen Worten abschließt: "Die Liebe des Lebens." Er steht an der Spitze der Klippe und beobachtet das Schiff, das sie für ihre Feuerbestattung aufbereitet haben. Ihre Axt auf den Körper gelegt. Es ist noch nicht sehr weit weg von der Klippe, gerade mal hundert Meter. Eigentlich soll er mit einem brennenden Pfeil den Anfangsschuss machen, damit sie auch richtig bestattet werden kann, doch er hat immer noch Zeit. Er will noch ein letztes Mal mit ihr reden: "Astrid ich-. Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte nicht abhauen sollen. Hätte ich doch nur ein einziges Mal auf Anweisungen gehört und nicht das getan, was ich für das beste gehalten habe. Wäre ich doch einfach nur Stammesoberhaupt geworden. Dann wärst du sicher bald meine Frau. Dann würden wir sicher bald ganz viele kleine Hicks und Astrids in unserem gemeinsamen Haus herumlaufen haben. Wir wären glücklich gewesen. Du wärst glücklich gewesen. Das ist doch alles, was ich je wollte. Und jetzt? Jetzt werden wir nie heiraten können, werden keine Kinder haben, die deiner Schönheit gleichen würden. Ich werde nie wieder dein Lachen sehen oder hören, nie wieder darüber staunen können, wie wunderschön und stark du bist. Nie wieder mit dir herumalbern und vor allem nie wieder deine Nähe spüren können. Was soll ich jetzt tun? Meine Stärke für all die Dinge, die ich gemacht habe, kam von dir. Du hast mich immer unterstützt und mir gesagt, dass ich toll bin, wie ich bin. Dass ich mich nicht noch mehr bemühen muss. Du warst immer da für mich. Nicht nur, wenn ich dich gebraucht habe, einfach immer. Du warst das Beste, was mir je passieren konnte. Du bist das Beste, was mir je passieren konnte. Ohne dich bin ich nicht mehr als eine leere Schale. Du hattest schon immer mein Herz. Wenn du gegangen bist, hast du es mitgenommen und bist du wiedergekommen, hast du es wieder gebracht. Aber dieses Mal wirst du nicht wiederkommen. Es wird für immer bei dir bleiben. Ich liebe dich, wie soll ich nur ohne dich leben?" Mit den letzten Worten zündet er an der noch glühenden Kohle den Pfeil an, spannt die Sehne und richtet die Spitze in Richtung des treibenden Schiffes. In dieser Position verweilt er mehrere Minuten. Immer wieder will er den Pfeil schießen, aber er schafft es einfach nicht. "Sohn? Du musst loslassen.", ertönt die sanfte Stimme seiner Mutter hinter ihm. Hicks dreht sich kurz zu den anderen um und schaut jedem einzelnen in die Augen. Überall sieht er Tränen und nasse Wangen. Ein Bein setzt er vor das andere bis er am Rand der Klippe angekommen ist. Dort lässt er sich auf die Knie fallen, den Bogen immer noch gespannt in den Händen. Energisch schüttelt er den Kopf und senkt den Bogen wieder. Egal ob die Aussage auf den Bogen oder auf Astrid bezogen gewesen ist, es bleibt für Hicks bei derselben Antwort: "Niemals." Mit diesen letzten Worten, lehnt er sich nach vorne und durch die Schwerkraft fällt er von alleine in die eisigen Tiefen des Meeres. Ein paar Stimmen, die seinen Namen rufen ertönen noch, bevor alles ruhig wird und ihn die Wellen umschließen. Er würde nach Walhalla kommen. Er würde zurück bei Astrid sein. Glücklich, für alle Ewigkeit.


HTTYD OneshotsWhere stories live. Discover now