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Ich werde an der Schulter gerüttelt.

"Bist du eigentlich irre? Was schreist du denn so?", brüllt meine Mutter mich an. Ich hebe langsam den Kopf.

"Hast du irgendwelche Probleme?" Ich drehe meinen Kopf und erstarre. Die Hälfte der Tapete ist von der Wand gekratzt und hängt in Fetzen herunter.

"War ich das?", meine Zunge fühlt sich schwer an.

"Ob, ob du das warst?", rasend vor Wut sieht sie mich an. Ich nicke.

Sie packt mich an den Haaren und zieht mich die Treppe herunter.

"Lass mich los, was hast du vor?", schreie und zapple ich. Ich bekomme keine Antwort. Sie geht einfach weiter, zum Auto. Sie ist wie ausgewechselt.

Sie stößt mich hinein. Kaum sitzt sie drin, verriegelt sie die Türen und fährt los. Sie erhöht die Geschwindigkeit, als wir uns auf der Autobahn befinden. Mehrmals versuche ich, dass sie mir zuhört. Durchgehend werde ich ignoriert.

Es wird dunkel. Da ist Wald. Zu viel Wald. Ein blaues Tor. Ein weißes Gebäude. Auf dem Gebäude steht ASYLUM. Soweit reichen meine Englischkenntnisse.

Asylum bedeutet Irrenanstalt.

Ich will hier nicht hin. Was hat meine Mutter? Wird man nicht normalerweise gefragt?

Ok, einfach mal sehen, ob sie sich vielleicht nur verfahren hat. Kann ja sein.

"Aussteigen.", blafft sie. Wir haben uns nicht verfahren. Schweigend betrete ich das Haus. Ich werde still in Empfang genommen.

"Noelia. Es ist das Beste für dich.", intoniert meine Mutter. Schön, dass sie nach drei Stunden auch mal wieder mit mir redet. Sie kann sich mir und sich gerne einiges einreden. Schnaubend drehe ich mich auf dem Absatz um und folge der blondierten Tusse, ohne meiner Mutter noch einmal Beachtung zu schenken. Dass ich ganz ohne Widerstand nun in die Psychiatrie hineinspaziere, erklärt sich mir auch nicht ganz. Ein heiseres Kichern entflieht meiner Kehle. Erschrocken gehe ich ein wenig schneller.

Ein kleines Mädchen guckt mich an, als ich meinen Weg in mein neues Leben gehe. Ihre Arme sind voller Narben, einige bluten noch.

"Was ist mit ihr?", frage ich die Tusse. Sie blickt mich missbilligend an.

"Hier wird nicht gesprochen.", sagt sie.

"Sie sprechen grade selber!", erinnere ich sie. Sie seufzt, steckt sich einen Kaugummi in den Mund und fährt sich durch die toupierten Haare.

"Ach, eigentlich darf ich nicht mit dir reden, ihr sollt nichts wissen. Aber ok. Ihre Mutter ist tot, ihr Vater angehauen, sie lebte alleine mit ihrer Schwester auf der Straße. Grund genug?", grummelt sie. Wir kommen an einem alten Mann vorbei. Er sitzt mit dem Kopf nickend auf einem Hocker. Bin ich auch wie die alle hier?

"Wann komm ich hier raus?"

"Woher soll ich das wissen. Morgen? Nächstes Jahr? Nie?" Geile Aussicht.

Be an Angel  Where stories live. Discover now