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Ich sitze seit gefühlten Jahren nun in dieser Anstalt fest. Mein Kalender sagt mir, dass es gerade mal eine Woche ist.

Es ist kurz nach zwei in der Nacht und ich kann nicht schlafen. Leise schließe ich die Zimmertür und achte darauf keine knarrende Stufe zu erwischen. Das habe ich mittlerweile hier gelernt. Oben rechts knarrt, die beiden darunter nicht, dann links, nochmal links und die ganz unten knarrt komplett. Diese überspringe ich einfach und lande auf dem Läufer der in der gesamten Eingangshalle ausgelegt ist. Ich bleibe stehen und grabe meine Zehen in den Teppich. Rechts in die Küche und etwas essen oder geradeaus in den Garten? Ich entscheide mich dazu, ins Freie zu gehen. Die große Eingangstür lehne ich an. Um nicht gesehen zu werden muss ich auf dem Weg zum Garten einen kurzen Sprint hinlegen.
Japsend lasse ich mich ins noch warme Gras fallen. Die Luft ist feucht. Aus der Ferne höre ich leise Geräusche. Friedlich fühlt es sich an. Das schwache Licht des Mondes und ein paar Straßenlaternen erhellt den Garten. Ich hätte ewig dort liegen können, doch ich wurde unterbrochen.

"Was machst du da?", es war die Stimme eines Jungen die mich unterbrach.

Ich hebe meinen Kopf von dem mittlerweile kühlen Untergrund und blicke in die Augen eines dunkelhaarigen Jungens.

"Im Gras liegen, was sonst?"

Ich lasse meinen Kopf zurück ins Gras sinken. Nicht mal hier habe ich meine Ruhe.
In seinen Augen spiegelte sich das schwache Mondlicht und seine Wangenknochen glänzten leicht.

"Bist du echt?", fragt er und piekst mich in den Bauch.

"Eine Gehirnzelle weniger und du wärst ne Pflanze.", schnauze ich.

"Du bist jetzt also auch hier.", stellt er fest.

"Kann man so sehen.", seufze ich, "aber ich freue mich schon drauf wieder weg zu sein."

Rau lacht er auf.

"Hier kommt keiner raus.", er setzt sich neben mich.

"Nett, dass du fragst, ob du dich setzen darfst.", ich mache eine kurze Pause, "Wieso sagst du das? Dass hier keiner rauskommt?"

Er zuckt mit den Schultern "Es ist halt so, alle die kamen, sind geblieben."

Resigniert rupfe ich einzelne Grashalme heraus. 

"Ich verspreche dir, ich bin die erste die hier rauskommt.", höre ich mich sagen.

"Wetten nicht?"

"Ich wette doch, versprochen." Ich halte ihm meine Hand hin. Er zögert einen Moment. Dann schlägt er ein.

"Dein Pullover ist schön.", sage ich und schaue auf seinen hellblauen Hoodie. 

"Wie kommst du jetzt plötzlich darauf?"

"Ich weiß es nicht, hellblau ist eine poetische Farbe. Guck in den Himmel, jetzt ist er dunkelblau, fast schwarz und trotzdem ist das hellblau noch irgendwie da und morgen kommt es wieder. Hellblau steht dafür wie die Zeit vergeht und wie du dein Leben lang wartest. Und obwohl dein Leben zu kurz zum Warten ist, tust du es trotzdem."

"Wow.", er räuspert sich, "Das hätte ich jetzt nicht von dir erwartet."

"Wieso?", frage ich säuerlich, "Sehe ich zu dumm für sowas aus oder was?" Und mache Anstalten zu gehen.

"Gott, jetzt sei doch nicht so empfindlich. So war das doch gar nicht gemeint." 

Ich springe auf die Füße.

"Bleib hier, bitte."

"Nenne mir einen guten Grund, warum ich bleiben sollte. Ich kenne noch nicht mal deinen Namen, hab dir trotzdem vertraut und dir was von meinen Hirngespinsten erzählt und im Gegensatz dazu beleidigst du mich. 'Na Bravo."

Darauf erwidert er nichts. Ich gehe.

"Kommst du morgen wieder hierhin?", ruft er mir nach.

"Mal sehen."

Be an Angel  Where stories live. Discover now