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„Bitte was?!", entfuhr es mir plötzlich, trotzdem war für mich nicht klar, warum Jenny dann so abweisend zu mir war und Lia den Anschein machte, dass sie das überhaupt nicht jucken würde. „Und was genau ist jetzt Jennys Problem?", fragte ich Lia. „Vielleicht geht sie mit der Sache einfach anders um, wie ich es tue, aber ich weiß es nicht, vielleicht kann ich ja später mal mit ihr reden", bot sie mir an. „Ja, das wäre nett, danke", meinte ich zu ihr. In dem Moment wurde unser Flug aufgerufen und wir konnten in den Flieger einsteigen.

Lias Sicht

Zufälligerweise saßen Jenny und ich im Flugzeug nebeneinander, doch sie beachtete mich keinesfalls. Die Jungs machten Party und am Anfang war ich auch noch dabei, als ich aber sah, dass Jenny das überhaupt nicht passte, verstummte ich und nahm ihr vorsichtig die Kopfhörer von den Ohren ab. Ohne ein einziges Wort zu sagen, starrte sie mich an. „Jenny?", meinte ich vorsichtig. „Hä?", kam es von ihrer Seite. „Was ist los?". Ich ging direkt offensiv an die Frage heran, das war meiner Meinung nach sinnvoller. „Ich hab Angst", äußerte sie sich knapp. „Vor was?". Sie versicherte sich nochmal, dass uns niemand hören konnte, dann begann sie zu erzählen: „Angst, dass ich das Telefonat mit meinem Vater gestern falsch verstanden habe. Ich hatte in meiner kurzen Schlafphase schon voll die Alpträume. Es ist einfach so peinlich, wenn ich dir erzähle, dass unsere Eltern rumgebumst haben und es in Wirklichkeit eigentlich gar nicht so war. Ich habe jetzt voll das schlechte Gewissen". Ein wenig fragend schaute ich sie an. „Weiß es außer mir denn noch jemand?". Sie zögerte kurz, doch meinte dann: „Ne". Irgendwie verstand ich jetzt gar nichts mehr. „Und was genau ist jetzt dein Problem?", wollte ich wissen. Meine Stimmlage blieb dabei aber auf freundlich. „Eigentlich weiß ich es auch nicht", gab sie zu. Das war typisch Jenny. „Dann ist ja alles wieder gut und wenn du glaubst, dass ich irgendwie sauer auf dich wäre, wenn es gar nicht so war, dann hast du dich aber mal gewaltig in mir getäuscht. Das sage ich dir, weil so bin ich nicht. Du bist doch meine beste Freundin und nichts und niemand kann uns trennen! Auch nicht ein Halbgeschwisterkind von uns!". Jenny strahlte wieder und war mir glaub auch sehr dankbar. „Du bist die beste, tut mir Leid", entschuldigte sie sich noch. „Was tut dir Leid, du hast doch nichts falsch gemacht", erinnerte ich sie. „Ja, aber ich war in den letzten Stunden so doof zu euch allen", meinte sie kleinlaut. „Ach, der einzige, bei dem du dich glaub entschuldigen solltest, ist Disse, er hat nämlich nichts damit zu tun, wurde in die Sache aber trotzdem mit einbezogen", sagte ich ihr. „Ja, hast Recht, ich gehe gleich zu ihm", meinte sie daraufhin und kam auch bis zu dem Zeichen, dass jetzt alle wieder Platz nehmen sollten, da wir bald landen würden, nicht wieder, das machte ich stolz, denn ich konnte sie wieder zu so einem Menschen machen.

OK, das klang jetzt irgendwie komisch, aber eigentlich habe ich ja Recht, naja, nicht so wichtig... Wichtiger war, dass wir kurze Zeit später in Berlin landeten und ziemlich schnell in die Max-Schmeling-Halle fuhren, da die Jungs dort empfangen wurden. So viel Lust hatte ich eigentlich nicht darauf, da ich eh schon ziemlich müde war. Die ganze Fahrt dorthin nörgelte ich also rum. Schließlich hatte Steffen dann eine Idee. „Ey Leute, machen wir es doch so, dass Lia und Jenny mit dem Auto heimfahren und ich meine Freundin anrufe, dass sie uns morgen abholen soll. Das macht sie garantiert, weil wir müssen halt noch bis morgen bleiben", schlug er vor. „Ich will aber auch bei euch bleiben", protestierte Jenny. „Ja dann fährt Lia halt alleine", warf erneut Steffen ein. „Herr Weinhold, ich bin sechzehn", ermahnte ich ihn. „Aber bald siebzehn", fügte Jenny lachend hinzu. „Ja, aber das macht jetzt auch keinen Unterschied, ich kann einfach kein Auto fahren und habe auch noch keinen Führerschein", gab ich ihm zu verstehen. „Bitte was? Du bist sechzehn?!", meinte Steffen auf einmal völlig geschockt. „Eh ja, warum gehe ich sonst noch zur Schule, also so schlecht bin ich dann auch wieder nicht", meinte ich lachend. Er betrachtete mich auf diese Aussage hin eine ganze Weile. „Du siehst älter aus, eindeutig", rutschte es ihm dann irgendwann heraus. „Ja, ist ja alles schön und gut, aber ich muss echt heim, ich kann nicht noch länger von der Schule daheim bleiben, ich muss das alles ja auch erstmal meiner Mutter beibringen", dadurch kam ich dann wieder zum Punkt. Nach einer längeren Diskussion gab Jenny schließlich nach und meinte: „Na gut, dann komme ich halt mit, aber ich hole euch dann morgen auch wieder hier in Berlin ab, dann muss deine Freundin nicht extra herfahren, OK". Alle nickten zustimmend und nach und nach wurden die drei dann auf die Bühne geholt und mussten noch ein kurzes Interview geben. Jenny und ich mischten uns derweil unter die Zuschauermassen in der Halle.

„Ey Disse, wo hast du denn eigentlich deine Medaille", fragte Jenny, nachdem wir unsere Bad Boys wieder trafen. Er wurde auf diese Frage hin ein wenig verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Ehm.. ja, also, es ist so". Jenny schaute ihm erwartungsvoll in die Augen. „Jaa?", forderte sie ihn auf, weiter zu reden. „Naja, also ich habe sie in Polen verloren und". Er wurde abrupt gestoppt. „Bitte was? Du weißt schon, wie viel das Ding wert ist", meinte Jenny empört. „Ich habe sie ja auch wiedergefunden, aber das Band ist eben kaputt, jetzt habe ich halt nur dieses goldene Stück Blech da", rechtfertigte er sich. „Ganz ehrlich! Du bist so dumm! Du wirst zum ersten Mal in deinem Leben Europameister und was machst du? Die Medaille kaputt machen? Das schafft auch nicht jeder", vermutete Jenny. „Ja sorry", kam es nun wieder von Disses Seite aus. „Ja sorry bringt mir jetzt auch nicht viel, ich habe nicht mal ein Bild mit dieser scheiß Medaille", beschwerte sie sich. „Ey Jenny, du kannst eins mit meiner machen", bot Rune ihr an. Strahlend nickte sie und legte sich Runes um den Hals. „Boah ist die schwer", nörgelte sie, Disse machte das Foto und schon wieder hielt Rune sie sicher in seinen Händen. „Danke", meinte sie am Ende noch mit einem frechen Grinsen in Disses Richtung, deutete aber davor auf die Medaille um Runes Hals.

„Lia, wir sollten dann langsam mal losfahren", erinnerte Jenny mich kurz drauf. „Och nö", ärgerte ich mich. Ich wollte Rune bei mir haben. „Du wolltest doch heim", meinte sie zu mir. „Ja, wollte ich auch, ich will aber, dass Rune mitkommt", bettelte ich, doch ohne Erfolg. „Lia, das geht nicht, morgen komme ich aber nach", versprach er mir. Ich umarmte ihn ziemlich lange und dann halfen die Beiden noch, das Auto einzuladen. Die ersten Taschen von ihnen nahmen wir auch gleich mit, dann hatten sie morgen nicht so viel. „Vielen Dank, und tschüss, bis morgen", riefen Rune und Disse uns hinterher und schon waren wir losgedüst.

Nach etwa vier Stunden kamen wir in Kiel an. Endlich. Ich war schon froh, wieder daheim zu sein und Jenny und ich wollten jetzt erst einmal schlafen, nur an eine Sache dachten wir nicht mehr, wir beide haben sie in den letzten Stunden verdrängt...

„Hallo! Wir sind wieder da", riefen Jenny und ich durchs ganze Haus. Erstmal bekamen wir keine Antwort. „Du Lia, kann es sein, dass die diese Wand da auch noch rausgerissen haben", meinte Jenny und deutete mit ihrem Finger in die besagte Richtung. „Ach du scheiße", entfuhr es mir. Wir warfen uns einen jetzt-nicht-ausrasten-Blick zu und stellten unsere Taschen im Zimmer ab, wo waren nur unsere Eltern? Als wir wieder auf dem Weg nach unten waren, öffnete sich die Haustüre und zwei verkleidete Personen kamen rein. Ein Pinguin und ein, ja was war das denn? Ein Hund mit einem Pferdeschwanz oder was sollte das jetzt darstellen? Ein Einhorn hatte es auch noch... Also hätten sie nichts gesagt, hätte man sie glatt für Einbrecher halten können, doch als die Beiden uns erblickten, wusste ich sofort wer vor mir stand. „Unsere Weltmeister sind wieder da!" freute sich niemand geringeres als meine Mutter. „Europameister", korrigierte Jenny sie und verdrehte genervt ihre Augen. „Ich bin kein Europameister. Rune und Disse vielleicht, aber wir Zwei sind es nicht", machte ich meiner Mutter klar. Nun meldete sich auch Marco zu Wort. „Doch, doch, doch. Und heute Abend werden wir mit euren beiden Jungs gemeinsam den Sieg hier feiern. Silke hat alles vorbereitet, die Party kann starten", verriet er. Nun war Jenny mit ihren Nerven am Ende und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Was war nur mit ihnen los? „Papa, Silke, unsere Jungs sind noch in Berlin! Sie kommen erst morgen wieder, und kommt jetzt ja nicht auf die Idee, die Feier morgen nachholen zu wollen, da haben die einen anderen Termin und auch Mittwoch sind sie nicht da, da haben die ein Trainingsspiel und Donnerstag geht es schon wieder nach Nürnberg. Die Jungs sind ausgelastet. Tut ihnen das nicht an und uns bitte auch nicht. Falls euch jetzt einfallen sollte, das heute mit uns zu feiern, da habt ihr euch getäuscht. Wir werden jetzt schlafen gehen. Und ihr lasst uns in Ruhe. Verstanden", schnauzte sie unsere Eltern an. Ich konnte nur nicken, denn alles Wichtige war gesagt. Wir drehten uns um und bekamen noch mit, wie meine Mutter zu Marco raunte: „Dann feiern wir halt am Samstag, wenn die zurückkommen".

Kurz vor dem Ende der Treppe, wurden wir nochmal abgehalten. „Ach Jenny, Lia, noch was". Jenny setzte schon wieder zum Reden an, doch diesmal war ich schneller. „Ja? Ach ihr wollt uns bestimmt noch eure Outfits erklären", vermutete ich ironisch. Dass sie das nicht vorhatten, war mir klar, doch ich war in dem Moment einfach nur angepisst. „Das hatten wir zwar nicht vor, aber das können wir euch auch noch erklären", meinte meine Mutter. „Ich glaube ich werde wahnsinnig", flüsterte ich Jenny zu, die nur zustimmend nickte. Marco fuhr fort: „Wir waren gerade für Fasching einkaufen und die Kostüme haben uns so gut gefallen, dass wir sie gar nicht ausziehen wollten. Die Kassiererin hat zwar gemeint, dass das nicht einfach so gehe, aber dann hat sie eine Ausnahme gemacht. Nett oder?", erzählte er freudestrahlend. „Ja voll", kommentierte Jenny leise. „Nein, aber was wir eigentlich sagen wollten...", nun war es wieder meine Mutter, die redete „wir heiraten. Marco und ich heiraten!"


Schlimmer kann es eh nicht mehr werden!Where stories live. Discover now