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Am nächsten Morgen steht der Topf in dem wir am Abend zuvor die Nudeln gekocht hatte, immer noch neben dem Herd. Mum ist genervt deswegen und ich höre von meinem Zimmer oben aus, wie sie sie es lautstark Tekla mitteilt. 

Müde stapfe ich die Treppe hinunter und sehe gerade noch wie Tekla zur Haustür hinaus stürmt.

Kater will ihr hinterher, aber die Türe ist schneller wieder geschlossen, als er seinen grätigen Körper auch nur durch einen kleinen Spalt zwischen Rahmen und Tür quetschen kann.
Kater ist keine besonders schöne Katze. Sein Körper ist lange, zu lange, und spindeldürr. Außerdem hat er nur sehr dünnes Fell, weswegen man denken könnte er würde im Winter draußen erfrieren. Ich glaube, er wird von den anderen Katzen in der Gegend ausgeschlossen. Trotzdem will er jeden Morgen um die gleiche Zeit raus. Er ist eben ein Einzelgänger. Er ist eben wie ich manchmal.

Nachdem ich ihn raus gelassen habe, gehe ich in die Küche.
Mum wischt energisch den Herd. Ich nehme mir die Milchflasche aus dem Kühlschrank, drehe den Deckel ab und trinke ein paar große Schlucke daraus.

„In diesem Haus gibt es auch Gläser." 

Mum sieht mich scharf an. Ihre grünen Augen sind von dunklen Ringen untermalt. Sie schaut aus, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Vielleicht ist sie nervös, weil der Arzt mit seinem Anhang heute kommt, woran ich erst wieder erinnert werde, als ich den Einkaufszettel auf dem Tisch liegen sehe.

Ich antworte ihr nicht auf ihre Frage.
Genauestens mustert sie jetzt mein Gesicht. Dann versucht sie meine Haare glatt zu zupfen, die von der Nacht wahrscheinlich in alle Richtungen abstehen.

„Mum, benimm dich nicht wie meine Frisörin.", sage ich und setzte mich mit der Milchflasche an den Küchentisch. Weit weg von Mums Fingern, die versuchen mich annähernd menschlich aussehen zu lassen.

Mum liegt sowieso immer viel daran, dass mich die Nachbarn nicht mit einem Jungen verwechseln.
Sie hat geweint, als ich mir die Haare vor knapp einem Jahr abgeschnitten habe. Kurz, ganz kurz. Über die Ohren, ungefähr dreizehn Zentimeter sind noch übrig.
Vielleicht war sie nur so geschockt, weil ich einfach plötzlich und ohne Vorwarnung anders aussah.
Mein Körper, meine Entscheidung.
Veränderungen gehören dazu und Haare sind mir noch nie wichtig gewesen.

Dad liebt lange Haare und Tekla hat sehr lange Haare. Nussbraun, wie Mum, und glänzend.

Vielleicht habe ich deshalb meine abgeschnitten. Sie waren nie so gesund, nie so braun und nie so schön wie Teklas gewesen. Streunerbraun und strohig eher.
Jetzt sind sie ab und ich bin seit einem Jahr sehr froh darüber.

Dad sagt, ich sehe burschikos aus, zumal er dieses Wort nur benutzt um nicht sagen zu müssen, ich sehe aus wie ein Junge. Ich versteh trotzdem was er meint, auch wenn er mich in der Hinsicht vielleicht für dumm hält.

Ich lese die Zeitung als Mum mit dem Zeigefinger auf die Einkaufsliste tippt. Dann schaue ich zu ihr auf, genervt, weil ich morgens einfach nur meine Ruhe haben möchte.

„Leute die nichts zu tun haben, helfen ihren Eltern im Haushalt." Sie wendet sich ab und wischt weiter den Herd. „Oder kaufen ein.", fügt sie dann hinzu.

Ich falte die Zeitung zusammen.

„Es ist nicht fair, dass ich alles machen muss.", meine ich, nehme aber trotzdem die Liste in meine Hand.

„Ist es fair, dass ich eurer Geschirr spülen muss, welches ihr am Abend schmutzig hinterlässt?", fragt sie schließlich.

Genervt verschränke ich die Arme vor meiner Brust, worauf sie mir über den Kopf streicht. Diesmal nicht meiner Haare wegen.

Vielleicht auch morgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt