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Ich fühle mich bescheuert in diesem weißen Kittel. Von dem Tatsch einer Sexy Krankenschwester fehlt jede Spur. Ich hasse Dad dafür, dass er mich hier reingesteckt hat. Welche Erfahrungen soll ich hier schon sammeln? Erfahren, dass ich den Menschen hier drin ähnel und mich selbst einweisen? Oder vielleicht schlaflose Nächte erleiden, weil das alles skurriler als bei American Horror Story ist?
Jedenfalls macht es mich Unruhig, dass einfach jedes Möbelstück, jede Wand und jeder Boden weiß ist.
Das einzige was ein wenig Farbe in die Cafeteria bringt sind die großen Fenster. Man kann in den Innenhof sehen. Er ist grün und durch die Sonne (wenigstens etwas) sieht die Wiese und die große Eiche, welche ich vorhin schon entdeckt habe, viel farbiger aus.
Ich beobachte keinen der hier zu Mittag isst genauer. Ich habe keine Angst vor denen, aber ich will mich mit keinem anfreunden.
Aber, dass der Junge unter dem Baum in diesem alternativen Garten immer noch auf der Bank ausharrt, anstatt sich das undefinierbare Essen hinein zu schaufeln, macht mich nachdenklich.
Irgendetwas an seiner Art, lässt es mir selbst nicht zu wegzuschauen. Doch was es ist, kann ich nicht sagen. Ich sehe ihn kaum, weil die Sonne ihre Strahlen auf sein Gesicht wirft. Ich weiß nicht einmal ob er in meine Richtung schaut.
„Mellanie?" Schwester Claires Hand berührt meinen Oberarm. Ich zucke zusammen. „Kommst du?"
Sie nickt mir lächelt zu, dreht sich dann aber weg von mir.
Bevor ich ihr nachgehe, schaue ich noch einmal in den Innenhof, doch der Junge ist verschwunden.

„Bitte, nenn mich Mella.", sage ich während ich einen der riesigen Töpfe schrubbe, in denen vorhin noch die Tomatensoße gekocht wurde.
Es riecht nach Essigreiniger und Biotonne. Wenigstens ist Claire angenehm.
„Na gut. Mella." Sie lacht mir zu und trocknet dann den Topf ab, den ich ihr reiche.
„Wieso arbeitest du hier?"
Es wird still in der Küche.
„Mein Bruder war lange krank. Ich hab ihn oft hier besucht, leider ging das irgendwann wegen der Schule nicht mehr. Unsre Eltern sind gestorben als er zehn war, ich war immer verantwortlich für ihn. Deshalb hab ich angefangen hier zu arbeiten, damit ich bei ihm sein kann."
Sie stellt den Topf beiseite und nimmt sich den nächsten vor.
„Naja, irgendwie bin ich dann hier hängen geblieben."
Sie sieht den Topf an, als wäre er der Schlüssel zu irgendetwas was sie sehr berührt.
Ich kenne sie kaum und die Situation die gerade hier entstanden ist, passt nicht zu unserem aktuellen Beziehungsstatus.
„Schwester Claire!" Die Schwester vom Empfang kommt in die Küche gestürmt. Ich bin ihr dankbar dafür. „Kommen sie. Zimmer 105 ist verschwunden."
Claire wirft das Geschirrtuch in die Spüle und verlässt die Küche.
Nervös blicke ich mich um. Vielleicht ist jemand ausgebrochen, der nicht ausbrechen sollte.
Verrückte Löwen sollte man nicht auf unschuldige Wesen wie mich loslassen.
Ich wage mich vorsichtig vor in die Kantine.
Ein Mädchen, sitzt am hintersten Platz und liest. Sie schaut nicht auf, als ich mich durch die Tischreihen bewege.
Das Grün des Baumes leuchtet nun noch heller wie zuvor und der Junge sitzt wieder unter der Eiche.

Es ist nicht meine Absicht nach draußen zu gehen. Ich will nur wissen wie er ohne die Sonnenstrahlen in seinem Gesicht aussieht.
Er sieht mich nicht an.
Erst als ich ungeschickt einen halben Meter auf dem nassen Gras schliddere, schaut er mich an.
Er ist wunderschön. Ist das erste was sich in meinem Kopf an Wörter zusammensetzten.
Ich meine, er ist anders und anders ist für mich immer schön.
Seine Nase ist so schmal, was vielleicht auf an dem Lichteinfall liegen kann, und seine Augen sind eigentlich dunkel, aber sie leuchten heller als die von Tekla.
Als er lächelt, bemerke ich, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt habe. Ohne irgendeinen Ton von mir zu geben.
„Falls zu Zimmer 105 bist, solltest du dich lieber bei denen melden. Die sind kurz vor einem Nervenzusammenbruch.", stottere ich herum und deute mit dem Zeigefinger auf das Gebäude hinter mir und in die Richtung in die Schwester Claire vorhin gerannt ist.
Er antwortet nicht. Dann schaut er mich wieder weg.
Okay, nicht gerade freundlich, aber direkt.
Meine Birkenstock (ich wurde gezwungen die Dinger zu tragen) quietschen als ich kehrt mache.
„Die suchen hier andauert jemanden."
Er faltet seine Hände. Ich habe mich wieder umgedreht. Fast bin ich erschrocken, weil er ja doch sprechen kann.
Er sieht mich an und ich vergesse für einen kurzen Augenblick wo ich bin.
„Du kannst dich ruhig setzten, ich fresse dich nicht."
Sein Lachen ist genauso anders wie der Rest dieses Jungen. Er klopft mir der Handfläche auf den freien Platz neben sich.
Ich weiß nicht, ob man sieht, dass ich kurz meinen Kopf schüttle um wieder in die Realität zu gelangen.
„Tut mir Leid. Ich muss hier arbeiten."
Hecktisch verlasse ich den Garten. Ich muss wohl völlig übergeschnappt sein.
Regel Nummer 1, Absatz eins, freunde dich nicht am ersten Tag mit einem Verrückten an und Absatz 2, finde diese jemand schon zweimal nicht interessant.

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