02. Flight attendant

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Nachdem ich am letzten Schultag des Jahres mein Zeugnis empfangen hatte, packte ich noch den Rest meiner Sachen in meine Tasche. Von meinen Freunden hatte ich mich für die nächsten sechs Wochen verabschiedet und meine Familie würde mich zum Bahnhof begleiten.

„Lena, kommst du? Dein Flug geht in vier Stunden!" Die Stimme meiner Mutter ließ mich die Treppe herunter stolpern. Obwohl meine Eltern es nicht gut fanden, mich für sechs Wochen in London leben zu lassen, ließen sie mich gehen, da sie wussten, dass es unglaublich wichtig für mich war. Gern taten sie es nicht, schließlich war ich erst vierzehn Jahre alt, aber es war nun einmal eine einmalige Chance. Mal abgesehen davon, dass ich damit auch mein Englisch aufbessern konnte. Mein Onkel hatte schließlich auch ein gutes Wort für mich eingelegt, was ausschlaggebend gewesen war.

„Du kannst immer zurückkommen, ruf an und wir holen dich ab", versicherte mein Vater mir zum hundertsten Mal und umarmte mich.

„Ich möchte aber da bleiben! Und wenn es gar nicht geht, kann ich bestimmt die restliche Zeit bei Demi wohnen."

„Demi?!" Meine Mutter sah mich verwirrt an.

„Demetria Lovato", stöhnte ich. „Meine Freundin aus den USA, die Sängerin!" Meine Eltern hatten echt keine Ahnung.

„Und du kennst sie gut? Wie alt ist sie denn?" Mum war wieder mal die überbesorgte Mutter, die tausende Fragen stellte.

„Fragt Onkel Wilfried. Ich schreibe euch alles per Mail, okay? Aber wir müssen jetzt los!" Genervt blockte ich ab und wollte aus der Haustür gehen. Meine Familie dackelte hinter mir her und wir stiegen in das Auto ein. Nach der kurzen Fahrt zum Bahnhof luden wir meinen Koffer aus und ich schulterte meine Tasche.

„Dann geh ich mal", murmelte ich, umarmte meinen jüngeren Bruder und verabschiedete mich von meinen Eltern. „Ich schreib euch mal und rufe an", versprach ich ihnen und machte mich dann auf den Weg zum Bahnsteig. Meinen Koffer hinter mir herziehend, ging ich an den Gleisen entlang und setzte mich schließlich auf eine Bank.

Mein Zug sollte erst in zehn Minuten kommen, also hatte ich noch gut Zeit. Mit dem Zug würde ich nach Hannover fahren, von wo aus das Flugzeug nach London startete. Simon Cowell hatte mir eine Flugbegleitung geschickt, die in Hannover auf mich wartete, um mich dann nach London zu begleiten. Meine Mutter hatte auf diesen Service bestanden und der Multimillionär (oder war er doch schon Milliardär?) durfte sein Geld endlich mal für etwas Nützlicheres als die zwanzigste Villa ausgeben. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein und als die Türen aufgingen stieg ich ein und ließ mich auf einen der freien Plätze fallen. Eineinhalb Stunden Fahrtzeit waren es bis Hannover und ich holte meinen iPod heraus, um Musik zu hören. Um meine Aufregung zu lindern schaltete ich meine Heavy Metal Playlist ein und ließ mir die Ohren volldröhnen.

Ich liebte einfach Musik und die Verschiedenheiten der Lieder. Für fast jede Stimmung hatte ich ein passendes Lied auf meinem iPod.

Die Zeit verging glücklicherweise ziemlich schnell und als ich in Hannover am Hauptbahnhof aus dem Zug stieg, hielt ich nach meinem Flugbegleiter Ausschau. Mir wurde gesagt, er habe ein Schild mit meinem Namen dabei, sowie dem Syco Music Label.

Es war ziemlich voll in Hannover, doch zwischen den Bahnsteigen erkannte ich einen jungen Mann um die zwanzig, der sich suchend umsah und ein hellblaues Schild mit der Aufschrift „Lena Schmidt" und dem Syco Label in die Höhe hielt. Zügig ging ich auf ihn zu und streckte ihm die Hand hin.

„Hi, ich bin Lena", begrüßte ich ihn auf Englisch. Mit der Sprache würde ich glücklicherweise kaum Probleme haben, da ich eine AG in meiner Schule besuchte, in der wir umgangssprachliches Englisch lernten und im nächsten Schuljahr würden wir auch eine Reise in ein englischsprachiges Land antreten. Außerdem hatte ich durch Demi einige Begriffe gelernt, die man in der Schule nicht beigebracht bekam. Außer einigen Fachbegriffen würde ich also klarkommen.

„Hey, ich bin Florian Guides. Dein Flugbegleiter", stellte er sich vor und nahm meinen Koffer.

Ein bisschen schüchtern ging ich zunächst schweigend neben ihm durch das Gedränge in Richtung Taxistand.

„Ehrlich gesagt, habe ich nicht damit gerechnet, dass du so jung bist", versuchte Mr. Guides, ein Gespräch aufzubauen.

„Was haben Sie denn gedacht, etwa dass Sie eine Achtzigjährige nach London zu begleiten haben, Mr. Guides?", wurde ich ein bisschen frech und senkte sofort den Kopf. Manchmal konnte ich einfach im richtigen Moment den Mund nicht halten.

„Du musst mich doch nicht siezen, nenn mich ruhig Florian, sonst komme ich mir noch älter vor!" Er schien meine freche Art zunächst zu ignorieren, woraufhin ich erleichtert aufatmete. Nochmal die Kurve gekriegt. „Ehrlich gesagt hatte ich eher an eine Neunzehnjährige gedacht, die sich bei Syco beworben hat, um einen reichen Kerl kennenzulernen und ihn zu heiraten, aber das scheint offensichtlich nicht dein Plan zu sein. Wie alt bist du? Sechzehn?"

„Nicht ganz, vierzehn", gab ich zur Antwort.

„Erst vierzehn?" Erstaunt schaute er mich an. „Wie bist du denn an das Praktikum gekommen? Normalerweise nimmt Mr. Cowell keine Schülerpraktikanten auf."

„Mein Onkel hat Beziehungen im Musikbusiness", gab ich zu.

„Trotzdem, du musst schon etwas Besonderes sein, wenn du bei Syco rein darfst. Mr. Cowell lässt niemanden in das Gebäude, von dem er sich nicht etwas erhofft."

Wir waren am Taxistand angekommen und Florian lotste mich zu einem Taxi, während ich dem Fahrer auf Deutsch erklärte, wo wir hin wollten.

„Zum Flughafen, bitte."

Auf der Fahrt erklärte der junge Mann mir einiges über Simon Cowell und die Syco Music Company und ich hörte ihm aufmerksam zu. Es klang interessant was er so alles erzählte, und ich freute mich schon riesig. Damit würde ein Traum von mir in Erfüllung gehen.

Das Taxi stoppte und wir stiegen aus, um uns ins Foyer zu begeben. Überall waren Menschen, doch Florian lotste mich in den VIP Bereich, wo wir auf das Boarding Zeichen warteten. Mein Koffer war von Mitarbeitern direkt ins Flugzeug gebracht worden, was ich als unglaublichen Luxus betrachtete, woraufhin Flo nur lachte. „Ganz offensichtlich bist du noch nie wirklich luxuriös gereist."

Irgendwie kamen wir im weiterführenden Gespräch auf Hollywood zu sprechen, und ich beschloss, dass ich meinen Flugbegleiter auch einmal etwas überraschen könne.

„Als ich das erste Mal in Hollywood war, um Justin Bieber zu besuchen, habe ich mich mit Demi Lovato angefreundet, kennst du sie? Sie ist super lieb und kommt diesen Sommer nach London." Daraufhin machte er erst einmal große Augen. Nachdem er sich einigermaßen gefasst hatte, antwortete er mir.

„Justin Bieber ist aber kein guter Umgang für dich, das weißt du schon?", war das Einzige, das er herausbrachte.

„Ja, ist mir bewusst", grinste ich. „Aber ich glaube ich habe ihn ziemlich gut unter Kontrolle. Er besitzt sogar tatsächlich so etwas wie Verantwortungsgefühl, wenn ich bei ihm bin. Jedenfalls kocht er immer für mich. Aber ist ja auch egal, auf jeden Fall kenne ich auch durch Demi so ziemlich halb Hollywood, das ist total cool. Ich falle da schon ein wenig auf, wie jeder andere normale Mensch es dort tun würde."

„Als ich so alt war wie du, habe ich gerade mal von Stars geträumt! Du bist echt unglaublich."

„Möglich", gab ich zu. „Dass ich so viele Leute kenne, habe ich aber nicht unbedingt mir selbst zu verdanken, sondern eher meinem Onkel. Er hat ein Tonstudio und arbeitet im Musikgeschäft. Dadurch habe ich seit ich denken kann mit Musikern zu tun, die mich schon damals auf Veranstaltungen mitgenommen haben, wo ich noch mehr Musiker kennengelernt habe, und so weiter."

„Das erklärt auch, weshalb du schon so selbstständig für dein Alter wirkst, und weshalb du so gut Englisch sprichst. Oder hast du englischsprachige Verwandte?", erkundigte er sich.

„Nein, das nicht, aber ich besuche in meiner Schule eine AG, in der wir umgangssprachliches Englisch lernen", berichtete ich. „Da wird uns unter anderem die Angst genommen, die Sprache überhaupt anzuwenden. Wir machen sogar im nächsten Schuljahr eine Austauschfahrt nach England! Eine meiner Freundinnen ist durch diese Gruppe ganze zwei Noten besser geworden in Englisch."

„Das finde ich gut, denn Fremdsprachen und insbesondere Englisch sind in der heutigen Zeit unglaublich wichtig." Da musste ich ihm uneingeschränkt Recht geben. Könnte ich kein Englisch sprechen, hätte ich schließlich niemals dieses Praktikum ergattert.

Don't worry about the age (in a friendship)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt