Kapitel 115

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Am nächsten Nachmittag durfte Anni zum ersten Mal ihren Sohn auf den Arm nehmen. "Er ist so toll", flüsterte meine Schwester und strich ihm über die Stirn. "Ist er wirklich", stimmte Felix zu. Marco hatte das erste Mal nach einigen Wochen das Krankenhaus verlassen und fuhr in Annis Wohnung um sich dort auszuschlafen. Gegen halb fünf bekam ich wieder einen Anruf und ohne Nachzudenken konnte ich erahnen, dass es Mario war. "Wieso kommst du nicht nach Hause?!", rief er, "was soll das denn jetzt alles?!" "Anni ist aufgewacht, kannst du dir das vorstellen?", rief ich freudig, "gestern schon". "Das freut mich", meinte er unemotional, "und wann wachst du wieder auf?" "Was soll das denn jetzt?", schnaufte ich und setzte mich auf das freie Krankenbett, "Mario ich hab gedacht wir haben das geklärt". "Philipp hat in den letzten drei Wochen zweimal so oft neben mir geschlafen, als du, hier ist gar nichts geklärt!", begann er wieder zu zicken. "Jetzt wird doch wieder alles gut", versuchte ich ihn zu beruhigen und strich mir durch meine ungekämmten Haare, "du bist so eine Zicke manchmal". "Du hast wirklich gar nichts verstanden", entgegnete er. Auf einmal sagte keiner mehr was. "Morgen beginnt mein Trainingslager in Schweden, dann kannst du sehen wie du deinen Scheiß regelst", meinte er auf einmal. "Schweden?!", wiederholte ich und fasste mir an den Kopf. "Stockholm", verbesserte er sich, "ja ich weiß, ich find den Ort auch ein Bisschen komisch für ein Trainingslager". "Es geht doch gar nicht um den Ort", fauchte ich ihn an, "wieso kommst du erst einen Tag davor damit an!" "Checkst du eigentlich gar nichts?! Du warst nicht Zuhause, wann hätte ich es dir denn sagen sollen!", schrie er ins Telefon. Im Hintergrund begann jemand zu weinen. "Wie lange soll das Lager denn gehen?", ignorierte ich ihn. "Zwei Wochen glaub ich", antwortete er genervt. "Schön, dass du kurz vor der Geburt einfach abhaust", schnaufte ich, "aber mach nur". "Kümmer dich einfach um die Kinder", seufzte Mario und lief durch die Wohnung. "Natürlich mach ich das, was denkst du denn", versicherte ich ihm. "Glaub mir, was ich mir denke willst du nicht wissen", entgegnete er, "also, Jonas heult". "O..okay, verbring noch ein Bisschen Zeit mit ihm, bevor du morgen weggehst", meinte ich. "Mach dich nicht lächerlich", flüsterte er und legte auf.

Mario PoV:

Völlig kochend legte ich auf. Felix hatte mir schon gestern von Annis Erwachen erzählt und deshalb war es schon längst keine Überraschung mehr für mich. "Ja ist doch wieder gut, ich bin doch da", seufzte ich und nahm meinen Sohn auf den Arm, "im Gegensatz zu anderen Personen". Hinter mir gab es einen Schlag. Philipp hatte sich mit voller Kraft auf die Couch geworfen. "Was ist denn los Kumpel?", wollte ich wissen und strich ihm durch die Haare. "Mir ist langweilig", schnaufte er. "Tut mir leid, dass ich euch nicht so bespaßen kann, wie eure Mutter", entschuldigte ich mich. "Du machst das viel besser als sie, du bist ja wenigstens da", maulte er vor sich her und schaute dann aus dem Fenster. Den ganzen Nachmittag spielte ich mit Philipp im Garten und verbrachte einen letzten Tag wieder alleine mit meinen Söhnen. Nachts um zwölf Uhr knallte die Haustür ins Schloss, was mich aus dem Schlaf riss. "Ich bin daheim", flüsterte Jenna durch die Schlafzimmertür, die einen kleinen Spalt geöffnet war. "Psst", zischte ich genervt, da Philipp sehr lange gebraucht hatte, bis ich ihn zum schlafen gebracht hatte. "Komm bitte", bat mich meine Frau und öffnete die Tür weiter. So unsichtbar wie möglich stand ich vom Bett auf und deckte Philipp wieder zu. "Wieso schläft er schon wieder in meinem Bett?", wollte sie wissen und stellte ihre große Handtasche neben sich ab. "Er weint die ganze Zeit, versteh es doch einfach", meinte ich verschlafen und fuhr mir über die Augen. "Mario Anni hat mich gebraucht", versuchte sie einen neuen Versöhnungsversuch. "Felix? Marco? Dein Vater? Ist das nicht Aufpasserteam genug?", entgegnete ich und ging zum Kühlschrank um mir ein Wasser zu holen. "Zieh das ganze bitte nicht ins Lächerliche", schüttelte sie den Kopf, "ich hätte auch gewollt, dass sie bei mir gewesen wäre". "Das versteh ich ja alles, aber dann musst du deine Schwangerschaftslaunen nicht an mir rauslassen", meinte ich angefressen, "und viel Glück mit Philipp". "Was hast du ihm erzählt?", fuhr sie mich an und warf mir dabei einen bedrohlichen Blick zu. "Was soll ich ihm denn erzählt haben?! Da musste ich nicht viel erzählen, der Junge ist clever, der hat das gleich selbst gecheckt", meinte ich und nahm einen großen Schluck. "Denkst du jetzt du wärst der Super-Daddy?", zickte Jenna und setzte sich an den Küchentisch, "ich bin immer alleine, wenn du Fußballspielen bist". "Das ist mein verdammter Job, ich halte uns so über Wasser!", unterbrach ich sie, "ich hab eben nicht so viel Zeit, wie du". "Schön, dass du unsere Rollen so verteilst. Ganz schön 20. Jahrhundert, findest du nicht?", giftete sie mich an. "Was regst du dich denn jetzt so auf?! Ich hab schon immer das Geld für uns verdient!", schüttelte ich den Kopf, "das hat nichts mit Emanzipation zu tun". "Mit was denn sonst?! Jetzt hast du endlich mal gesehen, wie ich mich jeden Tag fühle, wenn ich mit den Kindern alleine bin", rief sie und ballte ihre Fäuste. "Es war wunderschön mit den Jungs, nur leider hast du vergessen, dass ich noch irgendwie nebenbei Fußballprofi bin und deswegen nicht den Rund-um-die-Uhr-Daddy spielen kann", versuchte ich mich zu rechtfertigen. "Na ein Glück mach ich ja die Arbeit", flüsterte sie, "und du bist dann nurnoch zur Bespaßung da". "Ey das wird mir jetzt echt zu blöd hier", schüttelte ich den Kopf, lief ins Schlafzimmer und nahm meinen Koffer. "Ja hau schon ab", heulte Jenna an der Haustür und knallte sie mir direkt vor der Nase zu. Mein Gehirn setzte in diesem Moment komplett aus. Voller Wut holte ich aus und trat mit meinem Fuß mit voller Wucht gegen unsere Wohnungstür. "Spinnst du?!", brüllte Jenna von Innen, "verschwinde!" "Nichts lieber als das", gab ich zurück und wollte die Treppe hinunterlaufen, doch auf die Wut folgte der Schmerz. Mein Fuß schmerzte wie Hölle. "Scheiße!", brüllte ich durch das ganze Treppenhaus und humpelte hinunter zur Haustüre. Völlig unter Schock stieg ich in mein Auto. Ich konnte mich nur auf meinen Fuß konzentrieren. Ich hatte das Gefühl, dass er gleich abfallen würde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte ich an die Rezeption im Krankenhaus und ohne der Schwester zu erklären was vorgefallen war verwies sie mich direkt in ein Krankenzimmer. Mit Tränen in den Augen erklärte ich wenig später einem Arzt was passiert war. Nachdem er meinen Fuß geröntgt hatte stand seine Diagnose: "Wollen sie es wirklich wissen?" "Sagen sie schon, es kann sowieso nicht mehr schlimmer werden", weinte ich. "Ihr Mittelfußknochen ist gebrochen und vier von ihren Zehen ebenfalls", erklärte er mir anhand des Röntgenbilds, "es ist mir ein Rätsel, wie sie so Auto fahren konnten. Doch, es konnte noch schlimmer gehen. "Scheiße", heulte ich und fasste mir an den Kopf, "das geht nicht". Mein Kopf war hochrot und ich hatte das Gefühl mich ausheulen zu müssen. Es musste alles raus, der Druck und die Lasten von den letzten Wochen. Der Arzt fragte mich etwas, ich verstand es zwar nicht, doch nickte trotzdem. Wenig später stand Marco im Zimmer. Wahrscheinlich war er wieder bei Anni. "Ich kann nicht mehr", heulte ich. Er umarmte mich lange und sagte erstmal gar nichts. "Was ist denn passiert?", fragte er und setzte sich neben mich. "Jenna und ich haben uns gezofft, wir zoffen uns seitdem Anni den Unfall hatte immer, es hört einfach nicht mehr auf", begann ich und wischte mir eine Träne von der Wange, "ich hab so einen Hass auf diese Frau im Moment". Mir blieb fast die Luft weg. Marco legte mir die Hand auf meine Schulter. "Und heute Nacht bin ich dann abgehauen", schluchzte ich und machte wieder eine Pause, "jetzt ist es vorbei". "Laber nicht so einen Scheiß", schüttelte Marco den Kopf, "das kann gar nicht sein". "Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben, ich bin psychisch so am Ende", heulte ich und vergrub mein Gesicht in seinen Armen. "Ja das merk ich", entgegnete er, "und wieso hast du jetzt einen gebrochenen Fuß?" Noch ein wunder Punkt, der mich noch mehr heulen ließ. "Ich war so wütend, dass ich gegen die Tür gehauen hab", erklärte ich. "Das nenn ich mal Powerschuss", grinste Marco, "Dr. Eisenfuß". "Mein Bein, mein Arm und meine Rippen haben sich gerade erst wieder erholt, verstehst du das nicht?! Das Trainingslager kann ich auch vergessen!", weinte ich. "Jetzt häng mal nicht gleich deine ganze Karriere an den Nagel, nur weil du dir den Fuß gebrochen hast", schüttelte er den Kopf. "Meine Karriere hängt nurnoch an einem seidenen Faden, verstehst du das nicht?!", brüllte ich ihn an und begann wenig später wieder zu weinen, nein mehr zu schreien. "Beruhig dich jetzt bitte einfach mal", stöhnte Marco und drückte meinen Kopf von seiner Brust weg, "ich ruf jetzt Pep für dich an, gib mir dein Handy". Mit zittrigen Fingern zeigte ich zum Tisch, wo mein Handy neben meinem Autoschlüssel lag. Nach einer halben Stunde kam er erst wieder. Aus seinem Gesicht konnte ich keine Schlüsse ziehen. "Du sollst morgen trotzdem mit", erklärte er, "Pep findet schon ein Training für dich hat er gesagt". Verheult nickte ich und nahm eine der Tabletten, die mir die Krankenschwester gegeben hatte. Wie aus dem Nichts kippte ich weg und wachte erst wieder auf, als mich die Krankenschwester am nächsten Morgen um sieben Uhr weckte. Völlig verwirrt stand ich auf, schaute in den Spiegel, verzog das Gesicht und lief aus der Tür. Der Arzt klärte irgendetwas mit meinem Betreuer, der mich danach auch zu meinem Taxi führte. Als wir am Trainingsgelände ankamen verlud ich meinen Koffer im Bus und schleppte mich in die letzte Reihe. Meine Teamkollegen sagten irgendetwas zu mir, doch ich reagierte nicht. Die Tabletten vom letzten Abend mussten ein Mix aus Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerztabletten gewesen sein. Und sie wirkten immer noch. Bis zum Flughafen schaffte ich es noch, doch im Flugzeug knickte ich wieder komplett weg. "Mario, wir sind da", weckte mich Manu wenige Augenblicke später. Der Teamarzt hatte schon Tabletten zurecht gelegt und hantierte an meinem Gips herum. "Was machst du?", fragte ich verschlafen und richtete mich auf. "Ich hab mir das ganze Schlamassel erstmal angeschaut", entgegnete er kurz und gab mir dann die Tabletten, "hier, gegen den Schmerz". Wie in Trance stand ich auf und lief auf Krücken aus dem Flugzeug. Meine Sonnenbrille verdeckte meine verheulten Augen, doch gegen mein schmerzverzerrtes Gesicht gab es keine Maske. "Was ist denn nur mit dir los", flüsterte Thomas, als wir nebeneinander standen um auf den Bus zu warten. "Ich kann nicht mehr", entgegnete ich nur kurz und hielt mir meinen pochenden Kopf. Mir war heiß und kalt. "Wieso haben sie dich mitgenommen, du musst behandelt werden", fragte er und hielt seine Hand an meine Stirn. "Gegen Stress können die auch nichts machen", antwortete ich und lehnte meinen Kopf gegen die Wand, "aber sprech mich einfach nicht drauf an". Den ersten Tag im Trainingslager bekam ich gar nicht mit. Als ich ausgeschlafen hatte war es mitten in der Nacht. Gelangweilt und niedergeschlagen zappte ich durch die Programme und blieb beim Sportstudio stehen. Die Medien zerrissen sich gerade um meinen gebrochenen Fuß, ich kam mir vor wie eine Lachnummer. Neben der ganzen Peinlichkeit drang auch ein bisschen Sehnsucht nach Philipp und Jonas durch. Ich begann sie schon jetzt zu vermissen. Gegen fünf Uhr nickte ich noch einmal kurz ein, bis ich wenig später wieder aufgeweckt wurde. In meinen Krücken humpelte ich zum Mannschaftsfrühstück. Meine Kollegen starrten mich wie eine Attraktion an. "Schau ich so beschissen aus?", wollte ich wissen und strich mir durch die Haare. "Nein, setz dich", meinte Pep schnell und schaute mir nicht in die Augen. "Was ist denn los", riss ich die Augen auf. "Ess erstmal was", winkte er ab, "du hast viel zu viel geschlafen und zu wenig gegessen". "Danke", (Mama) fügte ich in meinen Gedanken hinzu. Das Frühstück war wirklich erholsam und der Schlaf entstresste mich etwas. "Mario bist du fertig?", fragte Pep und als ich nickte winkte er mich in eine Richtung. Auf einmal stand Karl-Heinz Rummenigge mit im Raum. "Was gibts?", fragte ich und setzte mich an den Bürotisch. "Mario wir müssen mal reden", begann Rummenigge. Meine müden Augen schauten zu ihm hoch. "Ich glaube du hast es in der letzten Zeit schon gemerkt, aber wir können uns einfach nicht mehr auf dich verlassen", meinte Pep, "erst warst du in Manchester und bist mit einem zugedrückten Auge wieder zu uns gekommen, dann brichst du dir deinen Arm, deine Rippen und dein Bein und brauchst Ewigkeiten bis du wieder zurückkommst", Pep holte kurz Luft, "und dann will ich dir eine letzte Chance geben und du brichst dir den Fuß". Die letzten Worte schrie er förmlich. Mein Kopf brummte. "Und das alles in deiner freien Zeit, wir können das nicht akzeptieren, der Fc Bayern kann keine Spieler bezahlen, die kaum mehr Spielzeit haben", schüttelte Rummenigge den Kopf. "Was heißt das jetzt?", fragte ich, schon fast wieder den Tränen nahe. "Wir glauben es ist besser, wenn wir getrennte Wege gehen", nickte Pep und mied schon wieder meinen Blick. "Und wieso schleppt ihr mich mit nach Stockholm dafür?", fragte ich verständnislos. "Das war ein Befehl von den Ärzten, die dich erstmal durchchecken wollten", begann Pep wieder, "keiner wollte dir glauben, dass du dir schon wieder was gebrochen hast". "Versteh ich nicht", zischte ich und stand auf, "darf ich gehen?" "Dein Flieger geht heute Abend", fügte Rummenigge hinzu, "über die Zukunft reden wir in München". Ich wollte nicht über die Zukunft nachdenken. Die letzten Wochen waren zu viel für mich und ich hatte keine Ahnung wie es weitergehen soll. Ich war komplett alleine.

Hallo!:) Viel Spaß beim Lesen & ja ich weiß, dass viele von euch keinen Stress & Streit mögen, aber es kann ja auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sein. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse.. Sonnige Grüße aus meinen Ferien ♥

Love never runs out (Mario Götze FF - ON HOLD)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon