Kαριтєℓ 16

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"Okay also du musst wieder genau das gleiche wie bei Max machen.", erklärte mir Tyler.
Wir waren nun im Zimmer von Anna angekommen. Etliche Erinnerungen kamen mir hoch und ich fühlte mich auf Anhieb komisch. Es sind einerseits Schöne aber auch schlechte Erinnerungen. Nicht selten bin ich einfach von Zuhause weg, zu Anna, gerannt und habe mich Stunden bei ihr im Zimmer ausgeheult, während sie mich getröstet hat. Doch genau so oft kam es vor das wir stundenlang hier saßen und über unnötige Sachen, bis zum geht nicht mehr, lachten.
Durch den Mondschein erkannte ich die etlichen Bilder an ihrer Wand. Auf eines der Bilder waren wir beide sehr lustig geschminkt. Ich weiß noch, da war uns an dem Tag so langweilig das Anna vorschlug uns gegenseitig zu schminken. Natürlich gefiel mir die Idee sofort. Also machten wir uns auf die Arbeit und schminkten unser gegenüber, ein Erinnerungsfoto durfte da nicht fehlen.

"Hey, alles in Ordnung?", riss mich Tyler mit seiner besorgten Stimme aus alten Erinnerungen.

"Ja, klar.", sagte ich während ich zu ihm sah und ihm ein leichtes lächeln schenkte. Nun sah er mich auch mit leicht gehobenen Mundwinkeln an.
Mein Blick huschte wieder zu Anna, welche in ihrem Bett lag und schlief.
Mit langsamen schritten ging ich näher an sie ran und legte meine Hände, wie bei Max, auf ihrem Kopf.
Die Augen geschlossen und konzertiert, um in ihren Traum zu gelangen, stand ich da.

Mit einem Mal änderte sich die Umgebung und ein atemberaubender Ausblick auf das Meer, lag mir vor den Füßen. Es war mein Lieblingsort, der Ort an dem ich mich zurück zog und von dem niemand Bescheid wusste. Also warum träumt Anna davon?
Ich blickte mich um und entdecke eine mir mit dem Rücken gedrehte Anna am Steinbruch. Sie saß da und ließ ihre Füße nach unten baumeln.

"Annaa!", rief ich. Augenblicklich drehte sie sich um und lächelte mir zu.

"Du bist hier... So oft träume ich schon von diesem Ort, wie ich hier alleine sitze, aber jetzt bist du endlich hier.", ein lächeln hatte sich auf ihren Lippen gebildet und man merkte das sie sich wirklich freute mich zu sehen.
Unsicher und nervös lief ich zu ihr und setzte mich neben ihr auf den felsigen Boden.

"Ja ich bin hier. Doch nicht lange...", sagte ich zu ihr. Sie sah mich an und ein qualvolles lächeln zierte ihre Lippen.
Sie wandte ihren Blick von mir weg und fing an zu sprechen: "An einem Dienstag bist du weinend aus der Schule raus gerannt, ich habe dir hinterher gerufen, doch du bist nicht stehen geblieben. Also bin ich dir gefolgt und du bist hier her gekommen.
Es ist schön hier. Dieser Ausblick, dieses Meeresrauschen, jetzt verstehe ich warum du immer hier her gekommen bist. Hier fühlt man sich frei...
Dennoch, hat auch dieser Ort nichts gebracht, am Ende bist du trotzdem von uns gegangen.
Du bist einfach aus unserem Leben verschwunden und es tut mir leid, ich war nicht richtig für dich da. Ich..., ich hätte merken müssen das es dir noch schlechter geht. Habe ich aber nicht...", ich wusste nicht was ich sagen sollte, so zerbrechlich hatte ich sie nie erlebt.

"Ist schon gut.", murmelte ich.
Ob sie mir wohl jetzt erzählen wird, dass sie die Bilder Max gegeben hat?

Doch stattdessen kam nur ein leises "Hmm" von ihr und danach herrschte ein kurzer Moment Stille, bis ich sie unterbrach.

"Du hast ihm das Video gegeben, nur um eine 'Affäre' geheim zu halten. Ich verstehe einerseits schon das man nicht möchte, dass sowas offenbart wird. Doch sag mir, war es das wert? Ich mein, ich habe mich Tage und Nächte bei dir aus geheult, ohne zu wissen das die Bilder von dir sind. Du hättest es mir sagen können. Ich weiß auch das du mir damit eigentlich helfen wolltest, aber ich, ich wusste das nicht. Es hat mich fertig gemacht, man hat sich noch mehr über mich lustig gemacht, die Bilder wurden von Person zu Person geschickt. Ja, diese Zeit, dieses Erlebnis, ist auch Grund daran wie fertig ich geworden bin. Und dann eines Tages hat mich all meine Kraft verlassen, meinen Kampf gegen dieses leiden hatte ich verloren.
Jetzt sitze ich hier, neben dir, als eine Tote.", kurz stoppte ich um tief ein zu atmen und dann fuhr ich fort.

"Weist du, ich habe mir zwar das Leben genommen, aber getötet hat mich die Menschheit.", stille.

Anna flossen einzelne Tränen die Wange entlang. Ihr Blick stur nach unten zum Meer gerichtet. Dann sah sie hoch und schaute mich, mit Tränen gefüllten Augen, an.

"Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte Max die Bilder nicht geben dürfen. Aber ich hatte Angst Beth, große Angst davor das alles raus kommt. Auch hatte ich Angst, dir die Wahrheit zu sagen. Das wäre das Ende unserer Freundschaft. Bitte verzeih mir. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich meinen Fehler korrigieren. Bloß ist das nicht möglich. Du bist meine beste Freundin, du bist mir unheimlich wichtig. Ich wollte dich nicht noch mehr zerstören. Ich wollte dir helfen. Ja, ich habe dabei versagt und das tut mir unheimlich leid.", mit zerbrechlicher Stimme, sprach sie all die Wörter aus.

"Ich vermisse dich, du fehlst mir.
Jeden Tag zerbricht mein Herz immer und immer mehr, bei der Erkenntnis das du nicht da bist. Dazu noch zu wissen das ich auch schuld daran habe, macht mich fertig. Jeden Abend bete ich, dass es dir jetzt da oben besser geht. Das du Frieden findest..."

Eine Zeit lang sagte ich nichts und dachte einfach nur nach. Sie war immer die einzige, die zu mir stand.
Es war ein großer Fehler mit Folgen, als sie die Bilder Max gegeben hat. Doch im Endeffekt wollte sie eigentlich mir damit helfen.
Sie bereut es, das tut sie wirklich.
Es tat gut mit ihr zu sprechen, mit einer besten Freundin darüber reden zu können. Ihre Sicht der Dinge zu sehen. Die Situation kommt mir so bekannt vor. Wie wir sonst immer zusammen stundenlang da saßen und einfach sprachen. Der Unterschied ist aber, dass ich nicht wieder kommen werde.
Ich hatte die Wahl, entweder würde ich ihr nicht verzeihen, obwohl sie sonst immer für mich da war. Oder ich verzeihe ihr und finde mit dem Gedanken, dass es ihr gut geht, Frieden.

"Okay, ich- ich verzeih dir. Du warst immer für mich da. Du wolltest mir immerhin mit dem Video helfen, hat zwar nicht geklappt, aber es ist okay. Ich will das du dir keine Schuld mehr gibst Anna. Konzentriere dich nicht mehr auf den Schmerz, den du fühlst. Dein ganzes Leben liegt vor dir, mach was drauß. Vergiss einfach nicht das ich immer bei dir bin.", ein leichtes lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich sah sie mit einem warmen Blick an.

Sie warf daraufhin ihre Arme um mich und wir umarmten uns fest. Es fühlte sich toll an, einfach so, als sei ich am Leben.

"Ich vermisse dich so schrecklich, du bist doch meine beste Freundin.
Bitte geh nicht!", flehte sie.

"Ich muss.", ein schluchzen verließ meine Kehle und langsam erlosch der Traum und ich stand wieder im Zimmer.
Eine einzelne Träne floss, aus dem Augenwinkel, meiner besten Freundin. Ich sah sie mir noch kurz an und verschwand dann mit Tyler aus dem Zimmer.

The Humanity has killed me... (Ff) Abgeschlossen✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt