Familiengeschichte aus der Versenkung

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„Wir müssen sie da raus holen", flüstert John. 

Der kleine Mann ballt die Fäuste und schaut mir mit wässrigen Augen Stur entgegen. Ich nicke „Ja, ich weiß und das werden wir", stehe ich auf. Ich will weitere Maßnahmen treffen. Aber ich werde aufgehalten.

„Setzen Sie sich wieder Mr Holmes. Ich habe etwas mit ihnen zu bereden. Das könnte etwas dauern", tritt Irene Adeler mit lasziven Schritten und wiegender Hüfte ein. Wie immer spärlich bekleidet, mit Roten Lippen, die anzüglich zu einem Schmunzeln verzogen sind.

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„Christopher, komm her", lacht Mycroft und breitet die Arme etwas aus. Er sitzt auf dem Klavierhocker vor meinem Flügel. Draußen scheint die Sonne und lässt das Zimmer unnatürlich hell erstrahlen. Ich lache befreit und will auf ihn zugehe. Meine Füße tragen mich nicht und ich falle. Umso mehr ich zu Boden sinke, umso dunkler wird das Zimmer, desto blasser wird Mycrofts Erscheinung. Ich will den schönen Moment zurück, Mycroft lachen sehen und in seine Arme. Doch die Szene löst sich auf und ich spüre Schmerzen und höre Lachen. Ich höre wie jemand etwas sagt „Auffwachen!", ein stoß in die Seite. Ich fahre stöhnend hoch. Ein Knacken lässt mich wissen, dass die angeknacksten Rippen nun doch ganz durch sind.

Mühsam bekomme ich die Augen auf und finde mich auf einer Matratze wieder, in einem düsteren Kellerraum. Eine Glühbirne schwingt an der Decke und flackert. Erinnerungen steigen auf. Ich weiß wieder wo ich bin, was passiert ist, wer das vor mir ist. Der kleine muskulösere steht da und grinst zu mir runter. „Iss hab ich gesagt", er tritt noch mal zu. Erst jetzt registriere ich den Teller mit der wässrigen Flüssigkeit und den Löffel daneben. Hastig schnappe ich letzteres und schiebe ihn mir mit dem Gebräu in den Mund. Zufrieden grummelnd verlässt der Typ den Raum. Ich lasse den Löffel in die Schale fallen und lege mich keuchend auf den Rücken.

Bei jedem Atemzug spüre ich ein scharfes Stechen in der Seite, was mich noch mehr einschränkt als die andere Verletzungen. Mein Rücken fühlt sich wie eine offene Fleischwunde an und meine linke Hand ist zu einer Masse ohne Kontur angeschwollen. Auch merke und sehe ich jetzt erst den Verband. Wie es scheint haben sie uns 'versorgt'.

„Wie geht es dir?", schwebt Sherlocks Stimme krächzend, leise und schwach zu mir. Wenn es mir nicht genauso gehen würde, dann hätte ich mich erschrocken, was aus diesem sonst so starken und stolzen Mann geworden ist? Jetzt kann ich nur hoffen, dass es für uns beide bald vorbei ist.

Ich drehe meinen Kopf zu ihm um. Auch er liegt auf einer Matratze am Boden. Auch seine ist voller Blut und auch er ist 'behandelt' und 'verbunden' worden. Er schaut zu mir, mit fiebrigen Augen. Die Unnahbarkeit, die sonst immer zu sehen ist, ist nicht mehr existent. Ich sehe vor mir einen gebrochenen Mann. Ob ich genauso aussehe?

„Scheiße", antworte ich genauso leise. Er nickt beinahe unmerklich und dreht den Kopf wieder zur Decke. „Und dir?", frage ich, auch wenn ich keine Antwort erwarte.

„Genauso."

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„Was wollen Sie?", fragt John, ohne sich zu setzen. Irene säufst affektiert genervt und setzt sich selber mit überschlagenen Beinen in meinen Sessel. Ich hatte mich in John seinen nieder gelassen. Nun ist es an John zu seufzen, er setzt sich auf einen der Schreibtischstühle. Ich warte gespannt, was uns die Frau zu sagen hat. Sie ist seit Jahren in der Versenkung verschwunden, es muss einen Grund geben, dass sie nun wieder hier ist.

„Ah, ich sehe ihren Kopf arbeiten. Es ist wirklich sexy, Wissen meine ich. Nehmen sie es mir nicht übel, aber sie sind trotzdem nicht wirklich mein Beuteschema, Eismann", lacht sie. „Aber ich will mich beeilen, sonst stößt den beiden wirklich noch was zu", legt sie eine Kunstpause ein. Sie kann nur Sherlock und Christopher meinen. Aber was hat sie mit ihnen zu tun und woher weiß sie davon? Und woher weiß sie, dass Sherlock lebt? Er gilt immer noch offiziell für Tod. „Wir Holmes sind aber auch alle gleich. Kaum ahnen wir auch nur eine Information, versuchen wir zu ergründen und zu analysieren", stellt sie fest. John fährt auf und auch ich stocke „Was meinen Sie damit?" „Ganz einfach, John. Ich bin die Tochter von Sherrinford Holmes und Alice Adeler. Onkelchen, endlich kann ich dich so nennen", lacht sie wieder, wird aber gleich wieder ernst „Es ist euer Glück, dass mir etwas an meinem anderen Onkel Sherlock liegt. Ich weiß nämlich wo er sich befindet und dieser andere...wirklich gut aussehende Mann...leider sind beide vergeben und am anderen Geschlecht interessiert, wirklich schade...Worauf ich hinaus will. Ich kann euch helfen. Mein Vater übertreibt mal wieder und dieser Moriarty ist noch schlimmer als der andere", schien es sie kalt zu erschauern.

„Aber das ist doch nicht möglich?! Wie alt sind sie? Sherrinford ist nur vier Jahre älter als Sherlock, also 43", empört sich John aufgebracht und scheint die viel wichtigeren Informationen gar nicht wahr zu nehmen. Irene lächelt verschmitzt „Das ist wahr. Aber er musste mich ja auch nicht austragen. Mycroft du müsstest dich noch an eine Alice Adeler erinnern. Sie war eine eurer Dienstmädchen. Ich bin 27 , also hat er sich mit 16 an ihr vergriffen. Meine Mutter ist bei der Geburt verstorben und aufgewachsen bin ich bei einer Amme, die von deinen Eltern bezahlt wurde zu schweigen. Sherrinford hat mich vor, ich glaub 10 Jahren aufgesucht", erklärt sie, als wäre das Ganze selbstverständlich.

Als sie den Namen noch einmal wiederholt, erinnere ich mich wieder und mir wird schlecht. Ich hatte die beiden damals erwischt und die Erwachsenen alarmiert. Mir war nur nicht bewusst gewesen was das ganze für Ausmaße angenommen hat, da meine Eltern wie immer, alles totgeschwiegen haben. Ich seufze und streiche mir über die Schläfen.

„Das ist ja alles schön und gut", ich schaue kurz zu John, der blass in seinen Stuhl zurück gesunken ist und fahre fort „Aber wo befinden sich die beiden jetzt?" Irene steht auf und läuft umher. Wie es aussieht lässt die das ganze doch nicht so kalt. „Sie sind in der nähe von Canterbury, in dem Wohnsitz der Moriartys, im Keller", sagt sie „Und es steht nicht gut um sie. Ihr werdet morgen noch ein Video bekommen."

Mir wird flau im Magen, John stürzt ins Bad.

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Was uns zerreißtDonde viven las historias. Descúbrelo ahora