《Kapitel 16》 ▪James▪

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„Die Aktienkurse sind um fünfzehn Prozent gefallen und wegen des Lecks im Industriegebiet mussten wir die Mieten in der Umgebung senken. Der Schaden wurde zwar schleunigst repariert, aber trotzdem wollen die Leute nur ungern dort wohnen bleiben. Offensichtlich haben sie kein Geld, um in eine sichere Gegend zu-"

„Und weiter?" ,unterbrach ich Claire, die sich schon wieder viel zu sehr mit dem Schicksal ihrer Mitmenschen aufhielt. In den letzten zwei Tagen war mir immer wieder aufgefallen, dass sie sich viel zu mitleidig und hilfsbereit verhielt. Nein, sie war definitiv nicht für meine Welt geschaffen. Trotzdem ertappte ich mich dabei, wie ich sie mir an meiner Seite vorstellte, eine Königin in der Dunkelheit. Dann schärften sich meine Fänge automatisch und ich spürte den starken Drang, sie einfach an Ort und Stelle zu beißen, vor all meinen Angestellten. Was auch immer es war, dass sie so anziehend machte, es brachte mich um den Verstand.

„Hörst du mir zu, James?", richtete Claire sich an mich und war sichtlich darüber verärgert, dass ich nicht aufmerksam gewesen war.

„Wie bitte?", fragte ich kühl und würdigte sie eines kurzen Blickes, bevor ich mir weiter auf meinem Zettel Notizen machte. Was sie zweifellos noch mehr aufregte.

„Ich sagte", fuhr Claire mit erhöhter Lautstärke fort, „dass Chief Stabler für die Einweihungsfeier abgesagt hat. Er bedaure das sehr, da du ja jedes Jahr eine großzügige Spende an das Police Department wendest, und schickt dir deswegen Officer Tanner als seine Vertretung."

„Gut so", antwortete ich und notierte es auf meinem Zettel. Die „Spenden", die ich jedes Jahr dem Chief zukommen ließ, waren getarnte Bestechungsgelder, damit er den einen oder anderen Vampirangriff unter den Tisch fallen ließ und der Öffentlichkeit verschwieg.

„Gibt es sonst noch was?", hakte ich nach und schaute ihr in die Augen. Sofort stieg ihr Puls an und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Ein beruhigender Klang in meinen Ohren, der gleichzeitig die verschiedensten Visionen vor meinem inneren Auge hervorrief.

„Nein, das war's. Wenn es dich nicht stört, gehe ich wieder arbeiten", murmelte sie, ihre Augenbrauen verwirrt zusammengezogen. Als ich sie mit einem Nicken entließ, eilte sie schnell aus dem Zimmer. Ich konnte nicht anders, als ihr dabei nachzugucken und ihrem eleganten Körper leise Bewunderung zu zollen, der in der engen Jeans besonders zu Geltung kam. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich Claire ihres Aussehens und ihrer Wirkung auf mich gar nicht bewusst war. Vor allem dann, wenn sie eine ihrer Blusen trug.

Dann hatte ich ständig das Bild vor Augen, wie sie mit einem spielerischen Lächeln auf dem Gesicht quälend langsam ihre Bluse aufknöpfte, nur um mich anschließend mit ihrem Blut zu reizen.

Doch in den letzten Tagen hatten wir kaum ein Wort miteinander gesprochen, obwohl wir uns ständig über den Weg liefen. Jeden Tag nach der Uni kam sie in mein Büro, begrüßte mich kurz und verschwand dann hinter ihrem Schreibtisch. Und jeden Tag ignorierte ich sie, so gut wie es ging, aufs Neue. Zwei Gründe gab es, die mein Verhalten erklärten: Einmal mein ständiger Drang, in ihrer Nähe zu sein und mich von ihr nähren zu wollen. Inzwischen leugnete ich es nicht mehr, dass ich in einer gewissen Weise von der Sterblichen abhängig war, die über das Verlangen nach ihrem Blut hinausging - auch wenn ich das ihr gegenüber natürlich nie zugeben würde. Und genau gegen dieses Verlangen kämpfte ich nun an.

Ich wusste nämlich, dass es für uns beide keinen Mittelweg mehr geben würde. Kein vor und zurück wie in den letzten Tagen. Keine wechselhaften Momente wie das letzte Mal, als Claire mich zuerst leidenschaftlich küsste und dann angewidert vor mir zurückschreckte, nur weil sie die abgetrennte Hand im Kühlschrank gefunden hatte. Sie musste sich entscheiden, ob sie einen Vampir haben wollte oder sich lieber mit den geschmackslosen und einfältigen menschlichen Männern abgab, die ihr nicht halb so viel bieten konnten wie ich.

Eine Nacht mit einem Vampir Where stories live. Discover now