22. Kapitel

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Matteo

      »Hast du schon viele Preise gewonnen?«

      Sie runzelt die Stirn.

      »Ich meine, ob du schon an vielen Wettbewerben mitgemacht hast und dann gewonnen hast?«

      Lächelnd schüttelt sie den Kopf.

      »Also nicht?«, versuche ich ihre Zeichensprache zu entziffern.

      »Doch.«

      Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu, woraufhin sie anfängt zu erklären. »Ich fahre nicht Rollerskates, um viele Preise zu gewinnen. Ich mache das, weil es mir Spass macht und es Teil meines Leben ist.«

      Konzentriert beobachte ich sie von der Seite und sehe, wie sie automatisch lächelt, wenn sie von dem Rollerskaten redet.

      »Matteo?«, reisst sie mich aus meiner Starre. »Hörst du mir überhaupt zu?« Gespielt empört stützt sie die Hände in die Hüften.

      »Ja, klar.«

      »Natürlich«, erwidert sie und lacht.

      Dieses Mädchen steckt so voller Lebensfreude, dass sie fast immer lacht. Vielleicht hat sie mich ja mit ihrer Lebensfreude angesteckt. So erklärt sich auch dieses bescheuerte Grinsen, welches vorher nie da war, auf meinen Lippen.

      »Seit wann skatest du?«

      Ich überlege kurz. »Auch ungefähr seit ich vier bin.«

      Sie nickt, doch plötzlich macht sie ein nachdenkliches Gesicht.

      »Was ist los?«, frage ich sie besorgt.

      »Ich hab nur das Gefühl, dass mein Leben erst mit vier Jahren richtig begonnen hat.«
Sie blickt zu mir.

      Augenblicklich überkommt mich das schlechte Gewissen. Soll ich es ihr sagen? Nein, wie meine Mutter gesagt hat, ist das nicht meine Aufgabe.

      »Das ist ein komischer Gedanke«, meint sie nach einigen Sekunden und lacht wieder. Ich steige in ihr Lachen mit ein, doch mein Lachen ist längst nicht so echt wie ihres. Was sie zum Glück nicht bemerkt.

      »Wollen wir langsam zurück?«, frge ich, um meine Nervosität zu überspielen.

      Sie nickt und steht auf.

      »Es war ein sehr schöner Nachmittag«, sagt sie, als wir vor ihrem Haus stehen.

      »Aber am besten fand ich nach wie vor die Führung«, fügt sie noch hinzu, während sie grinst.

      »Ich habe mir auch sehr viel Mühe gegeben«, erwidere ich und grinse ebenfalls.

      »Das hat man gemerkt.«

      Als ich nichts mehr darauf erwidere, beisst sie sich auf die Unterlippe. »Dann gehe ich mal rein.«

      Ich nicke, lasse sie aber nicht aus den Augen. »Ich auch.«

      »Gut, dann gehe ich.«

      Wieder nicke ich und sehe zu, wie sie sich von mir abwendet und mit zielstrebigen Schritten auf ihre Haustür zugeht. Sie öffnet sie und ich höre von drinnen eine Stimme.

      »Luna? Bist du das?« Die Stimme entpuppt sich als die von Miguel.

      »Papa!«, ruft Luna und schlägt die Haustür hinter sich zu.

      Unwillkürlich muss ich lächeln. Als ich das bemerke, runzle ich die Stirn und versuche das Lächeln aus meinem Gesicht zu bringen. Wieso muss ich immer lächeln, wenn dieses Mädchen in meiner Nähe ist? Erst jetzt realisiere ich, dass ich immer noch hier herum stehe und drehe mich abrupt um und gehe auf mein Haus zu.

      Bevor ich irgendetwas sagen kann, ruft meine Mutter nach mir. »Matteo?«

      »Ja?«, antworte ich skeptisch und trete langsam ins Wohnzimmer ein.

      »Wie war es?«

      »Gut.«

      Sie hebt eine Augenbraue und mir kommt es so vor, als würde sie jede meiner Bewegungen analysieren. »Okay«, sagt sie nur und widmet sich wieder ihren Unterlagen. Irritiert darüber, dass keine Fragen mehr kommen, setze ich meinen Weg fort und gehe die Treppe zu meinem Zimmer rauf. Kaum habe ich mich auf mein Bett gesetzt, klingelt mein Handy.

      »Hallo?«, sage ich, nachdem ich den Anruf entgegengenommen habe.

      »Und? Wie war es?«

      Bevor ich überhaupt antworten kann, redet Gaston gleich weiter. »Nein, warte. Treffen wir uns draussen. Ich warte.«

      Und schon henkt er ab. Ich starre auf mein Handy und kann nicht fassen, was mit diesem Jungen im Moment los ist. Er benimmt sich wie ein Mädchen. Seufzend stehe ich auf und mache mich auf den Weg zu dem Platz, an dem wir uns immer treffen.

      »Du bist heute aber langsam unterwegs«, begrüsst er mich und ich mache ihm mit einer Handbewegung klar, dass er es einfach lassen soll.

      Mein Blick fällt auf eine Bank und augenblicklich denke ich an mein Treffen mit Luna.

      »Matteo?«, reisst mich Gaston aus meiner Trance.

     »Denkst du an Luna?«

      »Nein.«

      »Klar.«

      Er tritt vor mich und legt seine Hände auf meine Schultern. »Schau Matteo.«

      Gespannt warte ich auf seine Rede.

      »Du kannst jeden auf dieser Welt anlügen. Du kannst sogar dich anlügen. Aber deinen besten Freund kannst du nicht anlügen.«

      Ich lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen, schüttle aber trotzdem den Kopf.

      »Ich lüge keinen an.«

      Er seufzt, gibt sich aber geschlagen. »Irgendwann wirst du es selber erkennen.«

      Irgendwann. Werde ich es irgendwann erkennen?

Lutteo - Das Böse Blut in mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt