Der dritte Tag

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Tag Nummer 3 oder wie man einen Kaffee mit einem Gehörlosen trinken geht

Am dritten April wachte ich auf und war wie elektrisiert. Ich meine damit nicht nur, dass ich mich so geladen wie eine 1000 Kilowatt Batterie fühlte, sondern das meine Haare mal wieder zu Berge standen. Jeden Tag dasselbe Spiel. Ich sollte mir entweder dringend ein Glätteisen zulegen oder meine Haare einfach abrasieren und nur noch Perücken tragen.

Ich sprang aus dem Bett und schmiss vor überschäumender Aufgeregtheit einen meiner Bücherstapel um. Ich war von meiner eigenen Energie so überrascht, dass ich mich kurz an meinem Bettrahmen festhalten musste, um den aufkommenden Schwindel zu überwinden. Dann besah ich mir das Unglück an umgestürzten Büchern, dass jetzt den Weg zur Tür und zum Spiegel versperrte.

Ich fluchte und richtete den angerichteten Schaden so gut wie möglich. Dann zog ich mich an. Ich war so aufgeregt, dass ich eine halbe Stunde vor meinem Wecker aufgewacht war und jetzt überhaupt keine Ahnung hatte, was ich mit der gewonnenen Zeit anfangen sollte. Was machte ich denn normalerweise? Lesen, wäre vermutlich die einfachste Antwort gewesen, aber lesen hatte ich in der letzten Nacht schon versucht und daraus war absolut nichts geworden. Lesen schied also aus. Genauso wie Musik hören oder selber machen oder so ziemlich alle meiner sonstigen Aktivitäten, weil sie viel zu viel Raum zu Nachdenken ließen. Etwas das ich normalerweise so sehr an meinen Hobbys schätze. Frei Entfaltung war ja auch etwas Schönes, solange sie nicht dazu führte, dass ich nur noch an eine Person und niemanden und nichts sonst dachte.

Ich tapste also in die Küche und wollte mir ein riesiges Frühstück anfuttern, aber als ich alles vorbereitet und fertig hatte, merkte ich, dass ich nichts hinunter bekommen würde und brachte das viel zu reichliche Frühstück meinem Vater ans Bett, der heute wohl Spätschicht hatte und deshalb ausschlafen konnte.

Anschließend beschloss ich mir die Zeit zu nehmen, um mich ein bisschen zu beruhigen und herunter zu fahren, denn für die Tatsache, dass ich so ungefähr drei Stunden Schlaf hatte, war ich eindeutig viel zu aufgedreht und dass würde sich bestimmt im Verlaufe des Tages noch bemerkbar machen. Das musste ich ja nicht unbedingt noch unterstützen, indem ich jetzt all meine verbleibende Energie zu verpowern.

Ich gönnte mir sogar den Luxus ins Bad zu gehen und mein Gesicht mit klarem Wasser abzukühlen, weil es mal wieder rot-pinker Feuermelder spielte.

Dann lief ich wieder in meinem Zimmer auf und ab.

Ich kam mir einmal mehr unwissend und dumm und klein vor, aber von sinnlosem herum Gerenne würde es ganz sicher nicht besser werden.

Also hörte ich doch Musik.

Was nicht half.

Es half gar nicht.

Es machte mich nur noch nervöser und deshalb ließ ich es dann doch wieder bleiben.

Um 7.08 Uhr fasste ich einen Entschluss und schrieb einen neuen Brief an ihn.

Jim,

Ich weiss noch nicht was ich von dir halten soll.

Ich habe Angst weißt du? Ich kenne dich nicht und ich habe Angst dich kennen zu lernen, weil es so furchtbar schiefgehen könnte und ich will gar nicht, dass es schief geht.

Du bist naemlich mit Abstand die interessanteste Person der ich seit langem begegnet bin und ich habe wahnsinnige Angst es zu vermasseln.

Das Problem ist, wenn du Angst hast es zu vermasseln, dann weisst du ganz tief drinn, das es dir schon irgendwie was bedeutet. Es wuerde auch nicht wehtun bevor es angefangen hat, wenn es mir nichts bedeuten wuerde.

12 Tage AprilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt