Der zwölfte Tag

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Tag Nummer 12 oder wie man ohne Worte "Ich liebe dich" sagt.

In der Nacht von Samstag zu Sonntag hatte ich nur wenig geschlafen. Ich war übermüdet und die Schatten unter meinen Augen zeigten das nur zu deutlich. Sobald das alles sich ein bisschen gelegt hatte würde ich mir selber Schlaftherapie verordnen. Aber so was von!

Ich schlüpfte in ein lässiges T-Shirt mit Cartoon Flugzeugen darauf und machte mich daran, dass Gesicht in meinem Schaden zu retten so gut es ging.

Ich war nervös. Ich hatte keine Kontrolle mehr über das, was aus uns werden würde.

Würde er meine ultra ekelhafte, kitschige Nachricht überhaupt lesen? Würde er überhaupt erst danach suchen?

All diese Fragen schossen mir im Sekundentakt durch den Kopf, als ich erneut vor der Rosentapete in der Küche saß und an meinen Nägeln kaute.

Eine Angewohnheit, die ich eigentlich vor langer Zeit abgelegt hatte, die sich aber immer dann bemerkbar machte, wenn ich unter Stress stand.

Ich konnte und wollte nicht darüber nachdenken, was passieren würde, sollte er einfach nichts tun.

Ich malte mir lieber in den schillerndsten Farben unsere Versöhnung aus.

Wie wir einander in die Arme fallen würden auf unsere ganz eigene Art und Weise und wie er mir verzeihen würde und ich ihm verzeihen würde und wir gemeinsam endlich unsere Angst und den schwarzen Abgrund überwinden würden, der zwischen uns lag.

In Wahrheit hatte er uns gar nicht in die schwarze Kluft gezogen. Wir waren hinein gestürzt bei dem Versuch hinüber zu gelangen und dann war ich auf einer ganz anderen Seite wieder hinaus geklettert. Er lag noch unten und ich hatte alles getan um ihn dazu zu bringen auf meine neue Seite des Abgrundes zu klettern. Jetzt lag es an ihm.

Das ganze Leben bestand aus diesen schwarzen Abgründen. Manche musste man durchqueren um auf die andere Seite zu gelangen, egal wie düster und schwer und einsam dieser Prozess war und manche musste man mit Hilfe einer zweiten Person überqueren.

Brücken bauen oder so.

Manchmal, wenn man sich im Höhenflug befand konnte man ganze Landzüge solcher Schluchten überfliegen, aber sobald man in den nächsten Abgrund stürzte, war der Fall länger und der Heilprozess hinterher schwieriger.

Vielleicht schafften wir es gemeinsam diesen Abgrund zu überwinden, der sich vor uns offenbarte.

Ich grinste gedankenverloren die Wand an, als mein Vater in die Küche kam und mir durch die ohnehin schon verstrubbelten Haare wuschelte.

"Wie geht's dir mein Spatz?", fragte er. Ich schnaubte verärgert und strich mir die Haare wieder glatt.

"Eben ging's mir besser.", maulte ich.

"Ich meine eigentlich, wie es dir jetzt geht. Du hast dich wieder in dein Bett gelegt April und dann bist du plötzlich für den ganzen Abend verschwunden und erst spät nachts wieder gekommen. Ich mache mir Sorgen um dich!", sagt er.

Schuldgefühle machten sich in mir breit. Mein Vater hatte von der ganzen Sache mit meiner Mutter wahrscheinlich mehr schwarz Risse und Kratzer mitgenommen, als irgendwer sonst und jetzt machte ich ihm auch noch solche Sorgen.

"Mir geht's wieder gut Dad. Alles ist gut, ich hatte nur ein bisschen Liebeskummer."

Ich hatte irgendwie das Bedürfnis ihm zu erzählen was los war. Er war immer ein toller Dad mit guten Ratschlägen gewesen, aber hier konnte er mir ja schlecht einen guten Rat geben.

12 Tage AprilWhere stories live. Discover now