Der fünfte Tag

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Tag Nummer 5 oder Ostersonntag und Rätselraten

Am Ostersonntag wachte ich voller Tatendrang auf und lief im Schlafanzug ins Erdgeschoss, in dem mein Vater gerade damit beschäftigt war die Schokoladenostereier überall zu verteilen.

Meine erdrückende, deprimierende Stimmung von gestern war verschwunden und wurde ersetzt durch viel zu überschäumende Liebe und ich hätte meinen Dad gerne volle Kanne abgeknutscht, allerdings steckte er gerade mit dem Kopf voran im großen Schrank, der in der Küche stand und in dem das Geschirr gelagert wurde. Also verschob ich jegliche anhängliche Kuschelaktion auf später.

"Dad bist du sicher, dass es schlau ist direkt neben Mum's gutem Porzellan Ostereier für die zwei Rabauken zu verstecken?", fragte ich skeptisch.

Er versuchte sich umständlich aus dem bunt bemalten Schrankungetüm zu befreien und stieß sich prompt den Kopf.

"Nein. Ich habe nur die alte Keksdose gesucht. Ich hatte überlegt ein bisschen zu backen und morgen Kekse mit zu Oma zu nehmen." Er rieb sich den Kopf und verzog das . Ich lachte ein bisschen. Wenigstens war jetzt klar, von wem ich meine Tollpatschigkeit hatte.

"Sie steht oben auf dem Schrank drauf.", informierte ich ihn grinsend und lachte noch ein wenig mehr.

"Oh. Ja das hätte ich eventuell früher merken sollen. Ich hätte mir auf jeden Fall die Beule erspart. Gut das du den Überblick hast!", sagte er und jetzt prustete ich endgültig los.

„Genau... Ich habe den Überblick und draußen flog gerade eine Kuh am Fenster vorbei und hat mir zugewinkt...", frotzelte ich und mein Dad hob nur skeptisch die linke Augenbraue.

"Sind die Monster noch am Schlafen?", fragte ich und wechselte so das Thema.

"Tief und fest. Wir waren aber gestern auch echt erst spät wieder zu Hause. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass du nicht aufgewacht bist. Torben hat einen neuen Lautstärke-Rekord aufgestellt, während ich versucht habe Mika die Treppe hochzutragen ohne ihn aufzuwecken."

„Ist er schon bei Granny eingeschlafen?", wollte ich wissen und war ein bisschen traurig, dass ich nicht doch mitgegangen war. Gleichzeitig war ich mir jedoch sicher, dass ich die Stimmung nur heruntergezogen hätte und das wollte ich nun wirklich nicht. Es reichte ja, wenn ich mich selbst alleine bemitleidete, da musste ich nicht auch noch allen anderen eine Last sein. Es war schon die richtige Entscheidung gewesen zu Hause zu bleiben. Glücklicherweise hatte ich den besten, verständnisvollsten Dad der Welt und er hatte gleich bemerkt, dass ich nur ein bisschen Zeit für mich brauchte und alles würde wieder ins Lot kommen. Ich war ihm mehr als dankbar dafür, dass er mir diese Zeit und das Vertrauen, dass ich aus eigenem Antrieb aus meinem tiefen, schwarzen Loch herauskommen würde, entgegenbrachte. Bisher hatte ich es ja auch immer geschafft.

„Ja. Du kennst ihn doch. Um neun ist er auf dem Teppich eingeschlafen und ist seitdem nicht mehr aufgewacht.", antwortete mein Dad und riss mich aus meinen Überlegungen.

„Ich wünschte ich hätte so einen tiefen Schlaf. Dann würde Torben mich vielleicht auch nicht immer aufwecken.", feixte ich und mein Dad lachte.

„Niemand auf dieser Welt hat so einen tiefen Schlaf wie Mika und den braucht er bei einem Bruder wie Torben wohl auch."

Ich nickte zustimmend.

Dann schaute ich mich in unser von Sonne durchleuchteten Küche um. Das Basilikum hatte mein Vater wohl inzwischen entsorgt und ich gestattete mir einen kurzen Moment der Trauer. Ich hatte das Basilikum gemocht.

Ansonsten sah unsere Küche aus wie immer: die bunten Kacheln an der Wand über der Herdplatte, die anderen Kräuter in ihren glasierten, mit gekringelten Aufschriften versehenen Töpfen und die türkis gestrichene Wand, die heute durch die Sonne beinahe aussah, als würde sie leuchten.

12 Tage AprilWhere stories live. Discover now