Der vierte Tag

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Tag Nummer 4 oder wie man eine Funkstille übersteht.

Der Samstag war ein furchtbarer Tag.

Es war der Tag vor Sonntag (selbstverständlicherweise...) und Sonntag war Ostern. Jesus Auferstehung und hoffentlich das Ende meines emotionalen Niederganges.

Ich war immer noch hibbelig und aufgekratzt und fühlte mich ein bisschen rastlos. Also hatte sich eigentlich gar nicht viel geändert, mit Ausnahme der Tatsache, dass ich im Augenblick überhaupt nicht differenzieren konnte, ob ich ihn eigentlich nicht wiedersehen wollte oder mich vor Sehnsucht nach ihm verzehrte, wie die stereotype Schnalle in einer dieser Schmonzetten, die meine Tante immer las.

Vielleicht ja von beidem ein bisschen.

Oder von beidem nichts. Ach Mist! Wie konnte man sich nur selbst so unsicher sein, was man eigentlich wollte?

Ich war mir jedoch einigermaßen klar darüber, dass irgendetwas in meinem inneren nicht im Gleichgewicht war und mir Magenschmerzen bereitete und bis ich herausgefunden hatte, was es war, würde es mir auch weiterhin Unbehagen bereiten.

So war das immer und überall. Mein Körper sagte mir, wenn etwas mit meiner Psyche nicht stimmte. Wenn irgendetwas ins Schwanken geriet. Ich konnte es nur leider in den meisten Fällen nicht direkt zuordnen. Dann saß ich da mit leerem Magen und Übelkeitsgefühl und drehte mich in meinen Gedanken um mich selbst und auch mein Vater, Mika und Torben und Junia konnten nichts tun, als mich mir selbst zu überlassen, bis ich herausfand, was gerade nicht stimmte.

Den ganzen Samstag war ich furchtbar müde. Dabei bewegte ich mich kaum, blieb fast nur in der warmen, geborgenen Sicherheit meiner schneeweißen Bettdecke und versuchte mich mit einer Serie nach der nächsten abzulenken.

Nicht das ich jemals ein richtiger Serien-Fanatiker gewesen wäre. Wenn mich eine Show nicht richtig packte, hörte ich meist irgendwann auf sie zu gucken und bedauerlicherweise schafften es nur die wenigsten Serien mich wirklich für einen längeren Zeitraum zu fesseln.

Sobald eine Serie das geschafft hatte, guckte ich sie jedoch auch ohne Zweifel mehrere Male hintereinander und kehrte verlässlich wie die Müllabfuhr zu ihr zurück, um alle kleinen Details aufzusaugen und zu analysieren.

Das einzige, was heute so einigermaßen funktionierte und mich von mir selber und den Abgründen meiner Nachdenklichkeit fernhielt, war BBC's „Sherlock" und auch das hielt mich nur teilweise vom Grübeln ab.

Ich war mir einfach so verdammt unsicher mit allem und was ich von allem halten sollte und vielleicht hätte ich mit Junia darüber reden sollen, aber ich wollte gerade einfach niemanden sehen. In mir war irgendwas, das blockierte und ich wollte nur allein sein und ein bisschen in meinem nach Büchern duftenden und vor der Außenwelt sicheren Zimmer liegen und ohne Grund vor mich hin weinen.

Wie ein richtiger, typischer Teenie, mit unkontrollierbaren Hormonschwankungen halt.

In all meiner Unsicherheit gab es aber wenigstens eine Konstante, denn sicher war:

Jetzt hieß es warten,

und warten,

und warten.

So mussten sich die Menschen in Jerusalem auch gefühlt haben, nachdem Jesus gestorben war. Diese innere Unruhe war ja nicht zum aushalten!

Bah.

Das letzte Mal Verliebtsein hatte ich nicht so ekelhaft anstrengend und physisch strapaziös in Erinnerung. Wenigstens war ich mir sicher, dass ich verliebt war. Wer wäre dass den auch nicht, bei so einem Kerl?

12 Tage AprilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt