Kapitel 1.

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"Da ist es!", sagt Paul stolz und zeigt auf das riesengroße, alte Schloss vor uns.

Also, es ist nicht direkt vor uns, sondern bestimmt eine halbe Stunde Fußweg von hier entfernt. Doch es sieht echt atemberaubend aus.

"Wow", sagt Karina staunend und lehnt sich gegen den Baum neben ihr.

"Wirklich ... wow. Seit wann weißt du davon?", frage ich und wende mich dem braunen Lockenkopf zu.

"Seit einer Woche vielleicht. Ich habe es zufällig entdeckt und wollte da eigentlich hoch, aber dieses Schild hat mich davon abgehalten", erzählt er und deutet auf ein Schild, welches einige Meter von uns entfernt steht. Neugierig laufe ich darauf zu. "Ich meine, so schrecklich Madame Macalister auch ist, Lebensmüde bin ich nicht."

Das Schild ist rot, verbeult und leicht angerostet. Doch der weiße Schriftzug ist noch zu entziffern.

"'Achtung, kein Zutritt, Einsturzgefahr!'", lese ich laut vor und zucke unbekümmert mit den Schultern. "Ich würde es versuchen."

Ich drehe mich wieder zu den beiden um und sie rollen grinsend mit den Augen.

"Wären wir in deiner Haut, würden wir dasselbe behaupten", sagt Karina und lacht kopfschüttelnd, wobei ihre pechschwarzen Haare hin und her wippen und ihre sonst trüben, blauen Augen leuchten.

"Hast du nicht erst gestern das Bad geflutet?", fragt Paul, ebenfalls lachend.

"Ich. War. Das. Nicht", lüge ich seufzend und sehe sie etwas genervt an. Seit Stunden liegen sie mir damit in den Ohren. "Ja, ich war am duschen. Ja, ich war als letzte drin. Nein, ich habe nicht vergessen, das Wasser abzustellen. Und ich kann es mir auch nicht erklären. Das Wasser ist einige Minuten nach mir heraus geschwappt und so viel hätte sich nicht in so kurzer Zeit ansammeln können. Alle Wasserhähne waren auch fest verschlossen, als der Klepner kam."

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meinem Magen aus, weil ich die beiden belüge. Die wahre Wahrheit würden sie mir so oder so nicht glauben, selbst ich zweifel daran. Meine freakigen 'Kräfte' sind dafür verantwortlich, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen. Manchmal passieren solche Missgeschicke, ohne dass ich sie kontrollieren kann, meist wenn meine Gefühle mich überrennen, vor allem Wut. Ich weiß nicht, woher diese 'Kräfte' kommen und wieso ich sie die meiste Zeit kontrolliert einsetzen kann, aber sie sind da und machen mir das Leben noch schwerer, als es bereits ist.

Ungläubig grinsend schütteln meine zwei besten Freunde die Köpfe.

"So sehr wir dir glauben wollen, wir können es nicht. Du hast sogar gedroht, das Haus unter Wasser zu stellen", meldet sich Karina lachend zu Wort und zieht besserwisserisch eine Braue in die Höhe.

"Aber auch nur, weil mich diese Schreckschraube wieder einmal zum Putzen verdonnert hat, obwohl die ach so süße Angelina mit ihren total süßen Engelslocken und den unschuldigen, blauen Augen behauptet hat, ich hätte mich an den Süßigkeiten vergriffen. Selbstverständlich glaubt Macalister ihrem Unschuldsengel und macht mich sofort, nachdem ich aus dem Bad trete, zur Schnecke", seufze ich.

Das ist schon öfter passiert, dass mir alles mögliche angehängt wird, meist von klein Angelina, wie zum Beispiel auch Diebstahl von Geld und ähnlichem. Da erwarten mich natürlich deutlich saftigere Strafen, als Putzen, von denen einige Spuren auf meinem Körper hinterlassen haben.

"Dir ist aber klar, das Macalister irgendwie schon zu Recht manchmal einen Hals auf dich hat? Du stellst ganz schön oft Blödsinn an oder es passiert um dich herum, Gott weiß wie. Wie zum Beispiel, als du die eine Glühbirne ausgewechselt hast und alle anderen plötzlich geplatzt sind? An dem Tag warst du auch echt sauer", sagt Paul läuft wieder in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Karina und ich gehen neben ihm her.

Es sind schon die seltsamsten Sachen in dem Waisenhaus passiert, die die beiden mir scherzend in die Schuhe schieben. Nur wissen sie nicht, dass die mit ihren Späßen recht haben.

"Oder als das Feuer ausbrach, aber nichts verbrannte? Du solltest den Kamin im ersten Stock säubern, aus dem das Feuer ausbrach", plaudert Karina weiter und ich rolle genervt meine Augen.

"Oder als ...", beginnt Paul wieder, doch ich schneide ihm das Wort ab.

"Schon gut, schon gut. Ich habs ja kapiert. Alle diese Vorfälle werden mit mir in Verbindung gebracht und egal, was passiert, es ist die Schuld von Hailey Cartwright", erwidere ich sarkastisch, doch kann mir ein kleines grinsen nicht verkneifen.

Einen Stein vor mir her kickend laufen wir durch einen dichten Wald und brauchen knappe vier andhalb Stunden, um den Weg zu schaffen, und das nur in eine Richtung. Das wichtigste, um sich nicht zu verirren, ist, sich am Ufer des Sees zu orientieren und dann einem Fluss eben Stromabwärts oder -aufwärts zu folgen.

Wir kommen so gegen acht Uhr wieder an 'Kendra Macalisters Waisenhaus für Jungen und Mädchen' ankommen. Es steht in einem kleinem Dorf und sieht von außen nicht so schäbig aus, wie man sich ein Waisenhaus eigentlich vorstellt. Die Wände sind ordentlich verputzt und auch der Rasen im Vor- und Garten ist gleichmäßig gestutzt. Von innen ist es eigentlich auch immer sehr ordentlich wie vor der Flutwelle. Wie das Feuer hat es keinen Schaden hinterlassen, sondern ist nach einiger Zeit einfach spurlos durch den Boden durch gesickert.

Heute sollte ich eigentlich den ganzen Tag im Haus bleiben und Gott weiß was machen, aber ich habe mich bereits füh morgens mit Paul und Karina raus geschlichen. Ich wollte die körperlichen Schmerzen so weit wie möglich hinaus zögern und mir einen schönen Tag machen. Dafür erwartet mich jetzt aber wahrscheinlich eine noch wütendere Frau, aber dieses mal werde ich sie nicht mehr handeln lassen. Gemeinsam laufen wir drei zum Haupteingang.

"Sicher, dass du da jetzt von hier rein willst?", hinterfragt Karina skeptisch und sieht mich besorgt an.

Sie weiß, wie wütend Macalister sein wird, aber was für ein Ausmaß das tatsächlich nehmen wird, weiß niemand außer Macalister und mir.

Ich nicke. "Sie hat ja bemerkt, dass ich nicht da bin, also was macht es für einen Unterschied ob ich durch mein Fenster rein klettere oder die Eingangstür nehme. Ich erspare mir körperliche Amstrengung."

Paul sieht noch zweifelnd zu mir, um sich zu vergewissern, dass ich es mir nicht anders überlege, und öffnet zögerlich die Tür.

Cartwright - Eine neue Welt (Harry Potter FF) *WIRD ÜBERARBEITET*Où les histoires vivent. Découvrez maintenant