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Beim Abendessen war unsere Clique um ein paar Mitglieder gewachsen. Zusätzlich zu Sam, Noah, Jay und natürlich mir, hatten sich auch Trish, Leela und Amy zu uns gesetzt. Damit wir alle an einen Tisch passten, zogen wir kurzerhand um an einen der langen Reihentischen.
Amy hatte sich neben mich gesetzt, auf meiner anderen Seite hibbelte Sam herum, gegen die Leela total apathisch wirkte. Jay war diesmal so klug gewesen, sich nicht neben meine quirlige Freundin zu setzen, sondern hatte dies stattdessen Noah überlassen. Dieser wirkte sichtlich überfordert, vor allem, weil Sam in in jedem zweiten Satz erwähnte.

,,Und dann haben wir, also Noah und ich, oder Noah? Jedenfalls haben wir dann Hausaufgaben gemacht, die waren echt voll ätzend, oder Noah? Weil wir mussten Mathe und Physik machen, und dann noch Englisch, das war ganz schön anstrengend, oder Noah?" Erzählte Sam lautstark und machte wirre Handbewegungen.

,,Wie schaffst du es nur," raunte Amy mir zu. ,,Das jeden Tag zu ertragen?"
,,Frag mich nicht." Erwiderte ich genauso leise und grinste. ,,Ich werde bestimmt nochmal seelische Schäden davontragen."
,,Oder einen Hörsturz." Ergänzte Amy trocken und wir gackerten los wie zwei Hühner auf Drogen, woraufhin Trish uns irritiert anschaute.

,,Puh." Stöhnte Amy schließlich. ,,Morgen habe ich Muskelkater im Bauch vor lachen."
Sie lehnte sich an mich. ,,Man sollte es verbieten, so laut und lange zu lachen."
,,Unbedingt." Stimmte ich zu, vergewisserte mich, dass Sam und nicht hörte und murmelte dann:
,,Oder man sollte es verbieten, so aufgedreht zu sein."
Amy begann sofort wider zu kichern und ich fiel mit ein. Sam's Gelaber kam plötzlich in eine andere Dimension, als sie schwungvoll ihr Glas Apfelsaft vom Tisch fegte und sich das Getränk über meine Hose ergoss.

,,Oh, entschuldige!" Rief Sam sofort und wollte aufspringen, riss dabei allerdings noch ihren Teller um, sodass mir zusätzlich ein Klumpen Sauerkraut auf das Oberteil flog.

,,Wenn schon, denn schon." Bemerkte ich nüchtern und brachte Amy prompt wieder zum Lachen.
,,Komm." Japste sie. ,,Holen wir dir neue Klamotten."
Wir standen auf und machten uns auf den Weg zu unserem Zimmer, wobei Ich dass Gefühl hatte, alle Schüler würden mich anstarren. Das war ja mal wieder typisch! Als ,,die Neue" wurde man keines Blickes gewürdigt, aber sobald man sich bekleckerte, landete man sofort auf dem Präsentierteller. Im wahrsten Sinne des Wortes.

In unserem Zimmer holte ich schnell eine weiße Jogginghose und einen türkisfarbenen Strickpullover heraus und schmiss die dreckigen Klamotten in den Eimer mit Schmutzwäsche.
,,Das T-Shirt passt gut zu deinen Augen." Stellte Amy fest und ich erstarrte in der Bewegung.
,,Alles okay?" Amy sah mich besorgt an. ,,Du bist ja kalkweiß im Gesicht."

,,Ich muss mal ganz schnell..." Keuchte ich, stürzte hastig ins Bad und schloss die Tür ab. Und tatsächlich! Meine Augen waren nun komplett türkis! Sie passten wirklich perfekt zu dem Pullover, stellte ich, immer noch etwas geschockt, fest.
,,Faye?" Fragte Amy von draußen. ,,Ist alles in Ordnung?"

,,Ja!" Rief ich, öffnete die Tür und versuchte, möglichst normal auszusehen. Amy musterte mich zwar misstrauisch, sagte aber nichts. Gemeinsam stiegen wir die Treppen herunter, zurück zur Kantine.

***

Nach dem Abendessen hatte ich endlich Zeit, mir die herausgerissene Seite des Buches genauer anzusehen. Amy war mal wieder zu Mila gegangen, Trish musste sich von Sam durch die Schule ziehen lassen und Sara hatte ich den ganzen Abend noch nicht zu Gesicht bekommen. Zum Abendessen war nicht gekommen und auch jetzt war keine Spur von ihr zu sehen. Ich faltete das Blatt Papier auseinander und begann an der Stelle zu lesen, an der ich vorhin aufgehört hatte.

Der Überlieferung nach spiegelte sich Azita's Seele in ihrem Element wider und zeigte sich für jeden deutlich. Vor ihrem Tod soll sie einen Fluch ausgesprochen haben, in dem sie schwor, zurückzukommen und sich zu rächen. Der genaue Wortlaut des Fluchs ist allgemein bekannt, seit jeher fürchten ihn alle Bändiger, weswegen die Feuerbändiger ausgerottet wurden und werden.

Erstaunt ließ ich den Zettel sinken. Kein Wunder, dass alle so komisch gewesen waren! Sie hatten angenommen, ich würde mich rächen für das, was man den Feuerbändigern früher einmal angetan hatte. Entgeistert schüttelte ich den Kopf. Wem könnte ich schon schaden? So schlecht, wie ich mein Element beherrschte, hatte nun wirklich niemand etwas zu befürchten.

Andererseits war vielleicht genau das der Grund, warum ich so gefährlich wirkte. Ich könnte leicht die Kontrolle verlieren. Noch ein Grund mehr, möglichst schnell zu lernen, mit meinem Feuer umzugehen.
,,Soso, du hast also was aus der Bibliothek mitgehen lassen!" Beim Klang der Stimme schreckte ich hoch. Sara stand mit verschränkten Armen neben meinem Bett und musterte mich.

,,Na los, töte mich." Sie deutete auf das Papier in meiner Hand. ,,Jetzt, wo du weißt, was deine Bestimmung ist."
,,Bitte, sag es niemandem!" Flehte ich. ,,Wenn die Lehrer das sehen, dann werde ich bestimmt vom Internat fliegen."
,,Warum sollte ich? Wann warst du schon mal nett zu mir?" Sara zog skeptisch die Augenbrauen hoch.
,,Danke, gleichfalls." Antwortete ich trocken.

,,Vorsicht." Warnte Sara. ,,Denk dran, ich hab dich in der Hand."
Ich seufzte. ,,Was willst du?" Fragte ich.
,,Noch gar nichts." Sara lächelte gemein. ,,Aber es ist gut, zu wissen, dass ich bei dir was gut habe. Und Faye: Kein Wort zu niemandem!"
Sie drehte sich um und ging ins Badezimmer, die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

,,Scheiße!" Stöhnte ich. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ausgerechnet Sara, die mich sowieso zu hassen schien, hatte die Seite gesehen! So leise wie möglich nahm ich mein Handy und den Zettel und verließ unser Zimmer. Im Schulgebäude waren schon die Lichter ausgeschaltet, denn es war bereits viertel nach neun und somit sollten eigentlich alle auf ihren Zimmern sein.

Ich schlich mich in die Bibliothek und tappte im Licht meiner Handytaschenlampe die Wendeltreppe nach oben. Die Bücherregale warfen groteske Schatten auf den Boden, der Boden knarzte leise unter meinen Füßen. Ich hockte mich in eine dunkle Ecke und wählte zuerst die Nummer meiner Mutter.
,,Hallo Schatz." Meldete sie sich. ,,Alles gut?"

,,Ja." Antwortete ich im Flüsterton, kratzte mich an der Nase und fuhr fort:
,,Ich wollte mich nur mal bei dir melden. Wie läuft's bei euch?"
,,Gut." Mom gähnte. ,,Aber sag mal, du flüsterst so, kann es sein, dass ihr eigentlich schon Nachtruhe habt?"
,,Nee." Wiegelte ich ab. ,,Aber ich will nicht, dass alle anderen meine Gespräche mitbekommen."
,,Jaja." Mom klang nicht gerade überzeugt. ,,So oder so, ich muss auflegen. Hab dich lieb!"
,,Ich dich auch!" Erwiderte ich, dann legten wir auf.

Einige Minuten saß ich einfach nur so da, das Handy an mein Ohr gedrückt und lächelte leise vor mich hin. Auch, wenn wir uns manchmal ganz schön anzickten, liebte ich meine Mutter wie keine andere und auch mein Vater bedeutete mir sehr viel. Natürlich stritten wir uns ab und zu, aber im Großen und Ganzen war unser Verhältnis zueinander sehr gut, zumindest dafür, dass ich mit meinen 16 Jahren die typische Teenagerin war. Erst nach einer Weile schaffte ich es, Maddy's Nummer zu wählen und sie anzurufen.

,,Faye, was willst du?" Meldete sie sich mit einem sehr unfreundlichen Unterton.
,,Maddy, ich brauche deine Hilfe! Ich..." Begann ich, aber Maddy unterbrach mich sofort:
,,Hast du es immer noch nicht verstanden?! Ich hab genug von dir!"
,,Aber Maddy..."
,,Nein, jetzt rede ich!" Fiel Maddy mir wieder ins Wort. ,,Es geht mir saumäßig auf die Nerven, dass du immer nur von dir redest! Du lügst mich an und erwartest anschließend von mir, dass ich das einfach so hinnehme und dir trotzdem helfe! Merkt du eigentlich, wie egoistisch du geworden bist?"

Ein dicker Kloß bildete sich in meiner Kehle und mir traten Tränen in die Augen.
,,Ich bin doch gar nicht egoistisch." Flüsterte ich tonlos.
,,Doch, bist du! Mir reicht's! Lass mich in Ruhe!"
,,Maddy!" Versuchte ich, sie aufzuhalten, aber als Antwort erhielt ich nur ein Tuten.

Frustriert und den Tränen nahe aufstöhnend ließ ich meinen Kopf gegen die Wand fallen und stöhnte auf. Wenn Maddy doch nur zuhören würde! Dabei wusste ich, dass sie im Grunde genommen Recht hatte. Ich hatte sie angelogen und sie hatte allen Grund dazu, wütend auf mich zu sein.

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(1336)
Mal wieder etwas kürzer.
Hinterlasst gerne eure Meinung, wir sehen uns

Widmung geht an Lesesuchtiiiii
Nur so.

Bis dann, MissWriter13

FeuerseeleWhere stories live. Discover now