XVIII

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Das erste, was ich mitbekam, war ein nervtötendes Piepsen, das von irgendwo über mir kam. Verschlafen öffnete ich die Augen und drehte langsam den Kopf hin und her. Der Raum lag im Halbfunkeln, offensichtlich war es also abends.

Ich lag in einem weiß bezogenem Bett aus Metall, neben mir stand ein kleiner Nachttisch mit einem Wecker darauf. Das Zimmer war rechts und links durch Vorhänge abgetrennt, weswegen ich vermutete, dass es noch mehr solcher Kabinen gab. Wahrscheinlich lag ich auf der Krankenstation des Internats. Erst jetzt bemerkte ich die Infusion, die in meine linke Hand lief und den Sauerstoffschlauch, der mir in die Nase gesteckt worden war.

Kurzerhand griff ich die Sauerstoffbrille und riss sie mir mit einem Ruck aus der Nase, bevor ich die Schlaufen hinter meinen Ohren hervorzog und den gesamten Schlauch neben mich pfefferte.

Der Wecker auf dem Nachttisch stand leider mit dem Zifferblatt weg von mir und ich rollte mich ächzend auf die Seite, um ihn umzudrehen. Leider bedachte ich nicht, dass der Schlauch der Infusion nicht allzu lang war und warf prompt den gesamten Ständer um. Er knallte teils auf den Boden, teils auf mich und ich schrie erschrocken auf.

Kurz darauf hörte ich Schritte und Anne tauchte am Fußende des Bettes auf. Als allererstes stellte sie den Ständer wieder auf und sortierte die Schläuche daran.
,,So, du bist also schon wach." Stellte sie dann fest und nahm meine Hand, um meinen Puls zu messen.

,,Wie geht's dir?"
,,Eigentlich ganz gut." Erwiderte ich und stellte erstaunt fest, dass es sogar stimmte.
,,Na, dann wollen wir dich mal von dem Sauerstoff befreien."
Sie entdeckte, dass ich mich bereits selbstständig gemacht hatte und hielt mitten in der Bewegung inne.
,,Oder so."

Eine Weile schwiegen wir, bis Anne mich auch von der Infusion befreit hatte.
,,Wie viel Uhr ist es denn?" Fragte ich dann. ,,Und was ist das für ein dämliches Piepsen?"
,,Also, als erstes ist es kurz vor drei Uhr nachts. Und das Piepsen ist der Rauchmelder, die Batterien sind etwas schwach."
Beim nächsten Piepsen verdrehte ich genervt die Augen. Anne lächelte.
,,Was weißt du denn noch von gestern?"

Ich versuchte, die Ereignisse des vergangenen Nachmittags zu rekonstruieren.
,,Also, eigentlich... alles. Bis halt meine innere Person herauskam." Meinte ich dann. ,,Kann ich übrigens mal auf' Klo?"
Ohne eine Antwort abzuwarten schwang ich meine Beine aus dem Bett und stand auf, Anne versuchte besorgt, mich zurückzuhalten.
,,Faye, mach lieber langsam, du warst mehrere Stunden ohnmächtig. Man sollte jetzt nichts überstürzen."

Verwirrt sah ich sie an, Anne klang, als gäbe es etwas vor mir zu verbergen.
,,Wissen die anderen, wo ich bin und so?" Fragte ich und fummelte an dem weißen Nachthemd herum, in das man mich gesteckt hatte.
,,Nein, natürlich nicht, das wäre ja nicht gerade sensibel." Anne drückte mich sanft aber bestimmt zurück auf die Matratze. ,,Bitte bleib bis morgen früh noch liegen, dann kannst du, so wie es jetzt aussieht, auch gehen."
Widerwillig nickte ich und legte mich wieder hin.

Zwar würde ich gerne wieder in mein eigenes Bett verschwinden, aber der Gedanke, nachts durch die Schule zu wandern, behagte mir ganz und gar nicht. Anne verschwand wieder, wünschte mir im gehen eine gute Nacht und ich starrte Löcher an die Decke. Das Problem wenn ich nachts aufwachte war, dass ich danach nie wieder einschlafen konnte. Außerdem störte mich das Piepen des Rauchmelders noch immer. Ich war schon immer eine Person, die nur schlafen konnte, wenn es absolut leise und dunkel war und das, obwohl ich sogar Angst im Dunkeln hatte.

Nach einer Weile drehte ich den Wecker um.
Es war ein Wecker mit digitaler Anzeige und zeigte kurz vor neun Uhr morgen an.
,,Scheiß Ding." Murmelte ich und als es erneut piepte, schleuderte ich den Wecker gen Decke.

Es knallte und das Teil zerbrach zusammen mit dem heruntergeschlagenen Rauchmelder auf dem Boden. Anne erschien beinahe sofort, fegte wortlos die Scherben zusammen und meinte dann:
,,Fünfzehn Euro."
Ich warf stöhnend den Kopf zurück und versuchte nun krampfhaft, einzuschlafen. Es klappte nicht.

***

Am nächsten Morgen hatte ich das Gefühl, dass mir meine Augenringe bis zu den Knien reichten. Anne ließ mich aufgrund meines lädierten Aussehens nur ungern gehen, aber nachdem ich ihr klargemacht hatte, dass ich bestimmt schon vermisst wurde, konnte ich mich mit ihrer Zustimmung auf den Weg zu meinem Bett machen.
Das Zimmer war komplett leer, ich ließ mich dankbar auf das Bett fallen und döste augenblicklich weg.

Zumindest, bis ich lautstark geweckt wurde.
,,Hallo Faye!" Die Stimme war so dicht an meinem Ohr, dass es sich für mich anhörte wie ein schriller Schrei. Erschrocken schoss ich hoch sah mich panisch um.
Sam stand strahlend lächelnd vor dem Bett und freute sich wie ein Schneekönig, dass sie mich geweckt hatte. Korrektur: Der Schneekönig hat Depressionen gegen Sam.

,,Wo warst du gestern, ich hab dich gesucht!" Trompetete Sam so laut, dass ich das Gefühl hatte, meine Trommelfelle würden zerplatzen. Verschlafen reib ich mir die Augen, als auch endlich mein Gehirn begann zu arbeiten. Ich war in meinem Zimmer. Sam war auch hier, aber es war nicht ihr Zimmer.
,,Wie bist du hier reingekommen?" Erkundigte ich mich, obwohl ich es eigentlich gar nicht so genau wissen wollte.

Sam hielt einen Schlüssel hoch.
,,Mit einem Schlüssel, die passen für jedes Zimmer." Sie lächelte mich so breit an, als erwarte sie einen Orden.
Ich erwiderte ihren Blick nahezu ausdruckslos und ließ mich in die Kissen zurücksinken.

,,Und? Wo warst du?" Wiederholte Sam geduldig ihre Frage.
,,Wie läuft's mit dir und Noah?" Antwortete ich mit einer Gegenfrage. Die Taktik funktionierte, Sam begann sofort, von ihm zu schwärmen.

,,Ich war gestern Abend bei ihm und wir haben uns geküsst und es war einfach perfekt und ich bin so verliebt und ich... ne Moment mal. Was wollte ich gerade sagen?" Sam sah verdattert auf. Ich verkniff mir den Kommentar, dass das für meinen Geschmack alles etwas zu schnell ging mit Noah und Sam, allerdings hatte ich noch nie einen Freund. Wenn es wahre Liebe war, was hatte ich dann dagegenzusetzen.
Sam packte mich am Handgelenk und zog mich zur Tür.

,,Lass uns losgehen, es gibt in fünfzig Minuten Mittagessen!"
,,Und was willst du bis dahin machen?" Hakte ich skeptisch nach, aber Sam winkte nur ab.
,,Keine Ahnung, lass uns erst mal zu Noah gehen."
Ich seufzte, aber gegen Sam hatte ich keine Wahl. Warum musste sie eigentlich ausgerechnet mich als beste Freundin ansehen? Womit hatte ich das nur verdient?

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Sehr sehr kurz.
Ich widme das Kapitel NilWolfcircle , mit der ich in letzter Zeit viel zu wenig Kontakt hatte. Hallo! 🙋🏼

Und Tschüss.

🖤MissWriter13

FeuerseeleWhere stories live. Discover now