XIII

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,,Was in aller Welt hattest du in meinem Büro zu suchen?!"
Ich machte mich auf dem mir zugewiesenen, stoffbezogenen Stuhl so klein wie möglich, um den wütenden Blicken von Mrs. Walsh zu entkommen. Aber sie sah mich weiterhin so durchdringend an, dass ich das Gefühl hatte, ich bräuchte gar nichts sagen, sie würde die Antwort sowieso schon kennen. Sie aus mir herauslesen, wie aus einem Buch.

,,Ich höre." Motzte die Direktorin weiter und sah mich genervt an. Und das war der Moment, in dem mir klar wurde, in was für einem Mist in da drinsteckte. Ich hatte die Nachtruhe missachtet, war in das Büro der Direktorin eingebrochen und hatte etwas daraus gestohlen. Das war nun wirklich keine Kleinigkeit. Eigentlich könnte ich sofort gehen, meine Sachen packen und für immer verschwinden. Ich stand kurz davor, das Handtuch zu werden, „Ich war's nicht" zu rufen und dann schreiend in mein Zimmer zu rennen.

Mrs. Walsh begann, ungeduldig mit ihren Fingern auf der Tischplatte herum zu klopfen.
,,Faye, ich hoffe, dir ist bewusst, dass so etwas eine schwere Strafe nach sich zieht. Aber wenn du mir jetzt eine ehrliche Antwort gibst, kommst du vielleicht noch einmal mit einem blauen Auge davon."

Ich seufzte. Wenn ich Sara verpfiff, würde sie allen davon erzählen, wer ich war und wem ich ähnlich sah. Dass ich etwas aus der Bibliothek mitgenommen hatte, war dagegen nichts. Andererseits wollte ich es mir mit der Direktorin nicht vollständig verscherzen. Ein Gedanke nahm in meinem Kopf Gestalt an. Ich konnte zwar nicht alles ausplaudern, aber ich konnte dafür sorgen, dass die Direktorin von selbst darauf kam. Unauffällig schob ich das Stück Papier in meiner Hand hin und her, bis man es relativ gut sehen konnte. Mrs. Walsh sprang prompt darauf an.
,,Was ist das?" Herrschte sie mich an, ,,Gib es her."

Ich tat, als wäre ich erschrocken und gab dann zögernd den Zettel her.
Die Direktorin überflog ihn und legte ihn dann vor sich auf den Tisch.
,,Soso, du klaust also einen Zettel für Sara." Sagte sie mit kalter Stimme, ,,Warum? Wolltest du ihr einen Gefallen tun?"
Unwillkürlich musste ich schnauben und verriet mich dadurch selbst.
,,Du bist nicht ihre Freundin, stimmt's?" Ich glaubte, in Mrs. Walsh' Gesicht eine Veränderung zu sehen, etwas, das es um Längen freundlicher machte. Ich jedoch gab keine Antwort, sondern zuckte nur vage mit den Schultern.
Dich so leicht gab die Direktorin nicht auf.

,,Hat sie dich erpresst?" Bohrte sie weiter.
Wieder zuckte ich mit den Schultern.
,,Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht die Wahrheit sagst." Mrs. Walsh legte den Kopf schief. ,,Also?"
,,Nein... Ja... egal." Stammelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Nein, nicht egal. Rede mit mir."

Unentschlossen biss ich mir auf die Unterlippe. Ich konnte der Direktorin nicht die Wahrheit sagen, ich konnte es nicht. Es wäre eine Katastrophe. Man würde mich vom Internat werfen, mindestens.
,,Ich kann es nicht sagen." Flüsterte ich tonlos.
,,Wieso nicht?"
Ich atmete laut aus, was Mrs. Walsh als genervtes Stöhnen verstand.
,,Faye, wenn du nicht mit mir reden willst, dann tu es nicht. Aber so bleiben alle Konsequenzen an dir hängen."
,,Es ist zu schlimm." Murmelte ich. Nur über meine Leiche würde ich auspacken!
,,Nichts ist so schlimm, dass du es mir nicht sagen kannst." Mrs. Walsh lächelte und erwartete offensichtlich eine Antwort. Als sie diese nicht bekam, seufzte sie und lehnte sich zurück.

,,Pass auf. Es ist schon spät und wir sind beide müde. Komm bitte morgen nach Schulschluss hier her und wir reden noch einmal. Bis dahin kannst du dir überlegen, wie du mit der Sache umgehen willst. Ich gehe davon aus, dass du nur bei mir eingestiegen bist, weil Sara dich erpresst hat. Wenn du das bestätigst, bekommst du keinen Ärger. Aber so gibst du mir keinen Grund dazu, deine Unschuld anzunehmen. Ist das klar?"
Ich zuckte mit den Schultern, obwohl ich gerne etwas gesagt hätte. Aber meine Zunge war wie versteinert vor Angst, mich zu verplappern.

FeuerseeleWhere stories live. Discover now