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»Lena! Was machst du denn hier?« Besorgnis zeichnete sich auf Bienes Gesicht ab, die ihre Freundin nach längerem Suchen endlich im Bad vorfand. Hart schluchzte Lena auf.

Mein Gott, du siehst schrecklich aus Liebes. Er wird uns alle vernichten und ich bin Schuld!« Ratlos zuckte ihre Freundin mit den Schultern. »Hast du wieder geträumt?« »Ich wünschte, es wäre nur ein Traum gewesen. Nein, Biene, ich habe es gründlich verbockt. Alle Menschen die mir etwas bedeuten sind wegen mir in Gefahr. Die Lichtkrieger, die so große Hoffnungen in mich gesetzt haben, mein leiblicher Vater, ich habe sie verraten. Oh Gott hilf mir!«

Bienes beste Freundin saß leichenblass in sich zusammengesunken vor ihr. Sie konnte sich auf ihre Worte keinen Reim machen. Irgendetwas schien vorgefallen zu sein, dass Lena völlig aus der Bahn geworfen hatte. Bestimmt hatte wieder Florian damit zu tun.

Zu Beginn, als Lena ihn kennenlernte, freute sich Biene für sie, doch je länger die beiden sich kannten, umso komplizierter wurde das Leben ihrer Freundin. Er war ein Lichtkrieger und gehörte zu den <Guten>. So ganz hatte Biene immer noch nicht begriffen, wie das alles funktionierte. Eines aber schon, er tat ihrer Freundin nicht gut. »Wenn ich den in die Finger kriege«, murmelte sie vor sich hin, während sie sich abmühte, die Freundin hochzuziehen.

»Komm! Im Wohnzimmer ist es gemütlicher und ich koche dir einen Tee.« Der sollte Lenas Nerven beruhigen und die klammen Finger wieder wärmen. In diesem Jahr zeigte der September sich von seiner kühlen Seite. An den Abenden brauchte man bereits eine Jacke. Biene hoffte auf einen goldenen Oktober, um noch ein wenig Sonne tanken zu können, bevor der Winter sich mit Schmuddelwetter ankündigte.

Eine Weile musterte sie Lena, wie diese trübsinnig in den Lavendeltee starrte. Das sonst so seidig glänzende braune Haar, hing ihr strähnig ins fahle Gesicht. Spuren von verlaufener Wimperntusche verliehen den sonst strahlend grünen Augen ein fast gespenstisches Aussehen. Sie wollte sie nicht bedrängen, doch ihr Zustand ängstigte Biene. Schließlich gab sie sich einen Ruck. »Erzählst du mir, was los ist?«, flüsterte sie und erschrak über den gequälten Ausdruck, als ihre Freundin den Kopf hob.

»Ich war gestern nach der Besprechung in der Schule bei Dimitri um zu reden. Das Gespräch war eher kurz und ich bin über Nacht geblieben.« Ein kleines Lächeln zuckte um ihren Mund, das sofort wieder verschwand. »Heute Morgen hat dir dann Florian eine Szene gemacht«, vermutete Sabine. »Viel schlimmer«, stöhnte Lena auf. Ratlos wartete Biene weitere Erklärungen ab, doch ihre Freundin hüllte sich in Schweigen. Sie überlegte es auf sich beruhen zu lassen, doch der jämmerliche Anblick im Badezimmer wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Vorsichtig entnahm sie die Teetasse Lenas Händen und zog diese sanft an sich. Ohne Widerspruch lehnte die den Kopf an ihre Schulter.

So saßen sie eine Weile. »Du kannst mir alles sagen, ich bin für dich da, das weißt du doch?«, wagte Biene noch einen Vorstoß. Ein Zittern durchlief Lenas Körper.

»Ich nahm seine Worte nicht ernst. Im Grunde verstand ich sie erst wirklich, nachdem es passiert war. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich habe mich ihm freiwillig ausgeliefert. Dimitri besitzt mich, ich kann nichts dagegen tun, außer vielleicht mich umbringen.« Scharf holte Sabine Luft. Obwohl ihr nicht klar war, was genau Lena da sagte, begriff sie zumindest den Ernst der Lage, denn ihre Freundin sprach vom Sterben.

Der Schatten naht - Umbra NoctisWhere stories live. Discover now