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Nicht ein Tag verging, an dem Dimitri sich fragte, ob er richtig gehandelt hatte. Waren ihm die Schatten schon so nahe gekommen, dass er skrupellos wurde? Er quälte sich durch die Stunden und mit jeder vergehenden begriff er bewusster den Fehler  gegangen zu sein. Der ursprüngliche Plan, mithilfe von Lena die Lichtkrieger verwundbar zu machen, scheiterte ohnehin. Was er dabei völlig außer Acht ließ: Die Gefühle, die sie in ihm weckte. Sie sollte sein Werkzeug im Kampf gegen die Bruderschaft des Lichts sein, doch nun?

Herauszufinden was genau er für Lena empfand, erschien ihm im Moment unmöglich. Er mied den Kontakt zu Oksana und zu den Schatten, tauchte ab in einem Wohnkomplex in Hamburg Billstedt. Dort suchte seine Mutter ihn keinesfalls. Man legte Wert auf Anonymität. Keiner kam hier in Verlegenheit seinen Namen auf das Klingelschild zu schreiben. Die Personen, die hier lebten, wollten so wenig wie möglich Kontakt mit anderen Mitmenschen. Genau wie er.

Die Lichtkrieger suchten bereits nach ihm. Ewig konnte er sich nicht verstecken. Unweigerlich trat nun genau das ein, was Oksana geplant hatte. Ein offener Kampf zwischen den Lichtkriegern und den Schatten der Finsternis. Leidtragende dabei, die Welt und Lena, die er bewusst als Portal gewählt hatte.

Verzweifelt hieb er mit der Faust gegen die papierdünne Wand und hinterließ ein großes Loch zum Nebenraum. Scheiß drauf! Hier kümmerte es niemanden, wie die Wohnungen aussahen, die Hauptsache man hatte ein Dach über den Kopf.

Ihm blieben wenig Optionen, er würde sich der Schatten bemächtigen müssen, um gegen die Lichtkrieger zu bestehen. Dafür zahlte er aber einen hohen Preis. Verlor er sich endgültig in der Finsternis gäbe es kein Halten mehr und dann forderte er Lenas Seele ein.

Alkohol sollte ihm vergessen bringen, doch er half nicht. Mehrere Male suchte er gewisse Etablissements auf, doch sein Körper versagte ihm den Dienst. Lenas Gesichtsausdruck während ihrer Liebesnacht spukte durch seine Gedanken und machte jede anderweitige Vergnügung unmöglich.

Seufzend streckte er sich auf der schmalen Pritsche mit der fleckiggrauen Bettwäsche aus. Sie roch, wie sie aussah, unsauber, doch er ignorierte es.

Während er bereits benebelt durch den Wodka wegdämmerte, spürte er, wie die Schatten nach ihm griffen. Hatte er sie in den vergangenen Tagen immer abgewehrt, hieß er sie heute resigniert willkommen und öffnete sich für den Übergang.

Die Welt in die er übertrat, war wie ein nie enden wollender Albtraum. Hass, Gewalt, Neid, Angst und tiefes Leid waberten in dickem Nebel um ihn, hüllten ihn ein. Die Essenz der Finsternis. Die Lebensgrundlage der verdammten Seelen. Das Einzige woraus sie noch bestanden. Ihre Kraft zogen sie aus der Angst der Menschen. Sie labten sich daran und schafften es so sich der Schatten zu bemächtigen. Fanden sie einen Durchgang konnten sie Unheil und Chaos in der Welt verbreiten. Dimitri wurde zwar als Halbschatten geboren, doch auch er musste sich von Ängsten ernähren, um die Kraft der Schatten für sich zu nutzen.

Der Schatten naht - Umbra NoctisWhere stories live. Discover now