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Brüllend erwachte er. Die Schatten wirbelten dunkel um ihn herum. Mithilfe der Schatten wäre es ihm ein Leichtes Lena aufzuspüren. Doch er wollte ihr keine Angst einjagen. Wieso nur hatte er sie eingefordert? Er hätte ihre Hingabe ohnehin bekommen, aber er musste ja unbedingt alles von ihr nehmen. Wie immer, wenn er sich in der Welt der Totengeister bewegt hatte, kämpfte er im Nachhinein mit seinen inneren Dämonen.

Die Angst der Menschen, die er in sich aufsog, wirkte in ihm nach, gab ihm wider Willen, ein Gefühl von Macht. Davon zehrte er. Einen Kampf gegen die Lichtkrieger konnte er nur bestehen, wenn er täglich die Schatten besuchte. Würde er das überleben, oder schließlich auch zu einem dahinvegetierenden Totengeist werden?

Er konnte die Welt nicht ewig aussperren. Im Grunde wusste Dimitri, es gab nur einen einzigen Weg. Flucht! Als Halbschatten sollte es ihm gelingen seine Spuren zu verwischen. Nicht einmal Oksana durfte er von seinen Plänen erzählen. Eventuell gab er dadurch Lena die Chance auf ein halbwegs normales Leben. So lange sie sein Mal trug, wäre Lena in den Nebeln Freiwild, sobald sie diese betrat. Ohne sich ihr zu Nähern, konnte er es nicht entfernen außerdem - bisher wurde niemals ein Mal von einer Wächterin entfernt.

Kurz erwog er die Möglichkeit, sich der Finsternis zu bedienen für seine Fluchtpläne, verwarf sie aber sofort wieder. Selbst wenn das im Moment der einfachere Weg schien, führte das später zu Komplikationen. Er wollte nicht auf ewig in den Schatten leben.

Schwerfällig wuchtete er sich von der Pritsche und zog die Lederjacke über. Es fiel einiges an Vorbereitungen an. Zuerst musste er sich darüber klar werden, wohin er überhaupt floh. Er brauchte Geld. Im Kopf rechnete er seine Ersparnisse durch. Einige Jahre sollte er damit über die Runden kommen. Es fiel sicherlich auf eine große Summe auf einmal abzuheben. Eine Kreditkartennutzung ließ sich zurückverfolgen. Er benötigte also Bargeld. Das alleine hielt ihn hier noch einige Zeit gefangen.

Also höchste Zeit zu Beginnen! Etwas leichter ums Herz trat er aus dem Haus, machte sich auf den Weg zum Reisebüro. Er brauchte ein Ziel.

Florian bewohnte die Baracke mittlerweile seit zwei Tagen. Beim letzten Telefonat mit Kilian erwähnte er eine günstige Unterkunft gefunden zu haben. Sein Freund hatte im Moment zum Glück alle Hände voll zu tun und hakte nicht weiter nach. Jeden Tag legte er sich auf die Lauer. Schlich um das Gebäude oder auf dem Gang vor Appartement 31 B in dem vermutlich Dimitri wohnte, herum. Bis jetzt ohne Erfolg. Weder verdächtige Geräusche drangen durch die Wohnungstür, noch sah er jemanden.

Er hatte sich soeben ein Glas Wasser aus der Küchennische geholt und nahm seinen Stammplatz, am Fenster, das zum Eingang lag, wieder ein. Vor Überraschung fiel ihm beinahe das Getränk aus der Hand. Zielstrebig entfernte sich ein komplett in schwarz gekleideter Mann von dem Gebäude. Ohne Zweifel Dimitri! Fieberhaft überlegte Florian. Sollte er ihm folgen? Bis er die Treppen runter raste, konnte der Schattenmann überall sein. In sein Appartement eindringen? Was glaubte er dort zu finden? Beschwörungsformeln, Zauberbücher? Blödsinn!

Nein, die einfachste Lösung: Der Überraschungsmoment. Florian eilte die Treppe hinunter und versteckte sich hinter einer hohen Ligusterhecke.

Der Schatten naht - Umbra NoctisWhere stories live. Discover now