ZWEIUNDDREIßIG oder wie Elaine englische Freunde fand

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Auch wenn sie am vorherigen Abend als Letzt ins Bett gegangen ist, war Elaine doch die Erste von den Mädchen, die am nächsten Morgen die Augen vom Schlaf wieder öffnete. Dies kannte sie schon von den ein oder anderen Übernachtungen mit ihren Freundinnen. Egal wie lange sie aufblieben oder wie früh sie sich ins Bett begaben, Emma wachte niemals vor zehn Uhr auf und Leah schlief ohne Wecker stets bis elf Uhr. Doch Elaine schaffte es einfach nicht länger zu schlafen als acht Uhr, obwohl genau ihr in diesem Moment auffiel, dass sie es bisher genau einmal geschafft hatte länger zu schlafen und das war an dem Tag nach ihrem Geburtstag.
Wie immer versuchte sie ihre Augen noch einmal zu schließen Aber das Problem war, dass es wiedermal so war, dass sie ihre Augen nun einmal offen gewesen waren und dadurch ihr Körper einfach jetzt offiziell wach war. Sie war einer dieser Menschen, die nur selten wieder einschlafen konnten. Wenn sie wach war, war sie leider wach. Schon mehrmals konnte sie beobachten, wie ihre neue beste Freundin zum frühstücken aufgestanden war und sich danach einfach wieder ins Bett gelegt hatte. Das Unvorstellbare  für sie war es, dass Emma dann meistens nur ein paar Minuten brauchte und schon war sie wieder vollkommen im Tiefschlaf.
Sie kannte so viele verschiedene Menschen, die alle es schafften lange und ständig zu schlafen. Dazu gehörten auch der Rest der Familie und Raphael.
Manchmal fragte sie sich, ob sie sich ihrer Mutter in dieser Hinsicht vielleicht ähnlich war. Besonders dann bemerkte sie, dass sie sich an nur ziemlich wenige Sachen erinnerte.
Schon immer war sie ein Mensch gewesen, der viel nachdachte, deswegen mochte sie die Zeit, in der sie nur für sich war, allein, auch schon immer. Es gab diese Menschen, die immer Aktion und andere Menschen um sich herum brauchten, sie war nie einer dieser Menschen gewesen. Ihre Gedanken kreisten immer und überall, dennoch gab es auch manchmal diese wenigen Momente in dem ihre Gedanken ruhiger wurden und auch mal still standen.
Selten waren sie aus, doch erst vor Kurzem waren sie nicht nur ruhiger im Hintergrund gewesen, sondern einfach nur weggefegt. Letztens bei ihrem Kuss war dieser Moment gewesen. Es war als würde die Welt still stehen. Gerne erinnerte sie sich an diesen Moment, an diese Gefühle.
Ihre Welt stand aber nicht still, sie durfte es nicht. Denn auch wenn es sich gut anfühlte, dennoch lief trotzdem die Zeit um sich herum weiter und in dem Moment verpasste man vielleicht etwas. Genau daran lag für sie das Problem. Ein Jahr war eine Zeitangabe. Zeit lief immer vorwärts und damit verschwand die Zeit auch immer.
Deswegen wollte sie zwar auf der einen Seite den Kuss tausend mal wiedererleben und dennoch war die Angst etwas zu verpassen zu groß.
Neben ihr regte sich Emma und so wanderte ihr Blick rüber und ihre Gedanken wurden kurz in den Hintergrund gerrückt. Dort blieben sie dann auch, als ihre Freundin schließlich wach war und die beiden zusammen zum Frühstück gingen.
Nach dem Frühsück, welches schließlich fast eine Stunde gedauert hatte, weil die beiden einfach sitzen geblieben waren und so mit der Zeit mit allen gemeinsam gegessen hatten. In dieser Stunde machten sie auch den Plan für den Tag. Eigentlich die Meisten von ihnen hatten sich dafür ausgesprochen erstmal alle möglichen Sehenswürdigkeiten abzuklappen. So packten sie ihre Rucksäcke und machten sich schnell zum Aufbruch bereit. Sydney war schließlich eine Großstadt mit vielen Orten, die gesehen werden wollten.
Den ganzen Tag lang waren die Kameras der Freunde draußen und wurden stets genutzt. Sie alberten herum, fotografierten sich und die Umgebung und speicherten Erinnerungen.
Auch in den folgenden Tagen waren sie jede Stunde tagsüber unterwegs. An den Abenden schmerzten ihre Füße dann so stark, dass sie am liebsten gar nicht mehr von ihren Stühlen oder dem Bett aufstehen wollten.
Dennoch wusste jeder von ihnen, dass diese fast zwei Wochen etwas Besonderes waren und keiner wollte etwas aus dieser Zeit verpassen.
Nach vier Tagen hatten die Sechs das Gefühl sich langsam in Australien dazu zu gehören. Am vorherigen Abend hatten sie in einem Restaurant eine kleine Gruppe von Einheimischen kennengelernt und über den Abend angefreundet.
Am diesem Tag wollten sie sich wieder treffen, weil die drei Australier ihnen das wirkliche Leben in Sydney zeigen wollten. Sie hatten sich schon zum Mittagessen verabredet. Dafür trafen sie sich auf einem Foot Market.
Die drei Autralier Kate, Charlotte und Cooper empfingen die Sechs mit offenen Armen und fingen an die Deutschen über einen ihren Lieblingsort zu führen. Dort kauften sie sich auch ihr Mittagessen, so wie es von ihren Führern geplant war. Danach liefen die neun jungen Menschen einfach den ganzen Tag durch die Gegend. Aber es war eher so als würden sie einen verdammt langen Spaziergang machen. So setzten sie sich zwischendurch auch mal in ein Eiscafé und schleckten ein Eis oder später setzten sie sich auch fast für eine Stunde in einen Park und unterhielten sich. Dabei fiel eigentlich jedem der Jugendlichen auf, dass egal, wo man aufwuchs, man war im Großen und Ganzen dennoch ziemlich ähnlich. Sie bemerkten, dass sie genauso Schulstress hatten, dass sie als Mädchen eigentlich ähnlich dachten, dass ihre Welt sich um Jungs, feiern und Noten drehte und insgesamt dass die Welt der Jugendlichen sich ähnelte, obwohl sie von so vielen Kilometern getrennt wurden.
Zum Abendessen verabschiedeten sie sich zwar wieder voneinander, doch nicht für lange, denn Cooper hatte vorgeschlagen, dass die Gruppe am Abend zusammen feiern gehen könnte und das taten sie auch. Sie machten Party und so lernte Elaine schnell, dass es nicht schwer war neue tolle Menschen kennen zu lernen. Es war nicht kompliziert. Im Gegenteil es war verdammt einfach.
Kate und Charlotte waren fantastische Mädchen und Cooper wäre, wenn er wie sie in Deutschland leben würde, wohl einer der besten Freunde von Raphael und Niklas.
Es reichte sich nur ein bisschen zu unterhalten und vielleicht dabei ein oder zwei Gemeinsamkeiten zu entdecken. Auf jeden Fall half das feiern gehen auch nochmals stark dazu, um eine neue Bekanntschaft zu einer Freundschaft werden zu lassen.
Auch wenn es vielleicht ein unschöner Gedanke war, Elaine hoffte, dass sie mit den drei noch so lange wie möglich in Kontakt blieben und dass sie vielleicht auch zu ihrer Beerdigung kommen würden. Denn sie wollte eine große halb glückliche Beerdigung zu ihrem Gedenken haben. Ihre Beerdigung gehörte zu ihrem Leben noch dazu, auch wenn sie dann schon tot wäre.

How I would like to say GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt