Kapitel 2

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Langsam gehe ich die Treppen hinauf, nachdem ich Mr. Scrubb begrüßt habe. Ich fange an zu glauben, dass er nicht einmal weiß wie ich aussehe, weil er seine Zeitung wahrscheinlich nicht einmal bei einem Weltuntergang weglegen würde. Stirnrunzelnd gehe ich nach oben, da von dort wütende Stimmen zu hören sind. Verwirrt bleibe ich vor der Tür stehen aus der die Stimmen kommen. Vorsichtig öffne ich sie und die Stimmen verstummen. Ein hübsches Mädchen mit braunen Locken steh vor dem Bild, auf dem ein Segelschiff abgebildet ist. Ein schwarzhaariger Junge, der ein Jahr älter als ich zu sein scheint, starrt mich nur überrascht an. Daneben steht ein genervter Eustachius, doch als er mich sieht geht er schnell zu mir und umarmt mich kurz. 

,,Hallo Angie! lass dich bitte nicht von meinem Cousin und meiner Cousine stören. Sie reden schon die ganze Zeit über ein 'magisches Land'. Die sind doch verrückt!", ruft er, worauf ihn sein Cousin nur wütend anstarrt. 

,,Erlaube mir ihn zu verprügeln!", knurrt er zu seiner Schwester, welche ihn warnend an der Hand zurückzieht, doch der Junge geht einige Schritte auf Eustachius zu. Obwohl ich weiß, dass ich zu schwach wäre, um gegen einen solchen Jungen 'anzutreten', stelle ich mich vor Eustachius. Kurz blicken mich seine braunen Augen verwirrt an, doch dann fängt er an zu grinsen. 

,,Ach. Muss der kleine Eustachius beschützt werden? Von einem Mädchen!", höhnt er, doch jetzt geht er zu weit. Ich bin vielleicht kleiner als er, doch NIEMAND macht sich über mich oder meinen einzigen Freund lustig. Bedrohlich drücke ich meinen Finger gegen seine Brust. Verwundert blickt er mich an. Anscheinend ist er so etwas nicht gewohnt. Erst jetzt wird mir bewusst, was ich hier tue. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was ich machen soll. Kurz lasse ich meine Augen über den Jungen wandern und bleibe an seinen geheimnisvollen Augen stehen. Noch nie war ich von jemandem so fasziniert wie von ihm. Doch bevor ich ich auch nur etwas sagen konnte, werde ich wieder unterbrochen.

,,Du willst mir drohen?", knurrt er und geht einen weiteren Schritt auf mich zu, sodass ich zu ihm hinaufsehen muss und seinen Atem auf mir spüre. Sofort wird mir unwohl. Noch nie war ich einem anderen Jungen so nah wie ihm. Außer bei Eustachius. Aber ehrlich: Ich kenne den blonden Jungen schon Jahre lang. Für mich ist er wie ein Bruder. Doch dieser Junge. Am liebsten würde ich zurückweichen, doch so würde ich Schwäche zeigen. Zu Hause falle ich vielleicht zusammen, aber außerhalb darf ich nicht schwach sein. Unser Blick Duell wird von einem aufgeregtem Keuchen unterbrochen. Erschrocken sehe ich zu dem Mädchen, welches vor dem Bild steht und bin ihr dankbar, dass sie mich vor dieser peinlichen Situation gerettet hat.

,,Lucy! Was ist los?", fragt ihr Bruder aufgeregt. Immer noch keuchend deutet sie auf das Bild. Die Wellen scheinen sich zu bewegen.

,,Siehst du es nicht, Edmund? Die Wellen! Sie bewegen sich!", ruft sie erfreut. Sofort steht Edmund neben ihr und unser kleiner Streit scheint vergessen. Nach einem kurzen Blick zu Eustachius merke ich, dass auch er genauso planlos daneben steht wie ich. Auf einmal kommt uns Wind entgegen und ich spüre Wassertropfen auf meiner Wange. Neugierig sehe ich zum Bild, bis plötzlich hunderte Liter Wasser hinausströmen. Panik überrollt mich und ich versuche zur Tür zu rennen, doch bekomme diese nicht auf. Mit aller Kraft reiße ich an ihr, jedoch ohne Erfolg. 

Habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich Angst vor Wasser habe? Ich glaube Schon. Eigentlich bin ich eine sehr gute Schwimmerin gewesen, doch seit dem Tod meines Vaters wollte ich nie mehr in die Nähe des Meeres. Mein Vater ist nämlich auf See ertrunken. Jedes verdammte Mal wenn ich meinen Kopf unter Wasser hielt, sei es nur wenn ich mich kurz dusche, schießt ein Bild meines hilflosen Vaters in mein Blickfeld.  

Ängstlich klammere ich mich am Türgriff fest und sehe zu wie die beiden Geschwister immer noch fasziniert vorm Bild stehen. Hilfesuchend sehe ich zu Eustachius, welcher wissend meinen Blick erwidert. Auf einmal stürmt er nach vorne und reißt das Bild von der Wand. Sofort versuchen die anderen ihn aufzuhalten.

,,Ich werde dieses Bild zerstören!", ruft er, doch das Wasser steht mir bereits bis zu der Hüfte. Auf einmal lässt er das Bild fallen, worauf ein Sog mich nach unten drückt. Verzweifelt halte ich mich am Bettrand fest, doch der Sog wird stärker. Da ich mich nicht weiter festhalten kann, hole ich tief Luft und lasse los. Ich werde durch das Bild gezogen und mich umhüllt auf einmal überall Wasser. Unfähig mich zu bewegen und zu geschockt, um zu schwimmen, sehe ich den anderen zu, die immer weiter an die Wasseroberfläche schwimmen, während ich immer weiter absinke. Ich wollte ihnen hinterher doch die Angst hat mich gelähmt. Verzweifelt suche ich nach etwas, das mir helfen könnte. Doch ich kann weit und breit nichts sehen. Bilder meines Vaters und seiner Crew schießen mir durch den Kopf. Grausame, wie sie  ertrinken. Innerlich schalte ich ab. 

Auf einmal spüre ich Wärme neben mir und ein Wasserstrom bringt mich immer weiter nach oben. Verdutzt sehe ich mich um und hätte fast geschrien, wenn mir nicht aufgefallen wäre, dass wir unter Wasser sind. Eine Frau aus Wasser hat mich gepackt und lächelt mir freundlich zu. Immer weiter werde ich ihr nach oben getragen, bis ich mich auf einmal an der Wasseroberfläche befinde. Röchelnd schnappe ich nach Luft. Meine Augen brennen vom Salzwasser, sodass ich nichts erkennen kann außer helles Licht. Fast schon drohe ich wieder unterzugehen. doch ein Arm umschließt meinen Oberkörper. Zuerst wollte ich mich wehren, doch die Person ließ mich nicht los. 

,,Evangeline! Du bist in Sicherheit! Wenn du so weiter machst, wird das mit der Rettung schwerer als gedacht!", zischt mir eine Stimme ins Ohr. Edmund. Fast sofort höre ich auf mich zu wehren, doch mein Körper ist immer noch angespannt. Ich wollte ihm nicht schon wieder so nahe sein, obwohl ich ihm unendlich dankbar bin.

Als ich meine Augen wieder öffne, stelle ich fest, dass sie sich fast schon wieder komplett von dem Salzwasser erholt haben, sodass ich meine Umgebung besser erblicken kann. Doch dann stockt mir der Atem. Ein riesiges Schiff liegt im Wasser. Glänzend und Prachtvoll, doch trotzdem irgendwie beängstigend. Keuchend macht sich mein 'Retter' auf sich aufmerksam. Seine dunklen Haare klatschen nass auf seiner Stirn. Seine Augen haften schon am nächsten Seil, um auf das Schiff hoch zu kommen. Mir wird erst bewusst, dass ich gestarrt haben muss, als er mir ein Seil in die Hände drückt. Glücklicherweise ist mir viel zu kalt, dass ich rot werden könnte.

Auf einmal wird am Seil gezogen und Edmund und ich werden nach oben gezogen. An Deck angekommen, sinke ich kraftlos in mich zusammen, da meine Beine unter mir aufgeben. Hier oben war es zwar warm, doch das vermindert nicht im geringsten die Kälte des Meeres. Auf einmal werde ich in eine Umarmung gezogen. Erfreut, dass es Eustachius gut geht, erwidere ich sie. 

Ein junger Mann, vielleicht 20-25 Jahre alt, kommt auf uns zu und drückt uns zwei trockene Handtücher in die Hände. Seine langen braunen Haare fallen ihm an beiden Seiten nass herunter. Seine Haltung war ehrwürdig,  doch sein Blick freundlich. Trotzdem werde ich seine Worte nie vergessen.

,,Willkommen in Narnia! Willkommen auf der Morgenröte!"

Lost Souls/Edmund PevensieDonde viven las historias. Descúbrelo ahora