zu: Dunkelheit 2

6 0 0
                                    

April erwachte ruckartig von einem stechenden Schmerz in der Wange.
Sie riss die Augen auf und starrte geradewegs in ein durchdringendes graues Augenpaar.

Die Augen gehörten zu einem Mann, ungefähr Mitte dreißig, der, anscheinend ohne jegliche Angst, mitten in ihrer Zelle stand.

Er hielt sich sehr gerade und seine purpurne Robe war mit goldenen Trotteln versehen. Auf ihrem Kragen war mit goldenem Faden die verzweigte Flamme aufgestickt. Das Zeichen der Magier. Der Kragen selbst war aus einem dunkelblauen Stoff gefertigt.

Die Farbe des Kragens bezeugte üblicherweise den Rang des Magiers, aber von einem blauen hatte April noch nie gehört. Das war auch nicht verwunderlich.
Im Leben der meisten Stadtbewohner einer Menschenstadt, spielten Magier nur auf größeren Veranstaltungen eine Rolle, und dort waren es oftmals nur Braunkragen, die als Strafe helfen mussten, oder Grünkragen, die sich betranken.

Das Tablett das Lorr liegen gelassen hatte war verschwunden, doch sonst hatte sich die Zelle kein Stück verändert.

„Wie heißt du?“, fragte der Magier mit einer strengen Stimme, die April an den groben Wirt der »goldenen Ente« erinnerte.

„Wird's bald, oder hast du heute noch was besseres zu tun?“ Er schmunzelte böse über seinen eigenen kleinen  Witz, bevor seine Gesichtszüge wieder ausdruckslos wurden.

„April“, antwortete sie auf die Frage ohne sich ablenken zu lassen. „Warum wollen sie das wissen?“, hakte sie nach. Erst hatten sie sie hier unten fast sterben lassen und jetzt erwachte bei ihnen plötzlich Interesse?

„Wir haben beschlossen dich zu verlegen April.“

Sofort fingen viele Alarmglöckchen in ihrem Kopf an zu schrillen. Wo kam das plötzlich her? Hatte sie sich irgendwie falsch verhalten? Wollten sie April entgültig sterben lassen?
Doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, machte der Magier eine undeutliche Bewegung mit der Hand und ihre Fesseln lösten sich abrupt.

Das ließ April aus mehreren Gründen aufschreien. Erstens war sie noch nie Zeuge von direkter Magie gewesen und so war es sehr überraschend gekommen und zweitens schlug sie hart auf den Boden und alle Stellen die verletzt oder verspannt waren, machten sich auf einen Schlag bemerkbar.

Das kümmerte die zwei Wachen die auf einmal die Zelle betraten offensichtlich kein Stück. Sie mussten schon die ganze Zeit davor gestanden haben, doch April bemerkte sie erst, als die beiden sie unter den Armen griffen und hoch hievten.

Sie wurde mehr aus der Zellentür geschleppt als dass sie ging, aber ihre Beine hätten sie sowiso nicht getragen, also war sie dankbar dafür.

Auf halbem Weg zur Tür am Ende des Gefängnisganges veränderte die Wache auf der linken Seite ihren Griff und der verschlimmerte Schmerz sandte April wieder in die erlösende Ohnmacht.

Als sie die Augen wieder öffnete, erblickte sie über sich an der Decke braune, grüne und blaue Muster. Es sah so aus als würden sie ein Bild von einem Wald darstellen, aber es war nichts wirklich zu erkennen.

Nachdem sie das realisiert hatte, sickerte es langsam in ihr Bewusstsein, dass sie sich in einem anscheinend runden Raum befand, bei dem sich offenbar jemand um die Einrichtung gekümmert hatte.

April versuchte sich aufzusetzen, aber aufgrund der Schmerzen schaffte sie es nur sich auf ihre Unterarme zu stützen. Das reichte ihr trotzdem erstmal, weil sie jetzt das ganze Zimmer sehen konnte.

Die Wände waren bis auf zwei kleine  Wandlampen zwar kahl wie in einer Zelle eben üblich, aber davon abgesehen gab es zwei grüne Sessel am Fußende des Bettes, daneben einen hölzernen Schreibtisch mit zugehörigem Stuhl und quasi hinter dem Kopfende des Bettes ein Waschbecken aus geschliffenem Stein und eine Stelle an der man sich erleichtern konnte.
Zwischen Schreibtisch und Abort war die Tür.

April atmete auf. Man hatte wohl nicht beschlossen sie zu töten.
Da sie sonst nichts tun konnte, schaute sie sich die Dinge im Raum nochmal genauer an.
Die Sessel waren aus massivem Holz und bequem gemacht durch Polster mit grünem Samtüberzug. Dafür hätte man auf dem Markt von Tarré, ihrer Heimatstatt, mehr als dreihundert Goldmünzen bekommen und das als Preis für einen!
Ihr Blick wanderte weiter zu dem Schreibtisch. Das Holz war nicht groß bearbeitet, keine Gravuren oder andere Muster außer die des Holzes. Trotzdem stieg sein Wert durch die Schublade unter der Tischplatte. April schätzte ihn auf ungefähr hundertfünfzig Silber, also fünfzehn Gold. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht alle Gegenstände auf ihren Wert zu schätzen, denn es war in ihrem Geschäft sehr wichtig zu wissen, wem man wieviel Geld abnehmen konnte.

April besah sich noch die andere Seite des Raums, aber die Einrichtung war für normale Bauern Standard, also höchstens um die dreißig bis vierzig Silber, wenn sie die Arbeit für das Waschbecken richtig einschätzte.

Nachdem sie sich ausführlich umgesehen hatte, ließ sie sich zurück auf das Kissen fallen. Ihre Schultern taten ihr wieder weh und sie spührte wieder den Hunger an ihr nagen, wenn auch lange nicht so schlimm wie vorher in der anderen Zelle.

Nach einer Weile machte sich die Macht in ihr wieder bemerkbar. Für den Moment hatte April die Umstände die sie hier her gebracht hatten verdrängt, aber jetzt wurde sie wieder auf den Boden der Tatsachen geholt und das nicht gerade sanft.
Die Ohnmacht überkam sie wie jedes Mal.

April erwachte von Schmerzen.
Nachdem sie sich wieder entspannen konnte und ihre Augen auf bekam sah sie, dass sie immer noch in dem Bett lag in dem sie vorhin aufgewacht war.
Die Decke war zurückgeschlagen und sie lag nackt auf dem Laken. Zuvor hatte sie sich so auf die neue Umgebung konzentriert, dass ihr nicht aufgefallen war, ob sie etwas an gehabt hatte.

Neben dem Bett und etwas über sie gebeugt saß eine Frau in grüner Robe und begutachtete Aprils zahlreiche Verletzungen mit einem kritischen Blick. Sie hatte ihre Augenbrauen zusammengezogen und sah aus als ob sie etwas abwesend durch April hindurch sehen würde.

Noch bevor April realisierte, dass sie nack vor einer Fremden lag und ihr Schamgefühl einsetzen konnte, wurde plötzlich die Tür geöffnet. Der Magier der sie aus der anderen Zelle geholt hatte, machte Anstalten das Zimmer zu betreten, aber die Frau erhob sich blitzartig, machte ein paar Schritte auf ihn zu und stach ihm den Zeigefinger in die Brust. Er wahrte zwar die Fassung, doch es war ihm anzusehen, dass er etwas von seiner Sicherheit und Autorität einbüßte.

„Was zum Teufel haben sie sich dabei gedacht sie so zuzurichten?!“, fuhr sie ihn an.

Der Magier warf April einen kurzen Blick zu und wandte sich dann mit fester Stimme an die Frau.
„Wir haben nur das Nötige getan. Weiterer Schaden musste abgewendet werden; und nun bitte ich Sie höflichst ihren Finger aus meinem Schild zu nehmen und zur Seite zu treten.“

„Einen feuchten Eselsdreck werd ich tun! In diesem Zustand kann ihr nicht mehr als gute Behandlung, ordentliche Mahlzeiten und sehr viel Ruhe zugemutet werden. Sie sollten sich schämen ein Mädchen so behandelt zu haben und wenn sie sich nicht um meine Anordnungen kümmern, dann hätten sie mich nicht hinzuziehen sollen. Ich erwarte, dass spätestens in einer halben Stunde eine angemessene Mahlzeit hier ist und dass sich meine Assistentinnen um die äußeren Verletzungen und Prellungen kümmern.
Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Der Magier sah aus als wöllte er die Frau am liebsten zur Seite schieben und seinem Ärger Luft machen, doch er stand nur angespannt da und stierte sie an. Wie sie diesen harten, grauen Augen wiederstehen konnte, war April ein Rätsel.

„Ich werde meinen Leuten Befehl geben Euch nicht zu behindern Madam Laviann, doch Sie müssen sich selbst um alles weitere kümmern.“, sagte er dann, während er sanft aber mit Bestimmtheit ihre Hand nach unten schob.

Madam Laviann schien sich damit zufrieden zu geben. Sie machte eine scheuchende Geste in Richtung des Magiers, woraufhin sich dieser mit mürrischem Gesicht zurückzog und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder April zu.

zerbrochene SchatzkisteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt