Der Anfang

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Es ist wieder Sommer. Mein siebzehnter Sommer in meinem Leben. Ich kann den Sommer nicht so richtig leiden. Warum? Nun, ich schätze, dass mir das ganze Getue um die perfekte Figur tierisch auf die Nerven geht. So sehr, dass ich ebenfalls anfange auf meine Figur zu achten. Als wäre es nur dieser eine Grund und nicht das Mobbing in der Grundschule, das mich zu dem Menschen, der ich heute bin machte. Nein.

Ich wende mich von der kühlen Fensterscheibe ab und lasse meinen Blick durch den Raum wandern. Der fiepende Monitor, der genau meinen Herzschlag und meine anderen Werte verfolgte, die Blumen meines jetzt Ex-Freundes. Sie sind verwelkt. Seit zwei Wochen, drei Tagen und - ich sehe auf die Uhr - vier Stunden. Ich habe die Tage gezählt. Ich habe gehofft, er kommt zurück, aber das ist er nicht. Er ist hier hingekommen, das habe ich mir so gewünscht, und hat dann einfach unsere dreijährige Beziehung beendet.

"Du bist krank, Oskar. Ich kann das so nicht mehr. Es tut mir leid. Ich mache Schluss".

Die Worte hallen immer noch in meinem Kopf nach. Ich kann es nicht glauben. Er kann das so nicht mehr?! Aber ich soll das können, ja?

Ich spüre wieder die kalten salzigen Tränen auf meiner Wange. Mit einer schnellen Handbewegung wische ich sie mir weg. Er ist es nicht Wert, dass ich wegen ihm weine. Doch nicht nach zwei Wochen. Außerdem habe ich gesehen, dass er schon wen Neues hat. Wahrscheinlich hatte er schon länger was mit dem neuen Typ und hat sich nicht getraut mir das zu sagen. Ich bin ja nicht erst seit gestern in der Klinik. Ich atme hörbar aus und rutsche dabei von der Fensterbank.

Zu schnell. Schon wieder sehe ich Punkte vor meinen Augen. Das ist nichts Neues. Diese Punkte sind ein Resultat meiner krankhaften Sucht. So nennen es zumindest die Ärzte. Aber ich finde das nicht so. Langsam setze ich einen Fuß vor den Anderen. Ganz langsam und wacklig, denn würde ich schneller gehen, dann würde ich fallen. Ich habe schon genug blaue Flecke und gebrochen habe ich mir auch schon oft genug etwas. Das will ich jetzt gerade zumindest nicht.

Ich drücke die kalte Türklinke vom Badezimmer hinunter. Sie ist kalt, aber vermutlich nicht so kalt wie meine eigenen Hände. Vor dem Spiegel halte ich inne und betrachte mich.

Ich blicke in ein Gesicht mit Hamsterbacken und einer knubbeligen Nase. Ebenso hat dieses Gesicht strubbelige rosa Haare, die in Strähnen hinunterhängen. Ich strecke mich ein bisschen, um den Rest meines Körpers zu begutachten. Mein Bauch weist eine nicht gerade kleine Wölbung auf, von meinen Armen und Oberschenkeln ganz zu schweigen. Sie scheinen nur vor Fettgewebe zu triefen.

Dass die Realität ganz anders aussieht, ist mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst.

In 2 Monaten bist du tot!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt