Das Lächeln eines Kämpfers

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Schick ihn wieder weg. Er will dich nicht. Er lässt dich zurück. Du musst ihn wegschicken! Du brauchst ihn nicht!

Ich schweige.

Ich schweige auch, als ich sein Gewicht auf der Matratze neben mir spüre.

Schick ihn weg!

Meine kleine Stimme in meinem Kopf schreit vor Zorn. Sie will ihn nicht hier haben. Sie will ihn nicht sehen. Sie hasst ihn. Aber ich könnte ihn niemals hassen. Ich wende meinen Blick zu ihm. Er sieht besser aus. Er wirkt immer noch müde und erschöpft und seine Haut hatte immer noch einen gräulichen Stich, aber er sah besser aus. Eine Weile schwieg er bis er sich einfach mir gegenüber hinlegt und mich ansieht. Sanft streicht er mir mit der Hand über die Wange und ich sehe das kleine Lächeln in seinen Mundwinkeln, das sogar seine Augen erreicht. Ich kann nicht anders als sein Lächeln zu erwidern. „Ein Lächeln steht dir viel besser", haucht er warm und löst dabei eine kleine Hitzewelle auf meinen Wangen aus. Ich weiche seinem Blick aus. Das macht er doch extra. „Sag das nicht", murmle ich nur als Antwort. „Warum nicht?" will er wissen und sein Lächeln wird breiter. „Ich kann die Wahrheit doch nicht einfach so verleugnen", protestiert er. „Kannst du wohl", erwidere ich und rolle mich auf den Rücken. Die Decke ist weiß. Das stelle ich bestimmt zum einhundertsten Mal in dieser Woche fest.

Seine Wollmütze versperrt mir die Sicht und somit die weitere Begutachtung der Deckenfarbe. „Kann ich das?". Er hat sich halb über mich gebeugt und lächelt mich schief an. Verunsichert blicke ich ihn an. „Du bist schon niedlich, wenn du mich so verunsichert anstarrst, Oskar", bringt er dann nach einer Weile hervor. Mit Sicherheit knallrot im Gesicht wende ich meinen Blick von ihm ab. Nur um gleich darauf seine Hand an meiner Wange zu spüren. „Entschuldige", haucht er. „Schon okay", bringe ich stammelnd hervor. „Kommst du mit?" fragte er sanft, während er mir mit dem Daumen über die Wange streichelt. „Wohin?" antworte ich leise und sehe ihn mit großen Augen an. Ich will diesen Moment nicht unterbrechen. Ich will, dass er mich weiter so anschaut. Ich will weiter neben ihm liegen und seiner Stimme zuhören. Sein Lächeln sehen. „Ich will dir was zeigen", erklärt er nach einer kurzen Pause. „Na gut", stimme ich zu. Ich bin einfach zu neugierig. „Na, dann komm", haucht er und seine warme, sanfte Hand verschwindet von meiner Wange und ich spüre, wie sie wieder kühl wird. Sie soll dableiben!

Der Fußboden ist eisigkalt. Das spüre ich sogar durch meine dicken, flauschigen Wintersocken, dabei ist es erst Anfang Herbst. Er ist schon an der Tür und lächelt mich aufmunternd an. Schnell drücke ich mich von der Matratze ab. Zu schnell tausend bunte Punkte tanzen vor meinem Auge und versperren mir die freie Sicht. Die Welt dreht sich und ich bereite mich auf einen schmerzhaften Aufprall vor. Doch er kommt nicht. Ich blinzle und blicke in zwei graublaue Augen. In seine Augen. „Du musst vorsichtiger sein", höre ich ihn sagen. „Schaffst du es?" fragt er mich weiter, als ich keine Antwort gebe. Langsam schüttle ich den Kopf. Meine Beine kribbelten kalt und mir wird klar, dass ich so nicht mehr laufen können würde.

Er duftet nach Minze und irgendeinem bekannten Aftershave. Das ist mir nie aufgefallen. Doch jetzt wo ich mein Kinn auf seine Schulter gelegt habe und die Arme um seinen Hals und er mich auf seinem Rücken durch den Korridor des Krankenhauses trägt, wundert es mich, dass es mir noch nie aufgefallen ist. Er riecht wirklich gut. Ich schließe meine Augen lehne mich entspannt an ihn. Ich könnte ihm ewig so nah sein und seinen unverkennbaren Duft einatmen.

„Wo gehen wir denn hin?" will ich neugierig von ihm wissen. Doch er antwortet nicht. Das muss er gar nicht, denn als wir um die nächste Ecke biege kann ich sehen wohin er mich trägt. Die große Glasfront mit dem milchigem breiten Glasstreifen, der die Patienten abschirmen soll, des Essbereichs ist kaum zu übersehen und nichts in dieser Klinik ist mir so vertraut, wie dieser Ort. Geschickt öffnet er die Tür zum Saal. Sie fällt dumpf hinter uns ins Schloss. Mit einer Leichtigkeit trägt er mich zur Ausgabe. „Was haben wir denn heute Feines für den Herren auf meinem Rücken?" sagt er scherzend zur Schwester an der Ausgabe, die ihm tatsächlich lächelnd antwortet. Mindestens ebenso geschickt, wie er einhändig die Tür geöffnet hat, balanciert er jetzt das Tablett auf einer Hand und läuft zu einem Tisch, den er als unseren auserkoren hat.

„Warum tust du das?" frage ich, als er mich abgesetzt hat und ich mich auf den Platz ihm gegenüber hab fallen lassen. „Einfach so". Er ist ein schlechter Lügner. „Du musst was zu dir nehmen", gibt er dann doch zu, als ich ihn mit hochgezogener Augenbraue ansehe. „Du kannst nicht mehr mal aufrecht gehen", fügt er etwas leiser hinzu. Ich blicke auf meinen Teller hinunter. 

In 2 Monaten bist du tot!Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang