10.

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Ich lag die halbe Nacht wach, was mir in der Uni nicht wirklich half. Ich konnte mich kaum auf den Professor konzentrieren und war mit den Gedanken ganz woanders.

„Mensch, was ist denn mit dir heute los?", Julie starrte mich besorgt an, während ich mir die Augen rieb und zu ihr rübersah.

„Ach, nichts besonderes.", erwiderte ich. „Hab nur wenig geschlafen."

„Jajaja.", fügte Nick hinzu. „Das glaubst du doch selbst nicht."

„Worum geht's denn?", fragte Julie und wandte ihren Blick von mir rüber zu Nick, der irgendwas in seinen Block kritzelte.

„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es was mit 'nem Fußballer zutun hat.", zuckte er mit den Schultern und ich seufzte nur laut.

„Ach, ich weiß doch auch nicht.", platzte es aus mir heraus. „Wir waren meine halbe Schulzeit über zusammen, jetzt hat er eine Freundin, die er anscheinend betrogen hat und sie deswegen irgendwelche Vertrauensprobleme hat und das kam gestern alles aus ihm herausgeplatzt."

„Woah.", meinte Julie. „Das ist nicht einfach."

„Naja, ansichtssache.", erwiderte Nick. „Kontakt abbrechen, fertig. So einfach kann man's machen."

„Lustig.", entgegnete Lisa ihm und rollte mit den Augen. „Weiß nicht ob du das jemals hattest, aber wenn man jemanden mag, ist es nicht so einfach."

„Und genau dafür gibt es die Funtion ‚Nummer löschen'.", grinste Nick und Lisa seufzte nur, während ich mich in meinen Stuhl lehnte.

„Was hat er denn genau gesagt?", flüsterte Lisa, als sie bemerkte, dass der Professor uns skeptisch ansah.

„Ach sowas von wegen, dass es ihm leid tut und das es schon von Anfang an beschissen mit seiner Freundin lief und sie ihn wohl dauernd bemängelt hat, worauf er sich dann deprimiert betrunken hat und naja.", zuckte ich mit den Schultern und stützte meinen Kopf mit meinem Arm auf dem Tisch. „Ich weiß nicht, ob ich das als einen Grund dafür ansehen kann, oder ob es trotzdem komplett daneben war. Natürlich war es das, aber ich weiß nicht, ob es vielleicht einfach aus Verzweiflung oder sowas war."

„Selbst wenn es aus Verzweiflung war, er hat sie betrogen.", zwinkerte sie mir zu. „Aber das musst du mit dir selbst ausmachen. Ich an deiner Stelle würde nochmal versuchen mit ihm zu reden."

„Das sollte nicht allzu schwer sein.", antwortete ich und wir wurden beide still, als der Professor kurz auf uns zeigte, doch wir einfach so taten, als würden wir Notizen austauschen.

Als ich in meiner Wohnung ankam, machte ich mir erst etwas zu essen und setzte mich dann an meinen Unikram, bevor ich mich auf die Terasse setzte um über alles nachzudenken. Ich wusste nicht genau wieso, aber ich habe bestimmt zwei Stunden damit verbracht, mir all die alten Bildern auf meinem Handy anzusehen, die ich nie löschen wollte. Es war zwar die ganze Zeit irgendwie da, aber in dem Moment kamen die ganzen Gefühle wieder in mir hoch, obwohl er mir gestern alles erzählt hatte.

Irgendwann schlief ich in der Sonne ein, doch wachte gegen Abend wieder auf, als ich ein Klingeln an der Tür hörte. Ich rieb mir die Augen und stand langsam auf, ging am Spiegel vorbei und bemerkte, wie ich überall rot war. Typisch. Ich seufzte und öffnete ohne Erwartungen die Tür.

„Hey."

Leon stand murmelnd vor mir und er sah nicht wirklich so aus als hätte er mehr als ich geschlafen. Er war noch in der roten Sportkleidung, also war er wohl gerade vom Training gekommen. Ich zögerte kurz, ob ich einfach die Tür wieder schließen sollte, aber das hab ich im Endeffekt nicht übers Herz gebracht.

„Kann ich reinkommen?", fragte er und ich nickte nur. Ich meine, ich wollte es auch klären, irgendwie. Obwohl es zwischen mir und ihm ja nicht viel zu klären gab.

Er setzte sich gegenüber von mir auf einen der Campingstühle und ich setzte mich im Schneidersitz auf die Couch. Ich starrte zu ihm rüber und wartete darauf, was er mir zu erzählen hatte.

„Hast du irgendwie Sonnenbrand?", schmunzelte er kurz, doch sobald er bemerkte, dass ich gerade nciht so für Scherze zu haben war, wurde er wieder ernst. „Ich hab mit Marie geredet. Was heißt geredet... Naja, jedenfalls sind wir kein Paar mehr. Das war eh keine Beziehung mehr."

„Und was soll ich dazu sagen?", zuckte ich mit den Schultern und lehnte mich ein bisschen weiter nach vorne.

„Ich wollt's dir nur sagen.", erwiderte er. „Hör zu, ich weiß nicht wie es bei dir ist, aber ich hab gar kein Interesse mehr daran mich mit Marie zu vertragen. Ich weiß jetzt was ich will un Marie ist es nicht."

Als er das sagte musste ich mich kurz selbst zusammenreißen. Ich schloss kurz meine Augen und dachte nach, bis es einfach aus mir herausplatzte.

„Leon, es ist mir egal."

„Was ist dir egal?", ein Bisschen Enttäuschung zeigte sich in seinem Gesicht, doch er hatte mich einfach nur falsch verstanden.

„Es ist mir egal, was mit Marie war.", sagte ich, nachdem ich einmal tief durchgeatmet hatte. „Es ist mir egal, wie eure Beziehung war, oder wie sie gescheitert ist. Wirklich. Solange du mir die Wahrheit sagst."

„Ich hab dir alles erzählt, was es zu erzählen gibt.", entgegnete er und die Enttäuschung wechselte zu Erleichterung.

Nachdem ich kurz zögerte, klopfte ich auf den Platz neben mir und lächelte kurz, bevor er aufstand und sich neben mich setzte, trotzdem etwas distanziert.

„Wie war das Training?", ich musterte ihn kurz, als er einen großen Seufzer rausließ.

„Naja, ich war mit den Gedanken ganz woanders und so ist es dann eben auch gelaufen.", antwortete er, während ich etwas an ihn heranrückte. „Aber bei dir sieht's ja auch nicht gerade gut aus."

„Oh danke.", lachte ich sarkastisch. „Ich bin in der Sonne eingeschlafen."

„Farbe hast du ja jetzt.", erwiderte er und ich rollte nur mit den Augen. Sein Blick schweifte kurz durch den Raum, bevor er wieder bei mir stoppte. „Wann kommen deine Stühle eigentlich?"

„Keine Ahnung. Ich muss sowieso nochmal Möbel kaufen, mein Schrank ist mir zusammengebrochen.", antwortete ich und Leon schmunzelte nur.

„Hättest mir ja Bescheid sagen können.", antwortete er und ich zuckte mit den Schultern. „Wie war's in der Uni?"

„Lief genauso beschissen wie dein Training.", schmunzelte ich und er sah mich nur von der Seite an, bevor ein kleines Grinsen auf seinem Gesicht erschien.

„Worüber hast du denn nachgedacht?"

„Lustig.", rollte ich mit den Augen. „Ich glaube das weißt du genau."

SOMEBODY ELSE - LEON GORETZKAWhere stories live. Discover now