Kapitel 8

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Am nächsten Morgen entschied Jinx, dass Jake bereit war, herumgeführt zu werden, was Daisy mit einem Jubelsprung quittierte. Kaum, dass er stand, packte sie Jakes Arm und zog ihn mit sich aus dem Gebäude.

„Das ist das Haupthaus", begann sie ihre Führung und zeigte auf ein großes Reetdachhaus. Jake konnte die Breite schlecht abschätzen, aber es war breit genug, um drei Stockwerke zu haben, obwohl die Dachschräge bereits am Boden des zweiten Stockwerkes begann. Die südliche Dachseite war komplett mit Solarzellen überbaut. „Hier sind Küche, Essensraum und die persönlichen Zimmer. Anfangs werden wir beide uns ein Zimmer teilen, aber die Zimmeraufteilung ändert sich ständig, je nachdem, wer gerade auf wen gut oder eher weniger gut zu sprechen ist."

„Klingt sinnvoll", meinte Jake. Er hatte immer noch gemischte Gefühle darüber, dass seine Schwester jetzt plötzlich ständig besser informiert war als er. Auf der einen Seite wollte er stolz auf sie sein und sich darüber freuen, dass sie nach und nach selbstständiger wurde, auf der anderen hatte er Angst, dass die Menschen, die sie sich dabei aussuchte, kein guter Einfluss auf sie waren...

Dais zeigte noch kurz nach rechts: „Das Krankenhaus kennst du ja schon zur Genüge." Dann zog sie ihn weiter, hinter das Haupthaus. „Hier sind die Gewächshäuser. Es gibt drei Stück, dazu noch einige Beete und dort drüben einige Obstbäume. Dank des Klimawandels lassen sich auch so weit im Norden ziemlich gute Erträge erzielen. Angebaut wird das ganze Programm: Tomaten, Kürbisse, Gurken, Auberginen, diverse Kräuter... Rechts davon, also nördlich vom Krankenhaus, ist noch ein Stall und eine Mini-Kläranlage. Wir sind sehr auf das Grundwasser angewiesen, also achten wir auch darauf, es sauber zu halten. Ich würde da aber nicht hingehen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, denn... naja, es stinkt halt."

Jetzt sprach sie auch noch ganz selbstverständlich von einem „wir", welches Jinx, Laura, Dean und die anderen einschloss! Daisy schien diesen Menschen wirklich zu vertrauen... Jake gefiel das ganz und gar nicht. Sie wandte sich ab und führte ihn einige Meter Richtung Süden. „Das ist unsere Lagerfeuerstelle. Während der warmen Monate wird hier etwa einmal alle zwei Wochen Lagerfeuer gemacht. Mit Stockbrot!", strahlte sie. Jake wollte sich nicht von ihrer Begeisterung mitreißen lassen und antwortete nur mit einem Grummeln.

Daisy drehte sich nach links und erklärte im Gehen: „Zu unserer Rechten ist das Musikhaus. Es ist wohl gut, dass es etwas weiter weg ist, denn außer Dean kann niemand wirklich gut musizieren, zumindest behauptet er das selbst. Er gibt mehrmals pro Woche Unterricht, an dem alle, die Lust haben, teilnehmen können."

Nun zeigte Jake doch zumindest etwas Interesse. „Welche Instrumente gibt es denn da?"

„Eine ganze Menge!", rief Daisy, sichtlich froh, ihrem Bruder die Vorzüge ihres neuen Wohnorts anpreisen zu können. „Es gibt mehrere Gitarren, ein Keyboard, diverse Blasinstrumente und sogar ein Schlagzeug", zählte Daisy auf. „Das meiste davon ist gebraucht und kurz davor auseinanderzufallen, aber Dean versucht auch bei jeder Versorgungsfahrt, etwas Neues mitzubringen."

„Hmhm", machte Jake. „Klingt nett."

Eifrig erzählte Daisy weiter. „Links von uns ist die Werkstatt. Dort gibt es auch jede Menge von Elektronik-Kleinteilen, mit denen sich Geräte reparieren lassen. Wenn wir noch ein paar Schritte weitergehen... in etwa jetzt, siehst du auch den Kinosaal."

Schräg hinter der Werkstatt kam ein weiteres Gebäude in Sicht. Es stand senkrecht versetzt zur Werkstatt, so dass vor allem die Kopfseite zu sehen war.

„Bei dem Gebäude gab es einige Uneinigkeit, ob es Tanzsaal oder Kinosaal heißen sollte – genutzt wird es zu beiden Zwecken – aber es wurde demokratisch entschieden, dass es Kinosaal heißen soll, was ich nur unterstützen kann", erklärte sie grinsend.

„Das war es dann eigentlich auch schon. Dort hinten sind noch einige kleinere Häuser, die hauptsächlich als Lager oder Rückzugsräume genutzt werden. Dort kann man auch übernachten, wenn es einem im Haupthaus zu voll oder zu laut ist. Einige sind auch noch unbenutzt, also können wir uns bestimmt auch eins zu unserem eigenen kleinen Reich machen", schlug sie vor.

Als Jake nicht antwortete, fügte sie hinzu: „In diesen Häusern bewahren einige allerdings ihre persönlichen Schätze auf." Sie legte ihre Handflächen vor der Brust zusammen. „Ich bitte dich inständig darum, ein bisschen Respekt vor der Privatsphäre anderer Menschen zu haben und nicht herumzuschnüffeln. Ich weiß, dass du misstrauisch bist, aber ich habe keine Lust, wegen dir hier rausgeworfen zu werden."

Jake setzte sich auf die Reste einer eingestürzten Wand, seufzte tief und lächelte ergeben. „Na gut. Ich werde versuchen, dir – und irgendwann auch den anderen – zu vertrauen."

Hamburg 2103Where stories live. Discover now