Kapitel 1

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"Ich bin Lou." "Hi Lou." schalte es mir im Chor entgegen. "Ich bin 17 und vor einem Jahr wurde meine Mutter ermordet." Wie immer blieb es nach diesem Satz eine Weile ruhig. Obwohl dies eine Trauerberatung ist, finden es viele besonders schlimm, wenn ein Kind ein Elternteil verliert. Doch für viele von Ihnen ist diese Geschichte nicht neu, sie haben sie bereits bei den anderen Treffen gehört. Eine Frau im blauen Top in der ersten Reihe, unsere Gruppenleiterin Emily, fing an zu sprechen: "Nun Lou, möchtest du uns erzählen wie du damit klar kommst?" Ich nickte. "Meine Mutter wurde damals bei einem Banküberfall ermordet." Obwohl ich das schon oft gesagt habe, brach an dieser Stelle meine Stimme. Ich räusperte mich und fuhr fort: "Ich vermisse sie, sehr sogar. Meine ganze Famile tut das. Und...manchmal weiß ich nicht, ob ich die Kraft habe weiter zu machen. Aber ich weiß das meine Mutter nicht gewollt hätte, dass ich oder mein Vater daran zerbrechen. ...Deswegen kämpfe ich weiter, um meinem Dad zu helfen." Es blieb Still. Alle erwarteten, dass ich noch mehr sage. Ich könnte noch so viel mehr sagen, ich könnte sagen, dass mein Vater angefangen hat zu trinken. Das ich jede Nacht schreient in meinem Bett aufwache, weil ich sehe, wie meine Mutter erschossen wird. Das ich mich ritze um all das besser zu ertragen, um es zu ertragen. Aber warum sollte ich den Leuten sagen? Ich hab mich schon vor dem Tod meiner Mutter geritzt, und ich hab es niemanden erzählt. Es hat ja auch keinen Interessiert. Also warum sollte ich es jetzt jemanden erzählen? Es gibt Dinge, die gehen eben niemanden etwas an. Ich spürte ihre Blicke auf mir, wie sie versuchten zu verstehen, was in mir vorgeht. Wie immer versuchten sie es vergebens. Ich ging von der Bühne und setzt mich auf meinen Platz in der letzten Reihe. Ein Mann im grauen T-Shirt ging nach vorne und erzählte von seiner toten Frau. Er war neu hier.

Die restlichen Stunden blendete ich alles um mich herum aus. Es ist Teil der Trauerbewältigung sich die Sorgen und den Kummer der anderen anzuhören und ihnen zu zeigen, dass man mit ihnen leidet. Ich finde das Schwachsin. Generell finde ich diese anonymen Trauerberatungen dämlich, aber ich musste nun mal das daran teilnehmen. Mein Vater hat daruf bestanden, weil ich mich weigerte zu einem Psychater zu gehen. Es war wahrscheinlich die einzige Entscheidung die mein Vater getroffen hatte, die etwas mit mir zu tun hatte nachdem Tod meiner Mutter.

Als endlich alles vorbei war, versuchte ich so schnell wie möglich raus zu gehen, doch Emily hielt mich auf: " Hey Lou, warte mal bitte kurz." Wiederwillig drehte ich mich um und schaute sie an. "Wie geht es deinem Vater?" "Mhm, ganz ok." Nuschelte ich und schaute dabei auf Emilys blaue Fingernägel. Früher hatte ich auch sowas getragen, aber seit dem Tod von meiner Mutter trug ich nur noch schwarz. Auch meine blonden Haare hab ich schwarz gefärbt und mir wieder lang wachsen lassen. Inzwischen gigen sie mir bis zur Brust. "Ich hab ihn lange nicht mehr gesehen. Geht er wieder zur Arbeit?" Ich wusste das Emily das nicht aus Neugierde fragte, sondern weil sie meinen Vater kannte und mochte. Ich nickte, vermied es aber sie anzuschauen. Mein Vater ging nicht wieder zur Arbeit. Seit einem halben Jahr herrschte bei uns zu Hause Chaos: Kein Essen da, nur Alkohol, nur Streit. Ich hatte inzwischen ohne es zu wollen Untergewicht. Aber ich sagte niemanden etwas, da sich nicht wollte, dass keiner zu uns kommen sollte. "Das ist schön. Ich bin sicher, dass es ihm gut tut sich abzulenken." sagte Emily mit einem lächeln. Ich nickte nur. Was soll ich dazu auch sagen? Ich drehte mich um und ging aus dem Gebäude. Es war 22 Uhr und stockfinster. Es war schon den ganzen Tag bewölkt, wodurch man keine Sterne sehen konnte. Als ich an die Sterne dachte, kam mir eine Erinnerung hoch, inder mir meine Mutter den großen und kleinen Wagen am Himmel zeigte. Bei diesem Gedanken kamen mir schon wieder die Tränen. Ich atmete tief durch, machte mir meine schwarze Jacke zu, setzt die Kapuze auf. Ich musste ca. 20 Minuten laufen. Ich wusste, dass wenn mein Leben nicht zerstört geworden wäre, meine Eltern sich Sorgen gemacht hätten, wenn ich um diese Uhrzeit noch alleine draußen laufe. Doch jetzt ist es meinem Vater egal.Er würde es eh nicht mitbekommen, wenn ich später kommen würde, hauptsache ich bringe immer das Bier ins Haus. Mir ist es inzwischen auch eagl, wenn mir etwas passieren würde. Selbst wenn mir was passieren sollte, schlimmer als es mir jetzt geht, kann es nicht mehr kommen. Ich bog rechts ab, und nahm die Abkürzung durch den Park. Es war die einzige Grünfläche in dem Stadtteil von Dortmund, indem ich wohnte. Auch hier kamen wieder Erinnerungen an eine glückliche Kindheit hoch, doch ich unterdrückte sie. Ich nahm mein alten I Pot raus, steckte mir die Kopfhörer rein und stellte auf volle Lautstärke. Caspers Lied „Rasierklingenliebe" dröhnte in meinen Ohren. Ich hab so was schon früher gehört, doch jetzt hörte ich nur noch solche Musik. Sie verhinderte, dass meine Gedanken in die falsche Richtung liefen. Doch sie liebt die Klinge, liegt in der Klinge.Keiner würde sie je verstehen, ihre Liebe zur Klinge. Sie ging ein Schnitt weiter, ein Schritt weiter. Der beste Freund liegt ein Griff weiter. Ich hatte das Gefühl, dass Casper aus meiner Seele heraus singt. Wie oft dachte ich schon daran, mein Leben einfach zu beenden. Aber irgendwas hielt mich immer davon ab. Plötzlich spürte ich zwei Hände auf meinem Rücken, die mich hart zu Boden stießen. Ich konnte mich gerade noch abstützen, bevor ich mit dem Gesicht auf dem Boden landete. Ich drehte mich um und sah hoch. Über mir stand ein Mann, ca. 20 Jahre alt, er schaute mich lüstern an. Ich fing an Panik zu kriegen und versuchte aufzustehen, doch der Mann drückte mich wieder runter auf den Boden. Adrenalin schoss in mein Blut, ein Gefühl das ich seid einem Jahr nicht mehr gespürt habe. Der fremde setzte sich auf mich, sodass er mit seinem Körpergewicht meine Beine zu Boden drückte. Ich versuchte ihm das Gesicht zu zerkratzen, doch er schlug mich einmal und drückte dann meine Arme zu Boden. Er kam mit seinem Kopf zu meinem Gesicht, durch den Sturz mussten meine Kopfhörer raus gefallen sein, denn ich konnte seinen Atem hören. Er beugte sich zu meinem Ohr und flüsterte pervers: „Du bist jetzt ganz ruhig, dann können wir beide unseren Spaß haben. Wenn du aber schreist, wird das schmerzhaft für dich." Um seine Worte zu unterstreichen, glitt er mit seiner Hand über mein Gesicht, bis zu meinem Hals. Als er dort ankam, drückte er einmal kurz, aber kräftig zu, sodass ich würden musste. Ich spürte Angst in mir, welche ich zuletzt vor einem Jahr gespürt habe. Ich starrte ihn an, doch ich sah ihn nicht. Als er anfing mich zu küssen und meine Brust zu massieren schloss ich meine Augen und versuchte nichts mehr zu spüren. Tränen flossen mir aus den Augen. Plötzlich hörte ich jemanden rufen.

So, das war mein erstes Kapitel. Keine Sorge, Mats wird bald auftauchen ;)

Kannst du mich retten?  (Mats Hummels ff)- Abgeschlossen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt