Kapitel 33

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Seid ihr schon mal im Dunkeln alleine und nur mit einer einzigen winzigen Lichtquelle durch einen bestimmt von Ratten verseuchten Tunnel gelaufen?
Nein?
Ich bisher auch nicht. Es stand auch nicht sonderlich weit oben auf meiner To- Do- Liste. Eigentlich stand es eher ganz weit oben auf der NOT- To- Do- Liste.
Wieso zur Hölle liefen die Rumtreiber freiwillig durch diesen Tunnel?
Musste man diese Jungs verstehen? Gab es vielleicht irgendwo eine Gebrauchsanweisung für ihre abgrundtiefe Dummheit?
Jungs sagten immer, Mädchen seien kompliziert, dabei waren sie einfach zu dämlich, uns zu kapieren. Um Mädchenlogik zu verstehen musste man einfach ein paar Grundregeln kennen, das war's dann auch.
Bei der Rumtreiber–Logik war jegliches Hoffen auf einen Funken Verstand vergeblich.
Gut, wahrscheinlich übertrieb ich gerade ein wenig. Immerhin lief ich gerade zitternd durch einen instabilen Tunnel.
Warum war ich nicht einfach im Bett geblieben und hatte auf alles gepfiffen?
Lily Evans, du bist genauso dumm wie James Potters Ego groß ist.
Okay, soo dumm dann auch wieder nicht. Das wäre wirklich eine schwerwiegende Beleidigung.
Wann war denn dieser blöde Tunnel jetzt zu Ende? Und warum neigte ich dazu, immer unsachlich zu werden, wenn mich etwas nervte?
Manchmal war ich wirklich froh, dass hier niemand Legilimentik beherrschte.
Ich strich mit meinen Fingern während des Laufens an den Höhlenwänden entlang, denn falls es eine Einkerbung oder gar ein Loch in der Wand gab, das hier herausführte, wollte ich es auf keinen Fall verpassen.
Der Weg zur Heulenden Hütte hatte mir auf der Karte gar nicht so weit erschienen.
Die Karte. Meine Güte, wo waren denn meine Gehirnzellen geblieben?
Ich konnte doch einfach auf der Karte nachschauen, wie weit es noch war!
„Evans", knurrte ich und schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Vielleicht würde dies mein müdes Gehirn ja mal in Gang bringen.
Mit zitternden Fingern – es war arschkalt hier drinnen- öffnete ich das Pergamentstück und suchte nach meinem Namen. Erfreut stellte ich fest, dass es nicht mehr weit war, und dass Remus' Name gar nicht mehr weit entfernt war.
Am liebsten wäre es mir, ich würde allein auf ihn treffen, denn vor allem James wäre wohl nicht sonderlich begeistert davon, dass ich ihm hinterherschnüffelte. Remus war einfach von allen vier Jungs der Verständnisvollste.
Ich beschleunigte meine Schritte, bis ich fast durch den Gang rannte. Ausnahmsweise war ich froh, dass ich so klein war, denn so musste ich mich nicht ducken. Ein Sirius Black hätte sich beim Rennen sicherlich den Kopf angehauen.
Es hatte eben alles seine Vor- und Nachteile.
Endlich! Ich hatte das Ende des Tunnels erreicht. Vorsichtig spähte ich nach draußen. Ich hatte die Heulende Hütte nur selten gesehen, und wenn, dann natürlich nur von draußen. Von drinnen war sie genauso heruntergekommen und abschreckend wie von draußen: die wenigen Möbelstücke, die es hier gab, waren quer durch den niedrigen Raum verstreut, einige umgefallen. Im schwachen Mondlicht glaubte ich Kratzspuren an einigen zu sehen und einem Stuhl in der Ecke fehlte ein Bein.
Was für ein kläglicher Anblick.
Die Hütte hatte allen Grund zum Heulen.
Als hätte sie meine Gedanken gehört, erschall nun ein ohrenbetäubendes Geräusch: ein lang gezogenes, schmerzerfülltes Kreischen, ein unmenschlicher Laut, aber auch nicht der eines Tieres.
Instinktiv stolperte ich vom Anblick der Hütte zurück und verbarg mich keuchend im Schatten des Gangs.
Was war das gewesen? In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so etwas Schreckliches gehört. Sogar Petunias Gesang unter Dusche war nichts dagegen.
Mit bebenden Herzen lugte ich nochmal um die Ecke. Wieder erklang der schreckliche Laut, wie ein kreischender Feueralarm und voller Melancholie, nur diesmal viel näher.
Ich spürte, wie mein ganzer Körper erstarrte, als der Ton ganz plötzlich abbrach und ein Schatten in den Raum fiel, den ich sehen konnte.
Ich presste mich ganz fest an die Wand, nur mein Kopf blieb vorne, damit ich mit bebendem Herzen das Geschehen verfolgen konnte.
Der dunkle Schatten, etwa in Hundeform, aber viel größer und dürrer, bewegte sich langsam durch den Raum, begleitet von einem knurrenden Geräusch.
Ich glaubte das Tapsen von Pfoten zu hören und bei jedem Schritt, den die Gestalt machte, stellten sich mehr Härchen auf meinen Unterarmen auf.
Was war das?
Stille. Die Gestalt war stehengeblieben. Ich hielt den Atem an und zog langsam meinen Kopf zurück.
Bitte, bitte, bitte, was auch immer du bist, entdeck mich nicht.
Ein tiefes, grollendes Knurren.
Stille.
Und dann, ganz plötzlich, fing das Wesen wieder an zu heulen, lang und schrecklich und voller Schmerz und Sehnsucht.
Ich konnte ein kurzes Schluchzen nicht unterdrücken.
Dieses Geräusch war so unfassbar traurig. Auch angsteinflößend und unheimlich, doch in erster Linie rief es tiefes Mitleid in mir hervor.
Das Heulen brach wieder ab. Der Schatten der Gestalt, die ich immer noch nicht sehen konnte, bewegte sich erneut, allerdings drehte es nur den Kopf und schaute in die Richtung, aus der es gekommen war.
Ich sah einen zweiten Schatten hinzukommen, noch größer als der erste, und mit einem prächtigen Schmuck auf dem Kopf, wie die Zweige eines Baumes.
Ein Hirsch, dachte ich.
Die andere Gestalt begann wieder zu knurren, doch diesmal lenkte mich ein neues Geräusch ab: ein leises Tippeln. Ich sah nach unten und musste stark an mir halten, um nicht laut aufzuschreien: Keinen halben Meter von mir entfernt huschte eine dicke Ratte an mir vorbei und verschwand im Dunkeln des Tunnels.
Oh, bei Merlin, bald würde mein Herz hier nicht mehr mitmachen.
Ich atmete einmal tief durch, dann drehte ich mich wieder den Geschehnissen in der Hütte zu.
Inzwischen konnte ich die Gestalten sehen, eine dritte war noch hinzugekommen.
Meine Augen wurden kugelrund.
Da war ein Hirsch, anmutig und in stolzer, wenn auch angespannter Haltung, und ein großer schwarzer Hund. Doch das, was mir wirklich Angst machte und mir die Haare zu Berge stehen und meine Handflächen schwitzen ließ, war der riesige, dürre Werwolf, den die beiden umkreisten.
Ein Werwolf.
Natürlich, ich hätte es mir gleich denken können. Welches Wesen würde sonst solche Laute von sich geben? Und wir hatten Vollmond.
Ich erlaubte mir kurz, mich von dem Schrecken zu erholen, da brach schon der nächste über mich herein: Die Jungs!
Wussten die vier von diesem gefährlichen Wesen, das hier hauste? Ich musste sie unbedingt finden und warnen!
Mir wurde im nächsten Moment klar, das ich gerade wohl eher in Gefahr schwebte. Wo die Rumtreiber waren, wusste ich nicht, doch ich war hier und im Zimmer direkt neben mir stand ein verdammter Werwolf!
„OhmeinGottohmeinGottohmeinGott", murmelte ich leise vor mich hin, unfähig, mich zu bewegen. Also starrte ich nur weiter das Szenario an.


Die Regel - Lily& James Ff ✔️Where stories live. Discover now