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Die Zeit verging wie im Flug und bevor ich mich versah, hatte ich bereits fünf Wochen hier bei Delores verbracht.
Keine Sekunde dachte ich über mein altes Leben in Florida nach und auch meine Abreise schien für mich noch in weiter Ferne. Das einzige, was momentan zählte, war das Hier und Jetzt.
Und Zara.

Auch an diesen Morgen lehnten wir wieder gegen unseren Dachvorsprung und sahen dem Sonnenaufgang zu. Wir schwiegen und als sie mir einen Schokoladenkeks reichte, nahm ich ihn mit einem dankbaren Lächeln entgegen.
Die Sonnenstrahlen erwärmten meine Haut und gedankenverloren drehte ich den Keks in meiner Hand hin und her.

„Zara?", fragte ich schließlich und hob den Blick.
„Hm?" Sie hatte ihre Augen geschlossen und genoss sichtlich die Wärme der jungen Sonne. „Was ist eigentlich der tiefere Sinn dieser Schokoladenkekse?"

Leicht öffnete sie ihre Augen und sah mich prüfend an. Nach einigen Sekunden breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus, bevor sie anfing, leicht zu lachen.
Ihr Lachen hatte mich noch nie kaltgelassen, es war einfach so ansteckend, dass auch ich mich nicht daran hindern konnte, mitzulachen.
Schokoladenkekskrümel ausspuckend lagen wir beide nebeneinander auf dem Dach und versuchten uns wieder zu beruhigen. Es war leichter gedacht als getan, doch als wir uns schließlich wieder zusammengerissen hatten, meinte Zara, immer noch leicht nach Luft schnappend: „Der tiefere Sinn dieser Schokoladenkekse ist, dass sie so unglaublich lecker sind und den Sonnenaufgang verschönern."

Es hätte keinen perfekteren tieferen Sinn für diese Schokoladenkekse geben können und mit einem Grinsen aß ich meinen angeknabberten Keks auf.


Auch der Rest des Tages verlief so wie immer und doch war er wie jeder einzelne Tag zuvor einzigartig.
Zu viert liefen wir zum See, tauchten in die Grotte und ließen uns von ihrer Magie einwickeln.

Amy und Dean alberten miteinander herum und versuchten sich gegenseitig unter Wasser zu drücken. Gerade, als ich mich ihnen anschließen wollte, hielt mich eine zierliche Hand zurück. Es war Zaras und sofort machte mein Herz einen Satz.

„Lass die Beiden für sich", flüsterte sie und ich warf ihr einen Blick über meine Schulter zu.
Leicht runzelte ich die Stirn und wollte gerade nachfragen, was sie damit meinte, als die Stimme von Dean und Amy verstummten.
Mit einem leichten Lächeln nickte Zara in die Richtung der Beiden, sodass ich mich wieder zu den beiden umdrehte.

Und dann verstand ich, was Zara meinte.
In genau diesem Moment strich Dean Amy eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich erkennen, wie Amy errötete und die Luft anhielt. Und dann beugte Dean sich vor.
Es war nur ein kurzer, sanfter Kuss, aber dennoch zeigte er mir, wie viel ich übersehen hatte.
Wie Schuppen fiel es von meinen Augen, denn es hatte die ganze Zeit auf der Hand gelegen, dass die beiden mehr als nur Freundschaft füreinander empfanden.

Als sie sich langsam wieder voneinander lösten, klatschte Zara begeistert in die Hände. „Endlich!", jubelte sie und brachte Amy und Dean somit zum Zusammenzucken. Es schien, als hätten sie für einen kurzen Moment vergessen, dass sie nicht alleine waren.
Mit einem peinlich berührten Lächeln schwammen die beiden auf uns zu.

„Lass das", meinte Amy, nicht jedoch ohne von einem Ohr zum anderen zu Grinsen und zu Dean zu schielen. Sie versuchte Zara davon abzuhalten, weiter zu klatschen, doch diese ließ sich gar nicht aus dem Konzept bringen.

Mit einem Lachen zog ich mich auf den Steinvorsprung hoch und beobachtete belustigt, wie Amy weiterhin verzweifelt versuchte, Zara davon abzubringen, sie weiter aufzuziehen.

Nach dem Mittagessen mit Delores machten wir uns wieder auf den Weg zum See, da wir nicht wussten, was wir sonst machen sollten. „Die nächsten Tage können wir vielleicht auf den Dachboden gehen. Dort oben soll nämlich in den Anfängen des 20. Jahrhunderts das Dienstmädchen umgekommen sein. Vielleicht finden wir auch Teile ihrer Seele", meinte Zara beim Gehen und warf dabei immer wieder den roten Wasserball in die Luft, den sie aus ihrem Zimmer mitgenommen hatte. Geschickt fing sie ihn wieder auf, bevor sie ihn erneut hochwarf.

Das Mädchen aus GlasWhere stories live. Discover now