36.

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Ich stand in der Küche und kümmerte mich gerade um das Abendessen. Im Hintergrund lief ich leise Musik laufen, tippte mit meinem Fuß den Beat mit und summte etwas vor mich hin.
Schließlich hörte ich, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Pi schmiss seine Sporttasche in die Ecke und kam in die Küche. Er war den ganzen Nachmittag im Fitnessstudio gewesen. In der Zwischenzeit habe ich mir mit lesen, aufräumen und jetzt schließlich kochen die Zeit vertrieben.

„Hey.", sagte ich und lächelte. Er kam zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Na du. Das riecht aber lecker."
Ich war gerade fertig geworden und drückte ihm einen Teller in die Hand.
Wir saßen am Tisch und redeten über dies und jenes.
Schließlich sagte er: „Ach übrigens, vorhin ist was komisches passiert?". Ich zog meine Augenbrauen zusammen und warf ihm einen verwunderten Blick zu. „Was denn?"

„Ich hab Noah getroffen."
Dieser eine Satz brachte mich dazu, mich fast an meinem Essen zu verschlucken.
„Was? Wo denn?"
Der Gedanke daran, dass Pi und Noah sich begegnet sind war wie...ich weiß auch nicht, wie ich das Gefühl beschreiben soll...es war auf jeden Fall nicht angenehm.

„Vorhin im Fitnessstudio. Er war da mit nem Kumpel nehme ich an. Ich wollte ihm aus dem Weg gehen, doch er kam dann auf mich zu und war so seltsam freundlich!"

Mein Magen zog sich zusammen. Die Gedanken an meinen Ausrutscher mit Noah kamen mir wieder in den Sinn. Mir war irgendwie gerade richtig schlecht. Und dann machte sich Panik in mir breit. Ich hatte Angst, dass er etwas zu Pi gesagt hat. Ich kannte Noah zu gut und wusste, ihm ist so etwas zuzutrauen, besonders weil er sich damit an mir rächen könnte!

„Hast du...mit ihm gesprochen?", wollte ich wissen. „Er hat gefragt, wie es dir geht. Da sagte ich ihm, dass bei dir alles bestens ist und ich konnte es mir nicht verkneifen ihm unter die Nase zu reiben, dass wir zusammen wohnen.", lachte er.
Unter normalen Umständen hätte ich wohl mitgelacht, aber jetzt gerade war mir überhaupt nicht nach Lachen zumute. Ausgerechnet jetzt musste Pi ihm sagen, dass wir wieder glücklich zusammen waren?

Dann fuhr er fort: „Und bevor er ging sagte er noch, ich solle aufpassen, wo sich meine Lady so rumtreibt..."

Scheiße!

„Aber bei dir muss ich mir da keine Gedanken machen. Denn ich vertraue dir.", sagte er. Ich schenkte ihm ein kurzes, schon fast gequältes, Lächeln und widmete mich wieder meinem Essen. Ich zwang mich noch etwas zu essen, auch wenn mir der Appetit gerade richtig vergangen war.
Mein schlechtes Gewissen war schlimmer denn je. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Sache mit meinem One-Night-Stand mit Noah noch einmal aufgewühlt werden würde, aber ich wurde wohl vom Gegenteil überzeugt.
„Alles okay?", fragte Pi. Ich nickte. „Ja, ich hab nur keinen Hunger mehr.".
Pi hatte inzwischen schon aufgegessen und zog meinen Teller zu sich und verdrückte noch den Rest meines Essens.

Nach dem Essen saßen wir auf der Couch und schauten einen Film. Pi hatte den Arm um mich gelegt und ich hatte mich an ihn gekuschelt.
So sehr ich es auch versuchte, meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Mein schlechtes Gewissen war inzwischen so stark, dass es schon fast physisch wehtat!
Ich wollte es vergessen. Ich hatte es bereits vergessen. Es war ein Fehler, der völlig unbedeutend für mich war.

„Du bist heute so still, geht's dir auch wirklich gut?", ich konnte die Sorge in seiner Stimme hören. Er kannte mich viel zu gut und ich hätte wissen müssen, dass er merkte, das etwas mit mir nicht stimmt.

Ich liebte Pi. Mehr als alles andere.
Und ich finde er hat ein Recht darauf zu erfahren, was ich getan habe. Auch, wenn ich wahnsinnige Angst hatte, was wohl passieren würde.
Doch ich musste es aussprechen. Ich hatte es niemandem erzählt. Weder meinem Bruder, Lilith, Kira oder sonst irgendjemanden!

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt