73|meine Frau. meine Familie. meine Welt.

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Ihre Söhne waren genau wie ihr Mann geworden. Distanziert und weit weg von ihr.

~

Kenan

Ich konnte es nicht glauben. Ich konnte nicht glauben, dass meine Mutter diese Dinge durchgemacht hatte oder überhaupt eine Person war, die durch äußere Einflüsse geprägt werden konnte. Für mich war sie immer die kalte Frau, die sich ein Dreck darum scherte was um sie geschah. Wie es ihren Mitmenschen ging.

„Ich.. Ich dachte wir haben keinen Kontakt zu den Eltern meines Vaters, weil sie andere Pläne für das Unternehmen hatten, als meine.", sprach ich zum ersten Mal seitdem meine Tante gesprochen hatte,„Aber wie es wohl schien war ich das Problem.. Für alle. Auch ihre Familie. Ich habe sie nie gesehen." Seren drückte meine Hand fester und ich sah sie an. In ihren Augen war Mitleid und das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte nicht, dass sie mich bemitleidete. Doch sie hielt die ganze Zeit über meine Hand, blieb hier neben mir sitzen und gab mir das Gefühl nicht alleine zu sein. Und das war ich nicht. Ich hatte sie. Meine Frau. Mein Ein und Alles. Meine eigene Familie. Eine Welt.

„Red keinen Scheiß Kenan.", ermahnte meine Tante mich und nahm den letzten Schluck ihres Wassers,„Es hat wenig mit dir zutun. Sie konnten einfach nicht mehr mit deinem Vater auskommen zumal er so ein Arsch gegenüber deiner Mutter war. Außerdem.. sieh mich mal an. Mit mir reden sie seit fast dreißig Jahren nicht, weil ich mit dem verfluchten Italiener abgehauen bin." Sie zuckte unberührt mit den Schultern. „Sie haben ihre Kinder und Enkel verloren. Das hat nichts mit dir zutun." Ich seufzte und starrte auf die Arbeitsplatte vor mir. Wir saßen schon seit Stunden in der Küche und ich hörte mir die Geschichte meiner Eltern an, meiner Kindheit. Verdammt mein Vater war nicht einmal bei meiner Geburt dabei! Da stieg mir eine Frage auf.

„Du und sie waren richtig gute Freunde oder?", fragte ich und sie nickte bekräftigend,„Wieso seid ihr das jetzt nicht mehr?" Sie zuckte schon zum hundertsten Mal mit den Schultern und malte Kreise auf die Arbeitsplatte.

„Wir waren wie Schwestern. Ich denke Asya weiß es gar nicht, aber sie war die beste Freundin, die ich hatte.", erzählte sie und sah mich wieder an,„Ich schätze sie hatte sich für ihre Lage geschämt und dachte, dass ich wütend auf sie gewesen war, aber das war ich auf keinen Fall. Ich wollte sie unterstützen, aber mit den Jahren distanzierten wir uns immer mehr. Auch als sie das Malen endgültig ließ. Es war wie ein unsichtbares Band, welches uns verband." Ich konnte nicht glauben, dass meine Mutter mal Freude am Leben hatte. So mies es auch klang, es war so. Vor allem, dass sie immer lachen und tanzen sollte klang absurd. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht ausmalen.

„Wieso hat sie denn das Malen gelassen?", fragte Seren nun und strich mit den Daumen über meinen Handrücken. Erst als ich meine Muskeln lockerte fiel mir auf, dass ich angespannt war und sie versuchte mich zu lockern. Sie sah meine Tante an und diese grübelte nach.

„Ich schätze sie hatte ihre Leidenschaft dazu verloren.", vermutete sie, doch schüttelte auch sofort den Kopf,„Nein das kann nicht sein. Sie hatte sich verändert, aber das Malen war alles was sie damals hatte, das würde niemals verschwinden. Sie hatte einfach keine Zeit mehr dafür oder überhaupt die Lust und Kraft." Ich stand auf und ließ dabei Serens Hand los, was ich überhaupt nicht wollte.
Gestresst fuhr ich mir durch die Haare.

„Ich habe ihr Leben ruiniert.", stellte ich fest und schluckte schwer, als ich eine Runde in der Küche machte,„Wäre ich nicht gewesen, wäre meine Mutter niemals diese Frau geworden, die sie heute ist. Sie wäre immer noch glücklich und würde bestimmt mit dir gemeinsam Malen. Sie wäre.. anders. Besser." Ich weigerte mich die beiden anzusehen, denn es war erniedrigend in welcher Lage ich mich befand. Ich war ungewollt und Fehl am Platz. Meine gesamte Familie, bis auf meine Tante, wollte mich niemals haben.

„Sag sowas nicht.", ermahnte Seren mich sanft und stand auf, ging auf mich zu und legte die Hand an meine Wange, dass ich sie ansah,„Du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt. Wärst du nicht hier, dann-.." Ich ließ sie nicht zu Wort kommen.

„Dann was? Es hätte kein Unterschied gemacht bis auf das Leben meiner Mutter, welches dann nicht zerstört wäre.", kam ich ihr zuvor und sie presste die Lippen fest aufeinander. Ich wusste, dass sie mir it helfen wollte, aber das wollte ich gerade nicht. Ich wollte keine Hilfe und auch keinen Mitleid oder Sorge.
Ich schüttelte den Kopf und griff nach meinem Telefon, welches auf der Arbeitsplatte lag und drehte um.

„Kannst du Seren bitte nachhause fahren?", fragte ich meine Tante und ging aus der Küche ohne auf eine Antwort von ihr zu warten. Seren lief mir bis nach draußen hinterher, doch meine Tante hielt sie an der Haustür zurück, dass ich alleine zum Auto ging und einstieg.
Sobald ich den Motor startete sah ich ungewollt aus dem Fenster heraus. Seren stand mit ihr im Scheinwerferlicht des Autos und ich konnte den wehleidigen Blick in ihnen erkennen. So sehr ich sie auch liebte und brauchte, musste ich alleine sein oder zu einer Person, die mich nun am besten verstehen müsste. Die einzige Person auf der gesamten Welt.

Mein Bruder rastete aus. Schrie herum und tobte sich vollkommen aus und ich ließ ihn ruhig machen. Er wiederholte immer und immer wieder wie sehr er unseren Vater hasste und wie erbärmlich diese Familie war. Ich blieb noch bis spät in die Nacht bei ihm und wir sprachen doch schwiegen gleichzeitig.

Als ich nachhause kam brannte kein Licht mehr, was kein Wunder war, denn es war halb eins und Seren musste schon längst schlafen. Ich legte meine Schlüssel auf der Kommode ab und schlenderte die Treppen doch ins Schlafzimmer, fand jedoch niemanden auf. War sie doch nicht zuhause? Wo zur Hölle sollte sie denn sonst sein? Ich kramte mein Telefon heraus und rief sie an. Ein Klingeln ertönte von unten und ich beendete den Anruf.
Achtlos trampelte ich die Treppen wieder herunter und ging ins Wohnzimmer, wo ich sofort anhielt und zum Sofa sah. Seren lag ohne eine Decke auf dem Sofa, die Beine angezogen und ihr Telefon fest an ihre Brust gedrückt, wobei sie kurz das Gesicht verzog, doch weiterschlief.
Ich ging zu ihr hin und nahm sie auf die Arme. Sofort schlang sie die Arme um meinen Hals und drückte mich näher an sich.

„Wo warscht..", nuschelte sie und ich trug sie aus dem Wohnzimmer, wieder die Treppen hoch und legte sie aufs Bett. „Bei Koray." Sie antwortete nicht darauf, sondern drehte sich von mir weg und ich deckte sie zu. Ich stellte mich wieder hin und wollte mit den Pullover ausziehen, doch Seren legte eine Hand an den Saum meines Pullovers, dass ich wieder zu ihr heruntersah. Sie war schlaftrunken und blinzelte mich an bis sie die Augen wieder schloss.

„Ich brauche dich.", flüsterte sie und die Decke raschelte ein wenig,„Es wäre sehr viel anders gewesen, wenn du nicht da wärst." Sie gähnte und lockerte den Griff um meinen Pullover. „Ich wäre niemals so glücklich wie jetzt und.. verliebt." Sie ließ meinen Pullover los und kuschelte sich noch tiefer in die Decke, dass nur noch ihre Augen und die Stirn herausschauten.
Wie wäre es Seren ergangen, wenn ich nicht wäre? Wo wäre sie nun und mit wem? Hätte sie vielleicht einen besseren Mann gefunden?
Ich bückte mich zu ihr herunter und legte meine Lippen sanft auf ihre Stirn.

„Ich liebe dich.", hauchte ich und strich ihre Haare aus dem Gesicht,„Bleib bitte immer bei mir. Immer." Sie nickte ganz leicht und ich lehnte mich wieder vor und erwischte ihre Augenbraue. „Komm mu mim.." Sie nuschelte in die Decke hinein, doch ich wusste genau was sie wollte und legte mich nur wenige Minuten später neben sie. Seren drehte sich selbst zu mir um und kuschelte sich an mich. Sie legte ihren Kopf in meine Halsgrube und drückte mir leichte Küsse auf den Hals. Ich schloss die Augen und drückte sie fester an mich, als hätte ich Angst sie gehen zu lassen.
Und verdammt das hatte ich. Diese Frau sollte niemals von meiner Seite weichen, denn sie gehörte mir. Sowie ich ihr. Wir brauchten niemand anderen außer uns.

Da braucht wohl jemand seine Frau.
Wie geht es wohl mit seiner Mom weiter?
Ich dachte heute einfach es wäre Freitag. Ich will endlich Ferieeeenn 😭

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