Kapitel 33

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Zum Glück reagierte Dyan schneller als ich, sodass wir zumindest nicht mehr dicht voreinander standen, als ein älterer Mann mit kugelrundem Bauch eintrat.

Zuerst pfiff er noch fröhlich vor sich hin, doch sobald er mich sah verstummte er und starrte mich wie eine Außerirdische an. Mein überfordertes Hirn bekam auch nichts anders zustande und so glotzten wir uns gegenseitig mindestens eine halbe Minute an.

"Was machen Sie hier?", fragte eine piepsige Stimme schließlich und ich wollte mich schon über denjenigen lustig machen, immerhin war klar, was der Mann wohl auf den Toiletten machen wollte, aber dann wurde mir klar, dass das MEINE piepsige Stimme gewesen war.

Jetzt ehrlich?! Etwas besseres hätte mir ja nicht einfallen können.

Dyan neben mir musste sich ein Lachen verkneifen, weswegen ich ihm einen unsanften Stoß mit dem Ellebogen verpasste.

Der Mann starrte mich noch immer mit kugelrunden Augen an und fragte schließlich mit einer Stimme, die ähnlich wie meine klang. "Was machen SIE hier?!"

Hey! Das war meine Frage!

Ja aber bei ihm macht es wenigstens Sinn immerhin bist du auf dem MÄNNERklo!

Okay, ja. Aber was jetzt viel wichtiger ist: was soll ich antworten?!

Man konnte sich den Zustand meines Gehirns jetzt ungefair so vorstellen: abermillionen kleiner Tessas die hin und her hetzten, auf der Suche in den alten verstaubten Regalen meines Gedächnisses nach einer passenden Lösung.

"Also... ähm...", planlos stotterte ich herum und spielte mit dem Aschebecher in meiner Hand herum.

Warte mal, Aschebecher?

Tessa Nr. 13365: "ich hab sie! Die perfekte Ausrede!"

Erleichtert atmete ich aus und blickte dem Kerl fest in die Augen. "Ich habe gesehen wie der Junge hier mit einer Zigarette auf die Toiletten gelaufen ist und bin ihm hinterher, weil mit den ganzen Feuermeldern", ich deutete auf das kleine blinkende Gerät an der Decke, "es gut möglich gewesen wäre, dass ein falscher Alarm losgegangen wäre."

Ich wand mich ernst an Dyan, dessen Augen amüsiert funkelten, der aber sonst ein gelangweiltes Gesicht zog.

"Ich bitte sie zum Rauchen", oder Kiffen, aber das sagte ich lieber nicht laut, " das nächste Mal rauszugehen. Hier im Restaurant ist es nämlich ausdrücklich verboten."

Tadelnd wedelte ich mit dem Finger vor seiner Nase herum und konnte mir ein überlegendes Gefühl nicht verkneifen. Solangsam verstand ich,  weshab Mr. Coleman so überheblich war.

Da mir nichts weiter einfiel, um die Situation weiter zu entschärfen, entschied ich mich  dazu, dass meine Erklärung dem Mann reichen musste, damit er keinen Herzanfall erlitt.

Also ein bisschen übertrieben fand ich es schon, wie er mich anstarrte. War ja nicht so als hätte ich etwas unangenehmes von ihm gesehen.
Ich setzte mein unschuldigstes Lächeln auf und quetschte mich an ihm vorbei aus der Tür.
Sobald ich wieder auf dem Flur stand beeilte ich mich, so schnell wie möglich wegzukommen.

Musste doch nicht noch jemand mitbekommen, dass ich auf dem Männerklo gewesen war.

Tatsächlich hatte ich mich nach fünf paranoiden Minuten, indenen ich fleißig gearbeitet und Dyan grinsend zurück an seinen Tisch gegangen war, davon überzeugt, dass nur Mr. Kugelrund davon mitbekommen hatte.
Ich erlaubte mir tief durchzuatmen und den Vorfall weitmöglichst zu vergessen.  Nur den Ausdruck in Dyans Augen und der kurze Einblick in sein Inneres rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis. Dieser Moment war so abartig gewesen. Als wären wir nicht mehr Tessa und Dyan, Konkurrenten die sich absolut nicht ausstehen konnten, sondern etwas anderes. Verbundener.

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