Kapitel 55

360K 13.3K 6K
                                    

Dyan's Sicht
Zeitgleich mit Kapitel 53/54

Nach Tessas schnellem Aufbruch aus meinem Auto hinaus, saß ich erstmal wie bestellt und nicht abgeholt hinter dem Lenkrad und brauchte einen Moment, bevor ich etwas entnervt ausparkte und zurück nach Hause fuhr. Was war denn das bitteschön gewesen? Nicht nur, dass die beiden dahinten irgendetwas getuschelt hatten und mir das Geheimnis meiner Schwester anscheinend nicht anvertrauen wollten, sondern hatte mich diese Aktion auch noch um die Gelegenheit gebracht, allein mit Tessa im Auto zu sitzen. Einem Ort an dem sie nicht einfach ausweichen konnte und ich meine Wirkung auf sie in aller Ruhe hätte testen können.

Gestern schien es ihr ja immerhin gefallen zu haben, in meinen Armen zu liegen, aber ich wollte mich lieber nicht auf die Ereignisse letzter Nacht verlassen. Wer weiß, vielleicht war meine Wahrnehmung ja doch etwas getrübt gewesen und ich hatte mir ihre Gänsehaut nur eingebildet, als ich dicht hinter ihr gestanden hatte?

Jedenfalls würde ich schon herausfinden, ob da etwas zwischen uns war und das am besten, wenn Ciara mehrere Kilometer entfernt war und keine Gelegenheit hatte hereinzuplatzen. Sie war eh schon immer viel zu neugierig gewesen und meine kleine Schwester musste ja nicht unbedingt von diesem Teil meines Lebens etwas mitbekommen... obwohl sich das schwierig gestallten könnte, sollte sich da wirklich was zwischen Tessa und mir entwickeln. Ich mein immerhin schienen sie inzwischen schon ziemlich dick miteinander befreundet zu sein. Bei dem Gedanken Ciara könnte etwas mit einem meiner Freunde anfangen, machte ich unabsichtlich eine Vollbremsung und der Fahrer hinter mir hubte beschwerend. Noch viel zu geschockt von den Bildern in meinem Kopf, hob ich einfach meinen Mittelfinger und fuhr wieder los.

Nicht auszumalen, wie das enden würde. Aber höchstwahrscheinlich mit meiner Faust im Gesicht meines ehemaligen Freundes.

Um schnell auf andere Gedanken zu kommen, beeilte ich mich nach Hause zu kommen, vor allem als mir plötzlich wieder einfiel, dass meine Eltern heute zurück kommen wollten. Shit! Sie waren vor zwei Wochen aufgebrochen, um einen Zweig unserer Firma in Mexiko zu besuchen, bei dem es Gerüchte gab, dass einige Arbeiter ihren Job als Deckung für illegale Dinge missbrauchten. Und so wie ich meinen Vater kannte, hatte er an den geschäftlichen Besuch noch eine Woche Wellness-Urlaub drangehängt. Meine Mutter nahm er zu solchen Ereignissen nur mit, weil sie einen guten Blick für Menschen hatte und er so immer jemanden hatte, den er wie einen Hund herumkommandieren konnte. Grimmig schlug ich die Autotür hinter mir zu, als ich daran dachte, wie meine Mutter immer den Kopf einzog, sobald mein Vater ihr etwas befahl. Von der selbstbewussten Mutter, die gegen Presseleute, die unsere Familie zu verunglimpfen versuchten, die kalte Schulter zeigte und sie mit wenigen Worten abschmetterte, war da nichts mehr zu sehen.

Ich fragte mich nur zu oft, wie meiner Mutter bei dem ersten Treffen mit meinem Vater entgangen sein konnte, wie tyrannisch er, vor allem gegenüber Frauen, war.

Naja beschweren sollte ich mich nicht, immerhin gäbe es mich andernfalls gar nicht. Aber das hätte zumindest für meine Mutter eine Bereicherung sein können. Vielleicht würde sie sich ohne mich und Ciara mehr gegen meinen Vater auflehnen. Aber sie war genauso wie ich von der Angst geplagt, als nächstes könnte er ihre Tochter, wie eine Sklavin herumschupsen, wenn sie widersprechen würde.

Also musste ich es weiter ertragen, meine Mutter zu sehen, wie sie, wie eine Bedinstete, jedem Wort meines Vateres gehorchte.

Da ich nicht wusste, wann genau meine Eltern wieder da waren, atmete ich erleichtert auf, als ich im Haus nur Ariadna antraf, und niemand anderen.

Ich ging nach oben in mein Zimmer und ließ mich mit meinem Handy in der Hand aufs Bett fallen. Eigentlich hatte ich ja erwartet, dass meine Freunde alle samt noch ihren Rausch ausschliefen, aber erstaunlicher Weise hatten die meisten mir bereits eine Nachricht geschickt und nachdem ich die erste geöffnet hatte, wusste ich auch, weshalb sie sich, für ihre Verhältnisse, so früh aus dem Bett gequält hatten. Verdammt, noch etwas, das ich total vergessen hatte.

behind the screenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt