Kapitel 4: Wer traut dem Teufel?

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Erleichtert spürte ich, wie die kalte Nachtluft mich wieder einhüllte. Der Aufenthalt im Laden war mir nicht geheuer gewesen. Es hatte sich nicht verboten angefühlt und doch war darin irgendetwas gewesen, was mich sofort in Alarmbereitschaft versetzt und dafür gesorgt hatte, dass ich die ganze Zeit wachsam war.
Auch die Stille, die mich nach wie vor umgab, kam mir nicht mehr erdrückend vor wie geradeeben noch. Jetzt fühlte sie sich einfach nur noch befreiend an. Ich liebte es, nachts alleine draußen zu sein, denn ich war nicht die Art von Mensch, die mit zu enormer Lautstärke umgehen konnte. Das war schon immer so gewesen und hatte sich nach dem Tod meiner Familie zunehmend weiter ausgeprägt.
Andererseits führte mir eben diese angenehme und zutiefst beruhigende Stille auch wieder meine eigentliche Situation vor Augen. Den Grund, warum ich mich so spät abends in dieser unbekannten Umgebung befand und warum ich den Laden für dunkle Gegenstände überhaupt betreten hatte. Doch anders als zuvor jagte mir dieses Wissen weder Angst noch Unsicherheit ein, was mir die Chance gab, mich ernsthaft mit meinem weiteren Vorgehen auseinanderzusetzen. Es war, als würde das kleine, unscheinbare Buch, das ich immer noch an mich drückte wie einen unbezahlbar wertvollen Schatz, mir mehr Selbstvertrauen einhauchen als ich es normalerweise mein Eigen nennen konnte.
Bevor ich mich auf den Weg die Straße entlang machte, (so schwer konnte es doch nicht sein, den Weg nach Hause von selbst zu finden) drehte ich mich nochmal um, um einen letzten Blick auf das unheimliche Gebäude hinter mir zu werfen. Schon das genügte, um sämtlichen Mut, den ich gerade aufgebaut hatte, augenblicklich zerplatzen zu lassen. Das allerdings lag nicht daran, dass mich der Anblick des Ladens in helle Panik versetzte, sondern eben daran, dass er es nicht tat. Denn da war kein Laden mehr, der mich hätte verängstigen können. Er war weg, einfach spurlos verschwunden, mitsamt seiner verspukten Aura und dem uralten Straßenschild. Die beiden leicht verwahrlost aussehenden, altmodischen Wohnhäuser, die ihn zuvor zu beiden Seiten flankiert hatten, waren eng zusammengerückt und ließen keinerlei Platz zwischen sich. Dort, wo sich gerade noch Knochen, Glasfläschchen und Bücher im Schaufenster aneinandergereiht hatten, war jetzt nichts als kalter, grauer Putz.
Okay, das war mir dann doch zu unheimlich. Ich war noch nie ein Fan von Gruselfilmen gewesen, doch in genau so einen hätte das hier gepasst. Ich wirbelte herum und rannte Hals über Kopf los. Hier war schließlich niemand, der sich darüber lustig machen konnte.
Ich musste zugeben, dass ich mich erneut stark an Harry Potter erinnert fühlte. Häuser, die einfach so zwischen ihren Nachbarn verschwanden, gehörten doch normalerweise dort hinein. Fehlte nur noch, dass hier irgendwo ein großer, schwarzer Hund auftauchte oder so.
Erst als der Boden unter meinen Schuhsohlen spürbar weicher wurde und ich deutlich das Rascheln von Blättern unter meinen Schuhen vernahm, schaute ich wieder auf. Ich war direkt auf den Danhey Park zugerannt, ein typischer Fluchtreflex, dessen Bäume sich tatsächlich perfekt zum dazwischen Verstecken eigneten. Nun schämte ich mich doch für meine Feigheit. Vielleicht war ich es einfach gewohnt, wegzulaufen und mich zu verstecken, wenn ich mich vor etwas fürchtete (was nicht allzu selten vorkam).
Doch langsam begann ich, mich dagegen zu wehren. Ich verlangsamte meine Schritte und sah mich genauer um. Der Danhey Park war ein schönes Fleckchen, das ließ sich nicht leugnen. Für einen Park in einer Stadt wie Cambridge nahm er sogar ziemliche Ausmaße an, wenn auch nicht zu vergleichen mit einigen anderen Grünanlagen in Boston. Ich befand mich in einer Art winzigem Wald, vermutlich künstlich angelegt, dessen dichte Baumkronen noch den Blick auf den Nachthimmel verdeckten, obwohl es mittlerweile mitten im Herbst war. Einige Meter entfernt, dort wo die Bäume sich langsam zerstreuten, begann eine riesige, taubedeckte Grasfläche, die von einem Kiesweg durchzogen wurde. Im Mondschein lag sie dunkelgrau und still da, während sie bei Sonnenschein sicher sattgrün funkelte und von Bewohnern von der Cambridge Highlands gesaumt war. Es war ein malerischer Ort für ein Picknick mit der Familie.
Traurig seufzend wendete ich mich von der Wiese ab, als mich erneut die verblassten Erinnerungen an Jamie überkamen, wie er auf seinem winzigen Fahrrad mit Stützrädern durch das Gras radelt, verfolgt von dem kichernden Max und meinen zutiefst besorgten aber doch glücklichen Eltern.
Dabei fiel mein Blick auf das kleine, lederne Buch in meiner Hand. Erneut drängte mich etwas dazu, es aufzuschlagen und sein Geheimnis zu lüften. Versunken in die türkis schillernden Schriftzeichen auf dem Einband ließ ich mich auf einen großen, glatten Stein in der Mitte des Waldstückes sinken, über dem ausnahmsweise eine ziemlich großes Loch im Blätterdach bestand, das freien Blick auf den klaren, von einigen Sternen bedeckten, tiefblauen Himmel gewährte.
Doch ich sah es nicht, da ich nur noch Augen für das Tagebuch vor mir hatte. Schnell hatte ich die Seite wieder aufgeschlagen, auf der ich zuvor aufgehört hatte zu lesen, und sog fast gierig die roten Schriftzeichen in mich ein. Am meisten interessierte mich dabei, zugegeben, diese Sache mit dem "dem Teufel seine Seele verschaffen". Wenn man dafür seinen größten Wunsch erfüllt bekäme, wäre das doch ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke mit einem durchaus bezahlbaren Preis oder nicht?
Fast musste ich über mich selbst lachen. "Was für ein ausgemachter Schwachsinn, Sapphire", sagte ich in Gedanken zu mir selbst, "Du klingst, als ob das tatsächlich eine Option wäre! Hör' endlich auf, dir unnötige Hoffnungen zu machen, das zieht dich nur noch weiter runter! So etwas wie den Teufel oder die Möglichkeit, die eigene Seele an ihn zu verkaufen, gibt es nicht!" Natürlich wusste ich, dass das stimmte. Trotzdem konnte ich nicht aufhören, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Denn wenn sowieso nichts passieren würde, sprach doch rein theoretisch auch nichts dagegen, es auszuprobieren, oder?
Erneut richtete ich den Blick auf die pergamentartige, hellbraune Seite unter meinen Fingern und las hochkonzentriert die Anweisungen zum Durchführen des Experiments von Jahi, der Teufelstochter: "Dies ist ein einfacher Zauber, der die Seele des ausgewählten Menschen für immer an meinen Herren bindet. Vorgehen muss man dafür wie folgt:
1. Man zeichne das unten abgebildete Symbol, das Teufelspentagramm, den dunklen Höllenstern, Zeichen für den Bezug zur Hölle, dem Schloss des Bösen und ihrem König sowie seiner unendlichen Macht. Dafür verwende man einen Dämonendolch, den nur finden und schwingen kann, wer ihm würdig ist."
Das war einfach. Jedenfalls der Teil mit dem Zeichnen des Pentagramms. Zu dumm, dass ich gerade kein Papier bei mir hatte. Außerdem mangelte es mir am nötigen Verständnis für den zweiten Teil der Anweisung. Woher sollte ich jetzt bitte einen Dolch hernehmen, mal abgesehen davon, dass ich noch nie etwas in der Hand gehabt hatte, was dieser Bezeichnung gerecht wurde? Und an den Dolch eines Dämonen (was für ein hirnverbrannter Schwachsinn) kam ich gerade schon mal gar nicht.
Das Buch allerdings schien dieser Auffassung zu widersprechen, denn als ich meine Aufmerksamkeit wieder den Schriftzeichen zuwenden wollte, wurden diese von einer schwärzlichen Klinge mit rotem Schimmer verdeckt, die vor einer Sekunde noch nicht da gewesen war.
Ich konnte nicht anders als über ihre düstere Schönheit zu stauen, noch bevor ich überhaupt in der Lage war, mich über ihr plötzliches Auftauchen zu wundern. Sie war so gebogen, dass sie einen fast geschlossenen Kreis bildete und kunstvoll verziert mit verschlungenen Mustern und Einkerbungen. Sie machte tatsächlich den Eindruck, als könnte sie nur einem Dämonen gehören. Ein absurder Gedanke, doch irgendwie war ich bereit, daran zu glauben, ebenso wie ich daran glaubte, dass dieses Buch magisch war.
Zögerlich legte ich meine Hand um den Griff des Dämonendolches, der in einem kleinen, schwarzen Ring auslief, und nahm ihn vom Papier. Es fühlte sich einfach nur merkwürdig an. Das kalte Metall oder Stein oder was auch immer es für ein Material war, kam mir unter meinen Fingern merkwürdig grob vor und jagte mir gleichzeitig ein eigenartiges, warnendes, aber euphorisches Kribbeln durch den Körper.
Ich holte tief Luft und ließ meine Hand mit dem Dolch durch die Luft gleiten, die die gebogene Klinge mit einem deutlichen Zischen durchschnitt. Wie leicht er sich anfühlte...Fast schon wie eine Feder. Nun fragte ich mich wirklich, aus welchem Material er bestand.
Doch einen Moment später demonstrierte ich mal wieder deutlich, warum man mir bewusst kein Messer in die Hand gab, das länger war als mein Zeigefinger. Das Klischee des ungeschickten, tollpatschigen, kleinen Mädchens erfüllte ich wirklich perfekt. Meine Hand verlor die Kontrolle über den Dolch, er glitt mir aus den Fingern und traf mit einem übelerregenden Knirschen auf den Stein, wo er in einer tiefen Kerbe stecken blieb.
Ich seufzte leise. "Ja genau, Sapphire, hinterlass' auch noch extra ein Andenken an deinen Besuch hier, bei dem du mit einem Dolch herumgefuchtelt hast wie eine Verrückte und versucht hast, den wahrhaftigen Teufel zu beschwören", lobte ich mich in Gedanken sarkastisch selbst und zog den Dolch mit einiger Anstrengung aus dem Stein. Die Kerbe im Gestein war wirklich tief.
Erneut fiel mein Blick auf den fünfzackigen, blutroten Stern auf der Buchseite und die Anweisung dazu. Na, wenn schon, denn schon. Wenn die nächsten Parkbesucher sich in ein paar Stunden schon wundern würden, wer Cambridges beliebtesten Stein so verunstaltet hatte, sollten sie wenigstens etwas mit System vorfinden. Schließlich lautete die klare Anweisung in Jahis Tagebuch, dass ich ein Pentagramm zeichnen sollte.
Kurzentschlossen packte ich den Griff der Dämonenklinge fester und ritzte in einem spitzen Winkel zu der bereits vorhandenen, geraden Linie eine weitere in den Stein. Als diese lang genug war, wendete ich mich der nächsten zu. Es war eine unheimlich mühselige und schweißtreibende Arbeit, da man schon ziemlich stark zudrücken musste, um überhaupt eine Spur auf dem harten Fels zu hinterlassen, und somit definitiv nichts für meine dünne, zierliche Figur. Und doch war es ziemlich befriedigend, zu sehen, wie sich aus dem Gestein nach und nach der fünfzackige Stern mit weiteren Linien an den Ecken herausbildete, der im Buch beschrieben war.
Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, die wahrscheinlich keine fünf Minuten umfasste, zog ich die Klinge zurück, trat ein paar Schritte zurück und betrachtete mein Werk. Ich war selbst überrascht, wie sauber und gerade mir die einzelnen Linien gelungen waren. Mit einem unleugbaren Gefühl des Stolzes wendete ich mich wieder dem Buch zu, das ich neben meinem Pentagramm abgelegt hatte, um die Hände frei zu haben, und las den nächsten Punkt von Teufelstochter Jahis Anleitung:
"2. Man opfere meinem Herren mit einem Dämonendolch feierlich das Blut des Erwählten, um ihm seine Seele über dem Teufelspentagramm darzubieten."
Okay. Jetzt wurde es gruselig. Eigentlich wäre ich ja nicht bereit, mein Blut an einen solchen Schwachsinn zu verschwenden, doch die Geschehnisse der letzten Stunde hatten mich eines Besseren belehrt. Außerdem hatte ich mir mit dem Pentagramm so viel Mühe gegeben und wollte das nicht einfach so wegwerfen. Das allerdings, was mich schlussendlich dazu brachte, meinen linken Hemdsärmel hochzuschieben und den Dolch darüber erneut zu heben, war die Tatsache, dass ich vor mir selbst auf keinen Fall als wehleidiger Feigling dastehen wollte. Dafür war ich einfach zu stolz.
Ich zog die Klinge einmal ohne zu viel Druck an meinem linken Unterarm entlang und fügte mir so selbst einen eineinhalb Finger langen Schnitt zu. Länger, als ich eigentlich geplant hatte. Verdammt, dieser Dolch war schärfer als ich erwartet hätte und schnitt meine Haut genauso widerstandslos wie die Luft zuvor. Sehr merkwürdig, dass der Fels ihn nicht abgestumpft hatte.
Ich musste leise aufkeuchen vor Schmerz, als ich das Brennen der Wunde spürte, aus der sofort über ihre ganze Länge warmes, rotes Blut austrat. Der Schnitt war leider deutlich tiefer als erwartet und tat dummerweise auch um einiges mehr weh. Ich überlegte nicht lange, wie genau ich mein Blut "dem Teufel opfern" sollte, sondern drückte meinen Arm mit der Wunde einfach in die Mitte des Pentagramms und beobachtete, wie mein Blut am Stein entlanglief und sich ziemlich schnell darauf verteilte.
Als sich meiner Meinung genug von meinem Blut in der Mitte des Pentagramms befand, zog ich meinen Arm mit einer schmerzerfüllten Grimasse im Gesicht zurück, immer darauf bedacht, dass kein Blut auf meine Kleidung gelangte. Erneut wendete ich mich dem Buch zu und stellte erleichtet fest, dass ich laut der nächsten Anweisung weder einen Gegenstand verunstalten, noch mich selbst verletzen musste.
"3. Zur Vollendung des Vertrages rufe man den Meister des Bösen persönlich herbei, um ihm sein Opfer und dessen Seele persönlich zum Geschenk zu machen und ihm den Vertag anzuvertrauen. Dazu spreche der Erwählte selbst den Zauber, der mit seiner endgültigen Einwilligung gleichgesetzt wird, und besiegle somit das Schicksal seiner Seele", stand dort in blutroten, mittelalterlichen Schriftzeichen geschrieben. Trotz allem musste ich zugeben, dass diese Stelle bis jetzt mit am unheimlichsten klang. Doch ich war völlig entschlossen, jetzt keinen Rückzieher zu machen und so senkte ich den Blick konzentriert auf die fremdartigen Schriftzeichen in einer mir unbekannten Sprache, die Jahi unter ihrer dritten Anweisung hinterlassen hatte.
Keine Chance. Diese Dinger würde ich niemals entziffern können, geschweige denn ihre Bedeutung im richtigen Wortlaut vorzulesen. Deswegen betrachtete ich die Notizen, die Jahi in einer Klammer hinterlassen hatte. "Drum nimm das Opfer meines Blutes an und erwähle mich nun persönlich dazu, dich durch meine Seele zu bereichern und diesen bindenden Vertrag mit mir einzugehen. Ich unterwerfe dir all meine Macht", las ich, wobei ich gar nicht mitbekam, dass ich es laut aussprach. Wow, das klang ja fast wie ein finsteres Gebet. Jetzt waren wir anscheinend an dem Punkt, an dem ich anfing, den Teufel anzubeten.
Ich hatte den Gedanken in meinem Kopf noch nicht ganz zu Ende ausformuliert, als ich plötzlich wieder dieses unangenehme, warnende Prickeln in meinem Nacken wahrnahm, das ich bereits zuvor im Geschäft für dunkle Gegenstände gespurt hatte. Ein eindeutiger und nicht zu ignorierender Hinweis meines inneren Alarmsystems, der mir deutlich machte, dass ich beobachtet wurde. Das konnte nichts gutes bedeuten.
Wachsam hob ich den Kopf, um die Quelle dieser Vorahnung auszumachen. Das allerdings stellte sich als so gut wie unmöglich heraus, da ich mittlerweile kaum noch meine eigene Hand vor Augen sehen konnte. Wann war hier denn bitte Nebel aufgezogen? Vor allem, wenn es sich dabei um solch unnatürliche, dichte, weiße Schlieren handelte, die sich durch die Bäume umher leise wispernd auf mich zuschlichen und mich bis über die Hüfte einhüllten. Oder bildete ich mir das leise Murmeln um mich herum und den Eindruck, dass sich der Nebel geradezu gegen mich aufbäumte wie Sturmwellen? Ich musste ehrlich zugeben, dass ich es nun doch mit der Angst zu tun bekam. Ich spürte deutlich, wie sich die Härchen auf meinen Unterarmen aufstellten und wie sich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete. Denn irgendetwas, vielleicht mein sechster Sinn für Gefahr, sagte mir, dass ich schon längst nicht mehr allein in diesem völlig ausgestorbenen Wald war.
Genau in dem Moment, da mir das durch den Kopf ging, nahm ich links neben mir eine kleine, lautlose Bewegung wahr. Ich schluckte leise und wollte mich gerade zum Ursprung der Bewegung umdrehen, als mein Blick ein weiteres Mal auf den von Nebelschwaden umgebenen, fünfzackigen Stern fiel, den ich in den Stein neben mir geritzt und mit meinem Blut getränkt hatte. Er war nun über seine gesamte Fläche, aber nicht darüber hinaus komplett blutrot gefärbt und leuchte unheilvoll in die Dunkelheit hinein. Das konnte doch unmöglich mit rechten Dingen zugehen.
Doch in diesem Augenblick hörte ich hinter mir die kalte, männliche Stimme, bei der sich mir erneut die Nacken- und Armhaare aufstellten: "Sapphire Jowett, Tochter von Caroline, geboren am 18. Dezember 2002 in Cambridge, wohnhaft in der Berkeley Street, East Cambridge, Boston. Du hast mich gerufen?"
Nun war auch mein letztes bisschen Mut verloren. Diese Stimme...konnte unmöglich einem menschlichen Wesen gehören. So kalt und gefühllos, das seine Stimme selbst vor Bösartigkeit strotzte, hatte kein Mensch sprechen können.
Langsam, vorsichtig und bedacht drehte ich mich zu dem Fremden um. Zwischen den Bäumen am Rand der Lichtung, teils vom Nebel eingehüllt stand ein dunkelhaariger Mann in einem schwarzen Anzug und starrte mich unbeweglich und völlig ausdruckslos an. Wie der Klang seiner Stimme genügte auch sein Blick aus nachtschwarzen Augen, die sich in mich bohrten und wirkten wie schwarze, bodenlose Löcher, um mir ein weiteres Mal eine Gänsehaut verursachte und einen eiskalten Schauer über meinen Rücken jagte. Und das sicher nicht im positiven Sinne. Auf einmal war mir trotz der relativ angenehmen Nachtluft eiskalt. "Wer sind Sie?", brachte ich leise hervor und war nicht im geringsten überrascht, meine Stimme zittern zu hören, "Was wollen Sie von mir? Und woher wissen Sie all das über mich?" Auf das Gesicht des Fremden trat ein kaum merkliches Lächeln, das sich nicht auf seine eiskalten Augen erstreckte, und nicht annähernd in der Lage war, die Bösartigkeit aus seinen harten, aber auf groteske Weise wirklich hübschen, Zügen zu nehmen. Er sah aus wie aus Stein gemeißelt. Seine Haut schimmerte im Mondschein fast Marmorweiß, wobei ich unmöglich erkennen konnte, ob es an den Lichtverhältnissen lag oder ob es ihre wirkliche Farbe war. "Das sind die falschen Fragen, mein Kind", erwiderte er mit einem leicht zufriedenen Unterton, wahrscheinlich weil mich seine unheimliche Erscheinung so offensichtlich aus dem Konzept brachte, "Du bist nicht diejenige, die der Zauber verpflichtet, Fragen zu stellen."
Mich überkam eine ungute Vorahnung. Hatte ich nicht geradeeben meinen Arm aufgeschnitten, Blut auf eine Steinzeichnung geschmiert und einen Zauberspruch ausgesprochen, um den Teufel zu beschwören? War es möglich, dass dieser Mann, dessen Aura einfach nicht in diese Welt zu passen schien ...?
Nein, das konnte nicht sein. Mein Gegenüber konnte einfach nicht der Teufel sein. Wäre das hier ein Traum gewesen, hätte ich es sogar für möglich gehalten. Aber das hier war viel zu wirklich für einen Traum. Das wusste ich.
Der Mann, den mein Schweigen offensichtlich ungeduldig machte, trat nun langsam aus dem Schatten der Bäume und kam ebenso ruhig auf mich zu. Automatisch nahm ich eine Verteidigungsposition ein und umklammerte den Griff des Dämonendolches mit beiden Händen fester.
Der Fremde lachte leise, trocken und gefährlich. Bei diesem Geräusch machte sich ein alarmierendes kribbeln in meinem Bauch breit. "Glaube mir, du brauchst keine Angst zu haben, kleines Menschlein. Ich werde dir kein Leid zufügen. Schließlich hast du etwas, das ich will. Und um das zu bekommen, muss ich noch gewisse Vertragsbedingungen mit dir besprechen", flüsterte er und mir kam es vor als drohe er mir. Ihm entging wirklich nichts. Ich schluckte leise und wich automatisch ein paar Schritte zurück, während der Mann immer näher kam.
"...A..a-a...also ist es wahr?", stammelte ich mit erstickter, kaum hörbarer Stimme, "Sie sind d...der..." "Ich habe viele verschiedene Namen, mein Kind", unterbrach er mich mit unverändert leiser Stimme, "Deinesgleichen ist sehr kreativ, wenn es darum geht, das Böse zu benennen. Man kennt mich als der Gehörnte, Beelzebub, Urian, Widersacher Gottes, der böse Feind, Luzifer, Diabolus, ...oder Teufel. Ihr Menschen habt mir viele Namen gegeben, Sapphire Jowett, aber für dich, ...für dich bin ich dein Erlöser."
Mir wurde schlecht. Das...das konnte er doch icht ernst meinen. Mein...mein Erlöser?
Er wartete nicht auf meine Antwort, sondern strich mit seinen langen Fingern über das mit blutgetränkte Pentagramm auf in dem Felsen. "Du hast dir Schmerz zugefügt, Sapphire Jowett, einfach so, ohne zu glauben, dass es dir nutzen würde", fuhr er langsam fort und musterte mich genau von oben bis unten, "Du bist ein mutiges Mädchen, Sapphire, oder vielleicht bist du auch einfach nur leichtsinnig...oder verrückt..." Er sah mir direkt in die Augen, während sich die seinen kaum merklich zusammenzogen. Diese schwarzen Löcher machten mir Angst. äber ich weiß es besser", sagte er zu sich selbst, "Ich bin in der Lage, in dein Inneres zu sehen, Sapphire, wusstest du das?"
Seine eiskalten Finger packten mein linkes Handgelenk und drückten es gewaltsam nach oben, in Richtung seines Gesichts. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich nchts dagegen tun können, das warnende Prickeln meiner Haut, dort wo er mich berührte, lenkte mich komplett von allem anderen ab. Nun begutachtete er meine Wunde, die ich mir mit dem Dolch zugefügt hatte und ich gaubte fast, ihn seufzen zu hören. "Was für eine Schande", bemerkte er tonlos, "Ein so schöner Menschenkörper, der ein so einzigartiges Bewusstsein beherbergt, verschandelt mit einem solch hässlichen Makel..."
Der Teufel (ja, in diesem Moment akzeptierte ich in als den Höllenherrscher,) streckte auch seine andere Hand nach mir aus und bewegte seinen Zeigefinger langsam über die Wunde, fast ohne mich zu berühren. Ich keuchte laut auf. Brennender Schmerz schoss durch meinem Arm, als hätte der Dolch ihn erneut durchstoßen, und ich musste meine Hand dem Griff des Mannes entziehen. Ungläubig starrte ich meinen Arm an. Die Verletzung war einfach in Sekundenschnelle verschwunden und an ihre Stelle war ein dünner, schwarzer Strich erschienen, der auf der Haut brannte wie Feuer.
Ich hob den Blick zu dem Fremden und in meinem Blick stand pure Fassungslosigkeit. Seine schmalen Lippen zierte ein gefühlloses Lächeln. "Du bist nicht verrückt, Sapphire Jowett, auch nicht leichtsinnig... Aber du hast mich auch nicht aus Mut gerufen. Du bist verzweifelt. Was ist es, Sapphire, was so schwer auf deinem Herzen lastet?", fragte der Teufel mit einem Glimmen in den tiefschwarzen Augen, "Sag es mir und ich werde es dir geben. Im Tausch gegen deine Seele."
Auf eimal spürte ich völlig überraschend, dass all mein Mut und Selbstvertrauen zu mir zurückkehrten, zusammen mit grimmiger Entschlossenheit. "In Ordnung. Ich bin einverstanden, Herr der Hölle. Schließen wir einen Vertrag", gab ich breit grinsend zurück. Was war nur in mich gefahren?! Aber ich wusste es. Das war die Chance, von der ich nie zu träumen gewagt hatte. Ich würde mir meine Familie zurück wünschen.
"Sprich es aus, Sapphire. Was ist es, was du dir mehr wünscht als alles andere? Was ist dein tiefster Herzenswunsch? Ich werde ihn dir erfüllen." Ich holte tief luft, um das auszusprechen, was mir auf der Zunge lag: "Ich wünsche mir meine Familie zurück, ich wünsche sie mir und die Liebe von ihnen, die wir vor dem Unfall geteilt haben. Und ich wünsche mir, dass ich sie nie wieder verlieren werde!" Doch bevor die Worte den Weg aus meinem Mund finden konnten, hielt ich plötzlich inne.
"Ist es wirklich das, was du willst?", meldete sich eine ungebetene, gänzlich unwillkommene Stimme in meinem Kopf, "Bist du dir auch wirklich sicher, dass du dir das mehr wünscht als alles andere?" Ich blinzelte verwirrt und verärgert zugleich. Auch wenn ich mich selbst krampfhaft vom Gegenteil zu überzeugen versuchte, wusste ich ganz genau, was diese bösartige, egoistische Stimme mir andeuten wollte. Doch so schnell würde ich ihr nicht nachgeben. "Was soll das?! Natürlich ist es das, was ich mehr als alles andere will! Ich will meine Familie zurück! Ich vermisse sie doc so sehr! Ich brauche sie!", gab ich verzweifelt zurück. Doch die Stimme ließ nicht locker. "Ach, tatsächlich? Ist es wirklich das, was du zum glücklich sein brauchst? Wünscht du dir das wirklich so sehr? Nein, du weißt es besser. Natürlich vermisst du deine Familie, aber doch hast du dich mit ihrem Tod arrangiert und weißt, dass sie nicht für dich da sein können. Sie sind es nicht, was dich glücklich macht." Ich hätte am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst und laut gesummt, nur um diese schreckliche Wahrheit nicht hören zu müssen. Doch seinen eigenen Gedanken kann man leider unmöglich entfliehen.
Ich seufzte leise. "Was ist es dann, wenn nicht meine Familie?", erkundigte ich mich hilflos. Die Antwort der Stimme kam augenblicklich. "Das weißt du", murmelte sie nur erbarmungslos und zog sich langsam in den hintersten Teil meines Kopfes zurück. Ihr war klar, dass sie gewonnen hatte.
Langsam hob ich den Blick und richtete ihn wieder auf den Herrscher der Hölle vor mir. Dieser sah mich gespannt an. "Ja?", drängte er. "Ich will meinen Traumprinzen", erklärte ich fest, "Ich will meinen Seelenverwandten. Denjenigen, der mich perfekt ergänzt und der mich vollkommen macht. Ich will denjenigen, den ich wirklich bedingungslos lieben kann und der mich genau kennt. Der, bei dem ich spüre, dass er zu mir gehört, auch wenn ich es nicht erklären kann. Der, mit dem ich zusammen sein kann und der mich glücklich macht und das für immer. Er darf mir niemals wieder genommen werden. Hören Sie?! Nichts und niemand darf ihn mir jemals wieder wegnehmen! Niemals! Und er soll genauso für mich empfinden wie ich für ihn! Ich will seine Liebe!" Nachdem ich das ausgesprochen hatte, was mir wirklich auf dem Herzen lag, schwieg der Teufel erstmal überrascht. Aber natürlich nicht lange. "Einverstanden", stimmte er nur schlicht zu.
Erneut musste ich ihn fassungslos anstarren. "Meinen Sie das im Ernst? Einverstanden? Das ist alles?!" Der Teufel nickte knapp. "Du willst deinen Traumprinzen, deinen Seelenverwandten, und nichts und niemand darf ihn dir jemals wieder wegnehmen. In Ordnung. Du sollst ihn bekommen. Allerdings...", begann er und mir wurde das Herz schwer, "Nicht seine Liebe. Dieses lächerliche, unbedeutende, menschengemachte Scheingefühl kann ich nicht erzeugen." Ich nahm es ebenfalls mit einem wie betäubten Nicken zur Kenntnis. "Sapphire Jowett, ich schenke dir deinen tiefsten Herzenswunsch, deinen Traumprinzen und du schenkst mir deine Seele, auf dass sie nach deinem Tod voll und ganz mir gehört. Schwöre es bei deinem Blut", verlangte der Teufel und streckte mir seine langfingrige, weiße Hand hin. Ich schlug mit einem breiten Lächeln ein. Was war nur los mit mir?
"Ich schwöre es bei meinem Blut, Herr der Hölle", versprach ich todernst. Er entzog sich meinem Griff und sah mir noch einmal direkt ins Gesicht. "Dein besonderer Wunsch sei mir Befehl, Sapphire Jowett", hörte ich ihn noch sagen, "Und dashier nehme ich, wenn du nichts dagegen hast." Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung zog er mir den Dämonendolch aus der Hand, hob Jahis aufgeschlagenes Tagebuch von dem Felsen, wo es immer noch lag, drehte sich um und trat auf den Rand der Lichtung zu, um im schwarzen Schatten der Bäume zu verschwinden.
Ich starrte ihm einfach nur hinterher, während meine ganze Umgebung deutlich verblasste...Alles kam mir auf einmal merkwürdig unwirklich vor und alles schien mir zu entgleiten, wie zwischen dem Ende eines Traumes und dem Aufwachen...Der weiße Nebel schien langsam auf mich zuzuwabern, mich einzuhüllen und mir die Sicht zu nehmen...Es fühlte sich an, als würde sich hinter mir ein großes, schwarzes Loch auftun und mich verschlingen, sodass ich in unendliche, schwarze Tiefe stürzen würde...
Und dann landete ich mit einem Schlag in der Wirklichkeit. Ich war allein. Um mich herum war es ruhig und friedlich. Der Wind raschelte sanft durch die Baumkronen und der Halbmond am dunklen, sternenklaren Himmel tauchte die ganze Lichtung in natürliches, farbloses Licht. Die Nachtluft war eiskalt und klar. Keine Spur mehr von dem Nebel. Ich fröstelte und zog mir den linken Ärmel meiner Bluse über den schwarzen Strich auf der Haut an meinem Unterarm, der immer noch schmerzhaft brannte. Er und das in den Felsbrocken in der Mitte der Lichtung gemeißelte Pentagramm waren die einzigen verbliebenen Beweise dafür, dass ich nicht komplett verrückt geworden war oder unter Wahnvorstellungen litt. Aber darüber und über das, was hier an diesem völlig friedlich wirkenden Ort gerade geschehen war, würde ich mir dann Gedanken machen, wenn ich nicht mehr vor Müdigkeit beinahe umkippte.
In diesem Moment zerriss das nicht allzu weit entfernte Brummen eines Motors die Stille, direkt gefolgt vom Geräusch des schwungvollen Öffnens und Zuknallens einiger Autotüren und vier panisch rufenden Stimmen, die mir sehr bekannt vorkamen: "Sapphire?!" "Saph, wo bist du?! Saph!" "Hey, Saph, sag doch was!" "Sapphire, wenn du uns hörst, dann antworte bitte!" Hastige Schritte brachen durch das Unterholz und kamen auf mich zu. Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit. Meine Freundinnen. Sie suchten zutiefst besorgt nach mir, obwohl es schon weit nach Mitternacht sein musste. Wie hatte ich nur denken können, dass es in meinem bisherigen Leben nur Negatives gab?
Trotzdem konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich mich auf den Weg über die Lichtung und auf die vier zu machte. Sollte ich auch nur einer von ihnen oder einem anderen Menschen jemals erzählen, was ich gerade erlebt hatte, keiner von ihnen würde es mir je glauben.

Puh, wieder ein langes Kapitel.😧😅 Aber das sollte jetzt fürs erste das letzte sein. Lasst mir doch ein paar Votes und Kommentare da😆😊

Pakt mit dem Teufel - Der Dämon meiner Träume ⏸Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ