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Das helle Haar meiner Mutter fiel in langen Wellen über die schmalen Schultern ihres zierlichen Körpers. Die grünblauen Augen strahlend - die Haut zartgolden. Sie trug ein weißes Sommerkleid, so weiß, wie ihr Lächeln und der brünette Mann neben ihr gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie waren beide noch jung, etwa Anfang zwanzig, beide wirkten so unbeschwert.
Es war alles eine Lüge. Auf den Betrachter wirkten die Personen auf dem Bild unschuldig und glücklich, doch kaum jemand wusste, was wirklich hinter ihren Fassaden steckte. Ich jedoch tat es. Ich wusste es. Ich wusste, dass meine Mutter innerlich die Sorge in Verbundenheit mit dem Kind in ihr trug, das in einem noch nicht sichtbaren Babybauch heranwuchs. Sie und mein Vater waren nicht lange zusammen gewesen: unverheiratet und auch nicht verlobt. Bestimmt hatte sie sich während der Aufnahme dieses Bildes gefragt, wie sie es meinem Vater beichten sollte.
So oder so: sie hat es nie getan, erst als sie mit mir als Neugeborenes im Arm auf einem Krankenhausbett lag - blutend und dem Tode nahe, gab sie den Namen des Vaters preis, welcher sofort herbestellt wurde, um den letzten Augenblick mit der Mutter seines verheimlichten Kindes zu erleben.
In derselben Nacht verstarb meinen Mutter am schwerwiegenden Blutverlust. Jedesmal wenn ich daran dachte, dass ich die Frau getötet hatte, die mir das Leben geschenkt hatte, wurde ich von quälenden Schuldgefühlen überrannt. Mein Dad versuchte mir natürlich immer einzureden, es sei nicht meine Schuld gewesen, doch das linderte meinen Schmerz und das erdrückende Gefühl in meiner Brust nicht.

Seufzend löste ich meinen Blick vom eingerahmten Bild auf meinem Nachtschränkchen und erhob mich vom weiß polierten Bett. Eigentlich war in diesem Haus - oder besser gesagt Tower - alles hell und poliert und so modern wie nur möglich. Mein Dad stand auf moderne Einrichtungen wie kein anderer. Doch wenn ich die Wahl zwischen diesem riesigen, schlichten Tower und einem alten Schloss gehabt hätte, würde ich direkt meinen Koffer packen und ins Schloss ziehen. Das Einzige was mich in meinem Zimmer aufmunterte, waren die fünf Gemälde, die an meinen Wänden hingen. Allerdings war es auch nicht mein Vater gewesen, der sie gekauft hatte - genau genommen wurden sie von niemanden gekauft. Alles was ich gekauft hatte, waren weiße Leinwände und haufenweise Pinsel und Farben. Ich richtete meine Augen direkt geradeaus auf die gegenüberliegende, selbstverständlich weiße, Wand, an der mein Lieblingsgemälde hang. Es war das Einzige, an dem ich nichts auszusetzen hatte, wobei ich mich manchmal ertappte, wie ich nach meinen eigenen Fehlern suchte und fast schon enttäuscht war, wenn ich keine fand. Jedenfalls zeigte das Gemälde eine grüne Berglandschaft mit weiß schäumenden Wasserfällen, die in einen grüntürkisen Fluss mündeten. Ohne zu wissen warum, erinnerte mich diese erstaunlich schöne Landschaft an etwas, doch ich kannte einen Ort wie diesen nicht. Weder hatte ich ihn in Büchern oder im Fernseher, Filmen oder im echten Leben mit eigenen Augen gesehen. Dennoch spürte ich seine Verbindung zu mir. Es war, wie als läge mir etwas auf der Zunge, doch blieb im Ungewissen.
Gedankenverloren schüttelte ich den Kopf wegen des Unsinns in meinem sowieso schon kleinen Gehirns und erhob mich stattdessen, um mein neustes Gemälde an die Wand zu hängen. Im Gegensatz zu den fünf anderen, zeigte dieses keine Landschaft. Es war ein Mann, der mich aus irgendeinem Grund faszinierte und mir bekannt vorkam - sowie die Landschaft, nur noch viel stärker. Wie die Landschaften, so hatte ich auch ihn in meinen Kopf gesehen, unwissend, ob es ihn wirklich gab. Vielleicht hatte ich ihn als Kind mal gesehen, und sein Antlitz hat sich in mein Unterbewusstsein gebrannt?

Mit Hotpants und Croptop schlenderte ich in das Wohnzimmer des Towers, wo ich abrupt stehen blieb, als ein Mann im Fahrstuhl auftauchte. Er war etwa vierzig, hatte blaue Augen, eher wenige Haare auf dem Kopf, aber die Lachfalten im Gesicht deuteten auf ein freundliches Wesen hin. ,,Sicherheitspanne, geht auch auf dich", meinte mein Dad gewitzt zu seiner Freundin, Pepper, die für mich immer die Mutter war, die ich nie hatte. Scheinbar kannten meine Eltern den Mann, denn sie nahmen sein Erscheinen nicht gerade feindselig war, oder zumindest Pepper nicht. ,,Mr Stark", grüßte der Mann meinen Dad und Pepper erwiderte stattdessen mit einem breiten Lächeln: ,,Phil", und erhob sich von dem weißen Teppich, auf dem sie und mein Dad gesessen und Sekt getrunken hatten. ,,Phil", widerholte mein Dad nachdenklich. ,,Ich bleibe nicht lange", versicherte dieser, da fiel mir ein, dass Pepper bereits öfter von ihm erzählt hatte. Er sollt ihr 2008 bei der Sache mit Obadiah Stane geholfen haben, da war ich nicht älter als elf gewesen. Inzwischen waren vier Jahre vergangen, doch der Kontakt zu Phil war anscheinend nicht verloren vergangen und ich freute mich, ihn endlich mal kennenzulernen.

Während Phil ins Wohnzimmer eintrat, stolperte mein Vater Pepper hinterher, die auf ihn zuging und sagte dabei: ,,Äh, sein Vorname ist Agent." ,,Kommen Sie, wir feiern ein bisschen", schlug Pepper Phil vor, ohne den Worten des Milliardärs Beachtung zu schenken. ,,Darum bleibt er auch nicht lange ...", bemerkte dieser mit einem falschen Lächeln, woraufhin Pepper ihm einen Blick zuwarf. Als ich näher kam, richtete sich Phils Augenpaar auf mich und seine Mundwinkel zuckten ein wenig nach oben. ,,Du musst Aria Stark sein. Pepper hat mir von dir erzählt", sagte er an mich gewandt, da bemerkten auch Pepper und mein Dad mich. ,,Aria, das ist Phil", stellte Pepper mir den sympathischen Agent vor. ,,Sie hat auch von dir erzählt", erwiderte ich freundlich lächelnd und schmunzelte, als ich aus dem Augenwinkel mitbekam, wie mein Dad die Augen verdrehte. ,,Wie dem auch sei", Phil wandte sich an meinen Vater, ,,Wir möchten, dass Sie sich das hier ansehen. So schnell wir möglich." Er hielt ihm etwas schwarzes aus hartem Material entgegen. ,,Ich hasse Dinge, die man mir in die Hand drückt." ,,Und ich liebe Dinge, die man mir in die Hand drückt", erwiderte Pepper auf Dad's Abweisung hin, ,,Also, tauschen wir." Die Frau mit dem blonden Haaren, die sie schulterlang und mit einem Pony trug, nahm das schwarze Ding, das an einen Laptop erinnerte, und reichte Phil im Gegenzug ihr Glas Sekt. Anschließend nahm Pepper das Sektglas von meinem Dad und übergab ihm nun das schwarze etwas. Pepper nahm einen Schluck. ,,Danke." Mein Vater seufzte daraufhin und ich grinste. ,,Offizielle Konversationen von acht bis fünf, an jedem zweiten Donnerstag", meinte der Brünette zu Phil, welcher daraufhin erklärte: ,,Das ist keine Konversation ...", ,,geht es um die Avengers?", fiel ich Phil aufgeregt ins Wort und Pepper fügte schnell hinzu: ,,Von denen wir überhaupt nichts wissen ...", als sie Phils überraschten Blick bemerkte. Wir beide lächelten unschuldig, indes mein Dad schnaubte. ,,Die Avengers-Initiative wurde eingestampft", er klappte das Ding, das tatsächlich ein Laptop war, auf, ,,Dachte ich. Und ich war dafür sowieso nicht geeignet." ,,Davon weiß ich auch nichts", meinte Pepper kleinlaut. ,,Ja, offenbar bin ich sprunghaft ... egozentrisch und nicht teamfähig", sprach mein Dad weiter und Pepper meinte nun: ,,Das wusste ich schon." ,,Dabei geht es nicht nur um Persönlichkeitsprofile", sagte Phil zu Tony. ,,Miss Potts", er winkte Pepper zu sich und sie entschuldigte sich kurz bei dem Agent, bevor sie der Aufforderung nach ging. Während die beiden sich unterhielten, wandte sich Phil mir zu. ,,Wenn ich mich nicht recht entsinne, bist du jetzt sechzehn." ,,Stimmt", antwortete ich mit einem Lächeln. ,,Wie ist es eigentlich so, Agent einer Geheimorganisation zu sein?", fragte ich ihn neugierig. Wer hat denn nicht als Kind den Traum gehabt, ein Agent wie James Bond zu werden? ,,Naja, es gibt Vor- und Nachteile, aber ich mag meine Arbeit. Außerdem wird es in diesem Beruf nie langweilig." ,,Kann ich mir vorstellen." ,,Und weißt du, was du werden willst?", fragte Phil, als Tony Bildschirme in der Luft anwarf und meine volle Aufmerksamkeit gewannen. Sie zeigten viele verschiedene Leute, mit abnormalen Fähigkeiten. Da war eine riesige, grüne Männergestalt, die weniger menschlich wirkte und Zeug zertrümmerte, dann war da ein maskierter Mann mit Schild und ein blondhaariges Muskelmodel mit Rüstung und Hammer. Pepper und mein Dad schienen nicht weniger verblüfft zu sein, denn beide atmeten hörbar aus. ,,Ich nehme den Jet und fliege heute noch mit Aria nach DC", meinte Pepper schließlich. ,,Morgen", widersprach Tony, aber die Blondhaarige erwiderte: ,,Du hast Hausaufgaben. Unzwar jede Menge." ,,Und wenn ich die ... nicht hätte?", fragte mein Dad und sah zu Pepper. ,,Wenn du die nicht hättest?" ,,Ja." ,,Wenn du schon fertig wärst?" Er nickte. ,,Tja dann ...", sie flüsterte meinem Dad etwas ins Ohr, das gottseidank so leise war, dass es ich es nicht hören konnte. ,,Klingt fair, flieg vorsichtig", entschied Tony letztendlich und Pepper und er gaben sich einen Abschiedskuss. ,,Sei fleißig", sagte Pepper noch, bevor sie zu mir sah. ,,Kommst du, Aria?" Ich nickte zögerlich, auch wenn ich nicht wirklich mit wollte. Aber hier würde ich meinen Dad vermutlich nur stören, also blieb mir so gesehen keine andere Option. ,,Fahren Sie zufällig am Flughafen vorbei?", erkundigte sich Pepper anschließend bei Phil. ,,Ich bring euch hin." ,,Fantastisch", kam es von Pepper und ich bedankte mich ebenfalls. ,,Bye, Kleine", rief Tony mir noch zu, bevor ich in den Fahrstuhl eintrat. ,,Bye, Dad", erwiderte ich und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, bis sich der Fahrstuhl schloss.

Aria Stark - The beginningTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang