Die Kinder des Hati

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Schnaufend stolpere ich den schmalen Pfad zwischen den Bäumen hinunter, der vom nahegelegenen Fluss ganz schlammig gespült wurde. Meine Gedanken kreisen um Espens Geständnis, um Yorick und Rasmus und wie leid ich sie alle bin. Die bisherige Reise hat mir gezeigt, dass ich alleine in ihrer Anwesenheit fast verrückt werde. Yoricks ständige Sticheleien gegenüber Espen lassen mich gehörig an der Reife der Männer, wenn man sie denn so nennen will, zweifeln. Wütend setze ich einen Fuß vor den anderen, ohne auf meinen Tritt oder meine Umgebung zu achten. Als ich aufblicke peitscht mir der dicke Zweig einer Tanne ins Gesicht und hinterlässt einen breiten Kratzer auf meiner Wange. Ich schreie vor Wut los und schlage um mich, bis ich das Gefühl habe, wieder atmen zu können. Schwer atmend trotte ich zum Fluss und betrachte den doch recht tiefen Kratzer seufzend. So gut es geht versuche ich ihn mit dem eiskalten Wasser des Flusses zu reinigen, als mein Blick auf die sich im Wasser kräuselnde Reflektion einer Person hinter mir fällt. Zu spät erblicke ich den schweren Stein in ihrer Hand, denn als ich herumwirbele, spüre ich nur noch einen heftigen Schlag ehe ich das Bewusstsein verliere.

,,Hast du das gehört?" Yoricks Kopf zuckt erschrocken hoch, als er den wütenden Schrei einer Frau durch den Wald hallen hört. Sofort springt er auf und schnappt sich das Messer, was im Fleisch des zuvor erlegten Hasen steckt. Auch Rasmus sieht sich alamiert um. Die Beiden werfen sich einen verheißungsvollen Blick zu. ,,Das muss Freya gewesen sein." gibt Rasmus Yorick zu verstehen, ehe dieser hastig in Richtung des Flusses verschwindet. ,,Yorick! Bei Odin, sei vernünftig!" Doch dieser ist bereits zwischen den dunkeln Reihen der Tannen verschwunden. Schon nach einigen Augenblicken hat Rasmus seinen Freund aus den Augen verloren. ,,Was ist passiert? Habt ihr den Schrei gehört? Wo ist Freya?" Hektisch sieht Espen sich um, der soeben neben Rasmus zum Stehen kommt. ,,Ich weiß es nicht. Aber wir sollten wohl keine Zeit verlieren Yorick zu folgen. Sonst stellt er noch etwas Dummes an." fordert Rasmus eilig.

Rasend vor Wut fixiert Yorick die seltsamen Gestalten, die sich um das Flussufer tummeln. Zwischen den tiefhängenden Ästen der Nadelbäume um ihn, hat er eine gute Sicht auf das Treiben ohne selbst gesehen zu werden. Sein Blick wandert über die blasse, fast schon grau schimmernde Haut der Kreaturen. Tiefschwarze Bemalungen schmücken ihre Hände und Unterarme und auch das verfilzte Haar, das von zahllosen Federn und Perlen geschmückt zu sein scheint, ist von tiefschwarzer Farbe. Plötzlich blitzt zwischen den gut ein Dutzend Menschen etwas Helles auf. Fest entschlossen umfasst Yorick den Griff seiner Axt härter, als er den hell blitzenden Schimmer als die blonde Haarpracht seiner Frau erkennt. Berauscht von dem Bedürfnis Freya beschützen zu wollen, tritt er aus dem Schatten der Bäume auf die Lichtung. ,,Lasst sofort meine Frau in Frieden, ihr Bastarde. Ich schwöre bei Odin, sonst geht dies hier nicht gut für euch aus." Seine ruhige, kräftige Stimme hallt bedrohlich über die Lichtung und verstärken damit die Bedeutung seiner Worte. Gefasst sieht er dabei zu, wie sich die Gestalten zu ihm wenden und ihn interessiert mustern. Es sind Männer und Frauen, erkennt Yorick nun, und alle schmückt ein schwarzer Kreis ihre Stirnen. Zwei der Männer kommen langsam auf ihn zu. ,,Und wieso sollten wir auf einen wie dich hören?" sagt einer der Beiden mit einem seltsamen Akzent, bevor er angewiedert vor Yoricks Füße spuckt. Kampfbereit schwingt dieser nun seine Axt. ,,Das würde ich mir an eurer Stelle noch einmal gut überlegen." erwiedert er ruhig. Die beiden Fremden werfen einen Blick nach hinten zu einer Frau, die soeben aus dem Wald tritt. Ihr Kopf schmückt ein breites Hirschgeweih und das dunkle Haar fällt wallend bis zu ihren Fersen. Ruhig nickt sie den beiden Männern vor Yorick zu, die ihn daraufhin böse angrinsen und ebenfalls ihre Waffen heben. Hinter ihnen versammeln sich sechs weitere Kämpfer, die ebenfalls bedrohlich mit ihren langen Speeren auf den Boden schlagen. ,,Wartet bitte! Halt, ganz ruhig." erklingt plötzlich Rasmus Stimme und unterbricht damit die angespannte Stimmung, die sich über der Lichtung ausgebreitet hat. Behände stolpert er den rutschigen Pfad hinunter und kommt zwischen den Kämpfern und Yorick zum Stehen, dicht gefolgt von Espen, der die Angreifer warnend anfunkelt. ,,Eine falsche Bewegung und ihr seid tot." ruft Espen ehe er sein Schwert an die Kehle eines Kriegers hebt. ,,Verdammt, wärst du wohl so freundlich und hälst deinen Mund, Junge?" flüstert Rasmus spitz und hebt beschwichtigend die Hände, ehe er sich den Kriegern zuwendet. ,,Wir wollen keinen Kampf. Wir sind lediglich auf der Durchreise. Jetzt bleiben wir alle am Besten ganz ruhig und reden miteinander, ja?" Rasmus zuckt zurück als ein Pfeil direkt vor seinen Füßen landet. ,,Natürlich. Hätte ich mir denken können." murmelt er aufgeschreckt und zieht ebenfalls sein Schwert.

Salty TearsWhere stories live. Discover now