Auf in die Schlacht

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Drei Tage. Nur noch drei Tage, bis sich die Männer in eine Schlacht stürzen, die ohne Zweifel zahlreiche Leben kosten wird - auf beiden Seiten. Die vergangene Woche ist wie im Fluge vergangen und jetzt, da der Tag des Angriffs immer näher rückt, steigt auch mein Unbehagen. Jarn hat seine Worte wahr gemacht und mich konsequent aus allen Plänen und Strategien ausgeschlossen. Jedes Mal, wenn ich einen Blick auf die Karten erhaschte oder eine Konversation überhörte, sorgte er dafür, dass ich weitestgehend im Dunkeln blieb. Und jedes Mal geriet ich dadurch in einen Streit mit ihm. Einzig mein Ehemann versorgte mich mit den nötigen Informationen, doch selbst er verschwieg mir einiges, das konnte ich spüren.

,,Wie kommt ihr nur auf eine so törichte Idee?", schimpfe ich erneut, bei dem Gedanken während der Schlacht in dieser Burg gefangen zu sein. Genervt verdreht Yorick seine hübschen Augen und wirft mir diesen intensiven Blick zu, den ich so liebe. ,,Freya, ich habe dir doch bereits erklärt, dass ich es nicht riskieren werde, dich und das Kind auf dem Schlachtfeld zu verlieren. Du hast in deinem Leben noch keinen Kampf miterlebt! Du weißt nicht, wie chaotisch es auf diesen Feldern zugeht." Er kommt einen Schritt auf mich zu, baut sich bedrohlich vor mir auf. Wahrscheinlich versucht er mich einzuschüchtern - was allerdings wenig Wirkung zeigt. Der letzte Mensch, den ich fürchte, ist mein Ehemann. ,,Aber ich büße genauso viel ein! Dein Leben steht ebenso auf dem Spiel. Ich könnte dich auch verlieren, verdammt!" Selbst ich erschrecke, bei dem Klang meiner Stimme, die laut durch den Gemeinschaftsraum schallt. Mit Verdruss beobachte ich, wie Yoricks Miene zu Stein wird. ,,Du wirst hier bleiben. Das ist mein letztes Wort, Freya. Ich bin es leid, mit dir zu diskutieren." Mit diesen Worten wendet er sich von mir ab und marschiert aus dem kleinen Raum. Sein resignierter Tonfall nagt noch lange an meinem Herzen.

,,Das ist mein letztes Wort, Freya! Kannst du das fassen? Was fällt ihm ein, so mit mir zu sprechen?" Wütend werfe ich die geschälte Kartoffel in einen Kessel voller Wasser. Nachdem ich mich im Stillen über Yoricks Worte geärgert hatte, ging ich in die Küche, um Laoghaire alles zu erzählen. Als diese jedoch nur schweigend vor sich hin grinst, schüttele ich fassungslos den Kopf. ,,Ach Freya, so sind die Männer eben. Still zu sein, ist oftmals kein Zeichen von Schwäche, sondern von Schläue. Trage dein Herz nicht immer auf der Zunge, meine Freundin." Ich betrachte nachdenklich den Haufen Kartoffeln und fahre mit meinem Daumen über die stumpfe Klinge des kleinen Küchenmessers. ,, Außerdem liegen die Nerven bei jedem blank. Wir stehen kurz vor einer Schlacht. Was sollen wir von ihnen erwarten?" Laoghaire wirft mir einen geheimnisvollen Blick zu. ,,Deine Zeit wird sicherlich noch kommen. Da bin ich mir ganz sicher." Einen Moment betrachte ich sie voller Bewunderung, ehe ich sie in die Arme schließe. ,,Wann bist du nur so erwachsen geworden?" flüstere ich in ihre wilde Lockenmähne. Leise lachend löst Laoghaire sich von mir. ,,Müssen wir das nicht alle irgendwann? Aber um ehrlich zu sein, ich glaube, dass es die Kinder waren." Lächelnd legt sie eine ihrer kleinen Hände auf meinen Bauch und auch ich sinne kurz in dem wunderbaren Gedanken bald selbst Mutter zu sein.


Ein eisiger Wind liegt in der Luft und schwere graue Wolken bahnen sich ihren Weg über den Himmel. Tom, einer von Espens engsten Vertrauten unter den Schotten, meint, es würde einen Sturm geben. Doch nicht nur das Wetter liegt in düsterer Stimmung. Jeder auf der Burg geht an diesem Morgen stumm seinen Aufgaben nach. Es ist der Zeitpunkt der großen Schlacht. Am vergangenen Abend hatte Yorick mit allen anwesenden Kriegern den Plan vervollständigt und nun kennt jeder seine genaue Position und Aufgabe. Auch ich durfte gestern Nacht endlich anwesend sein. Wie sich herausstellt, ist meine Aufgabe in der Burg zu verharren und von hier aus ein Auge über die Schlacht zu haben. Mir gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht, doch ich hielt mich an Laoghaires Rat und verblieb im Stillen. Dass ich mir derweilen einen anderen Plan zurecht legte, muss nun wirklich niemand wissen. Und so kam es, dass ich mich, um den Schein zu wahren, in die Mitte des großen Hofs niederlasse, um mein Ritual vorzubereiten. Langsam vermische ich Asche mit verschiedenen Ölen und reibe mir die kohlschwarze Paste auf Arme und Gesicht. Den neugierigen Blicken der umherstehenden Männern bin ich mir bestens bewusst und auch die übrigen nordischen Männer belachen die schockiert dreinblickenden Fremden. Als ich nun mein glühendes Mal freilege, spüre ich bereits die Magie durch meine Adern pulsieren. Ich suche Yoricks Blick, der mich von seinem Pferd aus fasziniert beobachtet und signalisiere ihm, dass ich bereit bin. Ich werfe einen letzten sehnsüchtigen Blick auf meinen Ehemann, ehe er aus dem großen Tor reitet und die Männer ihm folgen. Tief atmend schließe ich die Augen und lege den Kopf in den Nacken. Mein Geist scheint sich zu erweitern und plötzlich sehe ich von oben auf ein großes Feld. Männer, klein wie Ameisen, tummeln sich tief unter mir und ich versuche mich auf das Geschehen zu konzentrieren. Wie ein Vogel gleite ich ungesehen durch die Reihen der verfeindeten Parteien und merke mir jedes noch so kleine Detail. Die gegnerischen Schotten sind klar in der Überzahl und zu meinem Entsetzen sehe ich, dass mehr als ein Clan-Banner den Rand des Schlachtfeldes markiert. Dieser Mistkerl erwartet uns. Er hatte Zeit sich Unterstützung zu holen. Wer könnte uns verraten haben?... Ich hole tief Luft und vor mir verändert sich die Landschaft. Zahlreiche mir bekannte Gesichter liegen vor meinen Augen reglos im Schmutz. Schockiert drehe und wende ich mich in jede Richtung. Raben, so viele Raben. Sie zerren an den sterblichen Überresten der Männer, die ihr Leben gelassen hatten. Wir werden verlieren, denke ich schockiert. Angestrengt versuche ich in meiner Version einen Hinweis darauf zu entdecken, was der ausschlaggebende Punkt der Schlacht gewesen ist. Wild durcheinander blitzen Bilder in meinem Kopf auf und ich bemerke, wie ich die Kontrolle verliere. Komm schon, ich brauche nur die Lösung... Verzweifelt halte ich meinen Kopf und krümme mich zusammen, als plötzlich ein Bild vor meinem inneren Auge erscheint. Kleine Boote, winzig genug, um lautlos über den nahen Fluss zu gleiten, nähern sich dem Schlachtfeld. Erleichtert reiße ich die Augen auf und springe auf meine Füße. ,,Ein Hinterhalt! Diese Bastarde greifen uns von beiden Seiten an." Ich renne in die Burg, um den anderen Bescheid zu sagen.

Als ich Laoghaire von meiner Erkenntnis berichte, schickt sie sofort einen Boten los. Mit etwas Glück erreicht er die Krieger noch vor ihrem Eintreffen auf der anderen Seite des Flusses. Doch meine Intuition lässt mich daran zweifeln. Die Männer sind schon vor über zwei Stunden fort geritten. Demnach müsste der Bote reiten wie der Tod selbst, um sie rechtzeitig einzuholen. Entschlossen wende ich mich von der Gruppe Frauen ab und stürme die Treppe hinauf in unser gemeinsames Schlafgemach. In aller Eile lege ich mir meine Rüstung an, binde meine Haare zu einem praktischen Zopf und lege mir meinen Bogen und einen Dolch, der länger als mein Unterarm zu sein scheint, an. ,,Was fällt dir bloß ein Freya? Du kannst jetzt nicht auch noch davon reiten! Was ist, wenn du wieder eine Vision hast?", höre ich die besorgte Stimme meiner Freundin hinter mir. ,,Ich werde nicht reiten.", halte ich mich kurz und erinnere mich vage an einen Zauber, den Linneah mir vor einer Ewigkeit beigebracht zu haben scheint. Hastig sammele ich einige getrocknete Kräuter beisammen und entzünde eine der dicken Stumpfkerzen auf meinem Nachttisch. ,,Was auch immer du tust, pass auf, dass euch hier nichts passiert! Ich muss dafür sorgen, dass diese Schlacht zu unseren Gunsten verläuft!" Konzentriert klammere ich mich an einen von Yoricks Ringen und murmele Worte einer längst vergessenen Sprache vor mich hin. Die Kerze beginnt zu flackern und ein kühler Wind pfeift durch das Innere des Zimmers. Erschrocken weicht Laoghaire an die Rückwand des Raumes zurück und starrt mich an. Mit einem lauten Ruf, werfe ich die Kräuter in die Flammen der Kerze und merke, wie die Welt um mich herum wankt und schließlich verschwindet.

Schwer atmend presst Laoghaire ihre Hand geschockt auf ihre Brust. Stumm starrt sie auf den leeren Fleck, an dem soeben noch ihre Freundin gestanden hatte. Ein flirrendes Summen liegt in der Luft, wie Laoghaire es schon so oft in den magischen Wäldern der Highlands vernommen hat. Der Klang von Magie. Langsam nähert sie sich dem schweren Ring, der mir einem dumpfen Klirren auf den Boden gefallen war und nimmt ihn in die Hand. Bläulich schimmernd prickelt er zwischen ihren Fingern. Mit einem leeren Blick legt sie ihn zurück in die große Truhe und verlässt den Raum. Es würde einige Zeit dauern, bis sie sich wieder auf ihre Aufgaben konzentrieren konnte.

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⏰ Last updated: Feb 10, 2020 ⏰

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