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Scheiße, ich war zu spät. Ich sah vor der Tür der Villa noch einmal auf meine Armbanduhr. Schon 8 Uhr und damit eine Stunde zu spät, biss ich mir nervös auf die Unterlippe.
Vor meiner Nase öffnete sich plötzlich die Tür. Mein Gehirn spinnte gerade schon eine Ausrede für Leo zusammen, doch entgegen sahen mir strahlend blaue Augen.
Bis jetzt hatte ich noch gar nicht mit ihm geredet, also fiel mir auch sein Name irgendwie nicht ein.
Er stand mindestens genauso erstaunt da, wie ich.
"Bitte sehr, M'am",
bewegte er sich ruckartig zur Seite, um mir Platz zu machen.
Verwirrt lief ich zwei Schritte voraus, bevor ich mich wieder umdrehte.
"Guten Morgen, Samuel",
fiel es mir genau am Ende der Begrüßung wieder ein.
"Den wünsche ich dir auch, Maelle",
seine Stimme blieb neutral und nach einem Lächeln suchte ich vergeblich.
Damit erschien er mir nicht unfreundlich, sondern irgendwie einfach durch und durch übertrieben höflich.
"Nenn mich ruhig Elly",
versuchte ich ihn mit meinem Strahlen zu überzeugen, doch er hielt seine Fassade aufrecht.
"Nenn mich ruhig Sam",
dabei lief er zur offenen Küche und schnappte sich eine Tasse aus dem weißen Schrank.
"Möchtest du auch einen Kaffee haben?"
- "Nein, danke. Ich bin kein Fan von heißen Getränken."
Zwar setzte ich mich zu ihm an die Küchen- Arbeitsfläche, das hieß jedoch nicht, dass wir sprachen.
Er war irgendwie auf eine andere Art seltsam, was mich in diesem Augenblick in den Bann zog.
"Bist du der einzige Frühaufsteher hier?",
brach ich das Schweigen nach ganzen fünf Minuten.
"Meistens ja. Manchmal ist Adam auch schon wach."
Ich hätte ja gedacht, es gäbe eine paar mehr Frühaufsteher, immerhin war es doch mittlerweile schon 8.20. 8.20?!
Sofort sprang ich vom Hocker und rannte um mein Leben.
Leo war nicht wirklich streng, aber wer kannte nicht diesen Moment, wenn man die Tür zur Schule oder Arbeitsstelle öffnen musste, in dem Wissen, dass man viel zu spät war.
Nach einem tiefen Luftzug öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer, welches sich immer mehr zum Aufenthaltsraum für jedermann verwandelte.
"Du bist zu spät, Liebes",
drehte sich der Stuhl, vor dem Schminktisch samt Leo zu mir.
"Das ist so eine Sache, weißt du. Glaub mir, ich war fast pünktlich, aber unten hat irgendwie schon Sam auf mich gewartet und ich habe ihm gesagt, dass ich keine Zeit habe. Aber du kennst ja diese Männer... Da hat er mich noch auf einen Kaffee eingeladen und puh, der Mann kann reden... ",
verdrehte ich theatralisch die Augen, warf meine Tasche auf das Bett und signalisierte so in Rekordzeit, dass ich bereit war. Was auch immer dieser Tag mal wieder bringen mochte...
"Ohhh du armes Ding. Ich hoffe er hat dir kein Essen angedreht",
kam Leo auf mich zu und legte tröstend seine Hände auf meine Oberarme.
"Dem Essen konnte ich mich entziehen",
sprach ich, ehrlich verwirrt von dem noch immer bestehenden Körperkontakt.
"Sehr gut, denn darum werden sich heute die Jungs kümmern. Lass es dir schmecken, bevor du erneut zwei Herrschaften rauswählst."
- "Wie meinst du das?"
"Naja such dir 6 für's Frühstück und 7 für's Mittagessen",
lief er schulterzuckend davon.

***

Gesagt, getan. Wie Soldaten standen meine Jungs nun im Wohnbereich und warteten auf ihre neue Aufgabe.
"Danylo, Frey, Brandon, Cody, Sancho und Thierry",
legte ich erstmal eine Pause ein, um es spannender zu machen.
"Ich erwarte von euch ein erstklassiges Frühstück, voll nach meinem Geschmack."
Daran könnte ich mich doch gewöhnen.
Schweigend liefen sie in die Küche, ich ihnen hinterher.
Danylo, mein hässliches Entchen schaltete erstmal das Radio an und suchte sich sogleich tänzelnd irgendwelche Zutaten aus dem Kühlschrank. Ein Schmunzeln ließ sich nicht unterdrücken, denn genau so sah mein Morgen für gewöhnlich auch aus.
Frey und Thierry sprachen sich in der Zwischenzeit miteinander ab, scheinbar hatten sie etwas gemeinsames vor. Mehl, Eier und Milch gehörten auf jeden Fall zu deren Plan, mich zu begeistern.
"So eine süße Frau, nascht bestimmt gerne."
Kaum wollte ich antworten, schob mir die Person etwas in den Mund.
Erst war ich überrumpelt, aber eine Erdbeere in Nutella... Wer wurde da nicht weich?
Außerdem hatte Brandon die schönsten Augen, welche ich seit langem gesehen habe.
Türkis-blau waren sie, umrandet von einem dichten Kranz an dunklen Wimpern. Er hatte etwas typisch amerikanisches, allerdings auch etwas typisch Latino-mäßiges.
Seine Eltern hatten da etwas verdammt richtig gemacht.
Und dann fiel es mir auch bei ihm auf.
"Wow. Die sind der Wahnsinn",
strich ich seinen Arm mit dem Zeigefinger entlang.
"Wie gefällt dir das?"
Er legte seine Hand vor sein Gesicht.
Auf seinem gesamten Handrücken war die untere Gesichtshälfte eines Totenkopfs abgebildet. Es ergänzte sich mit seinem Gesicht.
"Da ist wohl jemand Joker-Fan",
lächelte ich ihn an.
"In der Tat",
streckte er mir nun einen Unterarm entgegen. Tatsächlich befand sich dort ein riesiges Tattoo von dem grünhaarigen Psychopathen.
Auch ich liebte diesen Kerl, vor allem, wenn er von Jared Leto gespielt wurde.
Behutsam griff er nach meinen Handgelenken und drehte meine Unterarme mit ihren Innenflächen nach oben.
"Der Wolf, obwohl er ein Rudeltier ist, steht er als Tattoo oft für die Einsamkeit."
Bei einem Blick auf mein anderes Handgelenk fuhr er fort.
"Und der Löwe, ein Symbol für einen starken, sowie tapferen Krieger."
Als könne er die Wahrheit meiner Seele direkt aus meiner Hand lesen.
Nein, man musste bei mir keine Linien deuten, sondern die beiden selbstgewählten Bilder.
Das konnte er scheinbar gut.
Ein Räuspern, welches hinter Brandon erklang, ließ mich erst wieder von meinen Handgelenken aufschauen.
Sancho lehnte gemütlich mit verschränkten Armen an dem Küchenblock, schien aber nichts weiter sagen zu wollen.
Er schaute mich einfach durch zusammen gekniffene Augen an.
Zum Kochen hatte er nichts beigetragen, genau so wenig, wie Brandon und Cody.
"Bratans und Madame Krasaviza, ich bitte sie alle zu Tisch",
schrie der gut gelaunte Danylo rein.
Zu gerne entwich ich dieser Situation und folgte meinem hässlichen Entlein.
Am Tisch angekommen, setzten sich alle hin und schon wieder wurde es scheiße. Wie sehr ich es hasste, wenn mir jemand beim Essen zusah und nun lagen 10 Augen auf mir.
Lediglich Danylo schnappte sich eines seiner Sandwiches und ich tat es ihm gleich. Mehr wäre für mich auch gar nicht nötig gewesen. Die liebevoll hergerichteten Pfannkuchen von Frey und Thierry interessierten mich leider gar nicht. Sorry Jungs.
"Danylo, was sind Bratans oder ein Krasaviza?"
- "Sag Dany. Bratans sind hier meine Brüder und eine Krasaviza bist du, Hübsche."
Da zuckten doch meine Mundwinkel vor Verlegenheit. Entfaltete sich hier innere Schönheit, lieber Dany?

***

Nun zur schwierigeren Aufgabe. Im Gegensatz zum Frühstück genoss ich mein Mittagessen immer in vollen Zügen. In der zweiten Gruppe übernahm Adam überraschender Weise das Wort. Er teilte sogar die Gruppen für Vorspeise, Hauptspeise und Dessert ein. Liam und Doniyor machten sich an einen Salat.
Und oh mein Gott sie schlugen sich beinahe um die Zutaten. Der Streit drehte sich darum, ob Käse in den Salat sollte oder nicht. Sam und Milo machten sich unkoordiniert an das Abkochen von Nudeln und einer Soße dazu. Sie redeten nicht viel. Jeder machte so sein Ding vor sich hin.
Bei Adam und David, schien nun David die Forderungen zu stellen.
David könnte so ein Hübscher sein, wenn er nicht so unnatürlich wirken würde. Die gefärbten Haare, die gefärbte Haut... Das war einfach zu viel.
"Hop Hop Jungs, schwingt die Messer und Löffel und so. Milo, nur die fleißigen kommen in den Himmel",
klatschte Akim in die Hände und lief einmal an allen Jungs vorbei, bevor er vor mir ankam.
Als ich Milos Kopf-schütteln bemerkte, grinste auch ich vor mich hin.
" Na, keine Lust zu kochen?",
fragte ich den hoch motivierten Mann, der die anderen musterte als wären es seine Angestellten.
"Weißt du, im Leben ist das so. Man muss wissen, wann genug ist. 7 Männer in der Küche sind doch schon 7 zu viel und wer soll dann die Frau beschäftigen, verstehst du?"
Ich schüttelte nur den Kopf und lachte, obwohl ich mir nicht mal sicher war, ob er das, was er sagte vielleicht doch ernst meinte.

Nach fast einer Stunde saß ich auch mit dieser Gruppe an einem Tisch und wieder lagen alle Blicke auf mir.
"Den Salat möchte ich nicht. Es tut mir Leid, aber ich esse keinen Parmesan."
Ohje, darauf sah ich Doniyors Kiefer heraus treten. Er hat wohl zur "kein-Käse-Fraktion" gehört.
Spaghetti Bolognese dafür, nahm ich nur zu gerne zu mir.
Es hat auch absolut okay geschmeckt.
Ich war zumindest so voll, dass ich überlegen musste, ob ich den Pudding noch esse.
Zum Glück tat ich es.
Und bevor der erste Löffel in meinen Mund wanderte, hielt mich David kurz auf.
"Das Rezept ist einzigartig. Es ist von meiner Oma."
Na dann, ließ ich mich nicht mehr weiter beirren.
Pure Göttlichkeit umspielte meinen Gaumen.
Bis ich den ersten Löffel verarbeiten konnte, vergingen wahrscheinlich zwei ganze Minuten.
"Hiermit erkläre ich dieses Projekt für abgebrochen."
Mit weit aufgerissenen Augen schaute David in meine.
"Lieber David, ich möchte meine restlichen Tage nur noch mit deiner Oma verbringen."
Sofort fiel die erschrockene Fassade und ein Lächeln bereitete sich auf seinem Gesicht.

#15 RosesWhere stories live. Discover now