~ Eιɳ Hαυʂ ʋσʅʅҽɾ Lϋɠҽɳ ~

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"Nein!",
schlug ich der Praktikantin den Pinsel aus der Hand und bekam im selben Moment ein schlechtes Gewissen.
Sie stand neben mir, ich sitzend vor dem Spiegel. Ihre Hände blieben wahrscheinlich vor Schrecken an der selben Stelle vor meinem Gesicht.
"Hör mal, mach dir einfach eine schöne Zeit. Ich mach das schnell selbst und alle sind zufrieden."
Damit wollte ich nicht mal ihre Fähigkeiten in Frage stellen, nur etwas Zeit für mich gewinnen.
Als sie ging hob ich den Pinsel auf und beendete ihre Arbeit.
Meine Wangen erstrahlten in einem leichten Rot. Ich wollte einen Blick über das Gesamtpaket erhaschen, bevor ich mich bei der Party blicken ließ. Da unten waren ausnahmsweise neben vielen Männern, auch genau so viele Frauen.
Meine geglätteten Haare strich ich mir hinter die Ohren, nur um festzustellen, dass das Makeup perfekt saß. Genauso, wie der schwarze Jumpsuit. Die Cutouts zauberten eine ausgeprägte Wespentaile.
Andere Frauen machen sich hübsch, um die schönste im Raum zu sein. Mir war die unten wartende Konkurrenz jedoch egal. Hübsch, wollte ich lediglich für mich sein. Ich war eines der Mädchen, welches sich in jeder spiegelnden Oberfläche begutachten musste, nur um jedes Mal bestätigt zu bekommen, dass es zufrieden mit sich ist.
Die Challenge von vorhin kam mir lustiger vor, bevor wir sie durchgeführt haben und so egoistisch, wie ich war, habe ich einen Alptraum daraus gemacht.
Der Engel auf meiner Schulter sagte, nimm die Normalos mit den alltäglichen Problemen und der Teufel zeigte mir all die jetzt einschaltenden Leute, welche in jenem Augenblick erfuhren, wer der Mörder, der Homosexuelle und der Freak sind.
Auch wenn nichts davon zutreffen mag, den Ruf hatten sie nun.
Ich sollte glücklich sein, nickte ich meinem eigenen Spiegelbild zu.
Der Plan war, egal was es kosten mag, meinen Ruf zu bereinigen, Bekanntheit zu erlangen und bloß nichts fühlen. Es ist nur eine Show und jeder will hier irgend etwas erreichen, aber gewiss nicht den Partner fürs Leben zu finden.
Vielleicht musste dieser Schritt einfach sein, um mir mein Ziel wieder vor Augen zu führen.
Sollen sie doch kriminell, schwul und gestört sein, Hauptsache ich bin keine Schlampe mehr. Nein, ich bin eine anständige Geschäftsfrau in der Modebrange und als solche wird mich auch jeder sehen.
"Da ist aber jemand ganz schön in Gedanken versunken",
sah ich plötzlich Leo neben mir auftauchen.
"Ich habe dich gar nicht gehört",
wandte ich mich zu ihm.
"Sag ich doch",
verzog er seine Lippen einseitig in die Höhe.
"Also, was quält dieses hübsche Köpfchen?"
  - "Es ist nichts",
lächelte ich ihm zu, doch er glaubte mir natürlich nicht.
"Ist es, wegen den Dingen, die du über die Jungs erfahren hast? Hör zu, wegen David schau ich natürlich nochmal Mutters Unterlagen durch und mit den anderen solltest du reden. Vielleicht sogar vor der Kamera, weil ein paar Dinge sind schon nicht ohne und wenn sie sich erklären können, hilft das bestimmt."
  - "Das ist eine gute Idee. Ich habe nur auch daran gedacht, was du jetzt über mich denkst... Immerhin war ich es, die sie geoutet hat."
Für einen kurzen Augenblick wurde es so ziemlich ruhig. Nur Leos teils erschrockener, teils nachdenklicher Blick lag auf mir.
"Du bist verängstigt. Meine Mutter könnte hier nach Adam sonst wen noch drin haben. Ich bin froh, dass du es gemacht hast, denn wenn das mit David stimmt, dann befördere ich ihn eigenhändig raus."
Über Akim und Frey, welche ich auch lächerlich gemacht habe, hatte er kein Wort verloren, aber ich nehme mal an selbst dafür, hätte er irgendeine Entschuldigung für mich gefunden.
"Du hast Recht. Sie macht mir Angst. Ehrlich gesagt kann ich Nachts manchmal gar nicht schlafen."
Ja, wegen dem schmieden von Racheplänen, aber bestimmt nicht aus Angst.
Es wirkte, denn als nächstes spürte ich Leos Arm um mich und wie seine Hand meinen Kopf behutsam gegen seine Brust drückte.
"Hast du es schon vergessen? Wir sind jetzt wieder ein Team. Keiner kommt in deine Nähe."
Ich schlang bestätigend meine Arme um seinen Rücken.

"Treffen wir uns gleich unten?",
ging er einen Schritt zurück, ließ jedoch seine warme Hand zu meiner Wange gleiten.
Ein Nicken reichte ihm, dann verschwand er und ich folgte ihm nach etwa zwei Minuten aus dem Zimmer.
Ein Schrei wäre mir entwichen, wenn sich keine Hand luftdicht auf meinem Mund befunden hätte.
Jemand zog mich in das Zimmer neben meinem.
Kaum stellte sich mir die Frage, wer... schon wurde ich gedreht und mit dem Rücken an die Wand gedrückt.
"Sancho...",
hechelte ich wie ein Hund vor mich hin.
"Das ist Freys Zimmer."
Was besseres war mir nicht eingefallen. Alle Worte wurden aus meinem Wortschatz geklaut.
Er lockerte seinen Griff und schaute demonstrativ durch den Raum.
"Sorry, die sehen alle so gleich aus."
Ich musste aussehen, wie ein verschrecktes Reh und an seinem Grinsen zu urteilen musste ihm genau das gefallen.
Schluss damit, nicht schon wieder, dachte ich mir.
Also räusperte ich mich, bevor ich den Mut sprechen ließ.
"Sancho, kann ich dir irgendwie helfen?"
Über die gespielte Strenge in meiner Stimme verlor er die Fassung.
Zwei Reihen perfekter Zähne, plus ein jungenhaftes Lachen kamen zum Vorschein.
"Gatinha, ich habe Angst vor Angela. Nachts kann ich gar nicht mehr schlafen. Kannst du mich bitte in den Arm nehmen?"
  - "Du bist ein lauschender Arsch",
schaffte ich es letztendlich aus seinem Griff heraus.
Ich lief in die Mitte des Zimmers und drehte mich mit verschränkten Armen wieder zu ihm.
Er hielt beide Hände vor sein Herz und verzog sein Gesicht vor belustigtem Schmerz.
"Da gestehe ich dir meine Ängste und du beleidigst mich?"
  - "Haha... Was willst du?"
Bei seinem Lachen konnte ich nicht genervt sein, aber ich hoffte zumindest, dass er mir wenigstens das abnahm.
"Ich weiß, was du vor hast."
  - "So? Was habe ich denn vor?"
"Du spielst auf den Kosten anderer. Heute hat es Akim, David, Frey, aber vor allem Leo erwischt."
   - "Stimmt, außer das mit Leo. Wir sind Partner, ich mag ihn, sehr sogar",
lief ich langsam auf ihn zu.
"Aber ansonsten hast du Recht. Ihr anderen seid nur ein Akt in meinem Schauspiel",
ging ich an ihm vorbei zur Tür, doch seine Hand packte meinen Arm.
"Ich lebe von den Kosten anderer. Also lass mich dir einen Rat geben. Sei dir immer bewusst für wen du was fühlst. Sonst zerbrichst du an dem Leid, welches du anderen bereitest. Sag mir, dass du absolut keine Reue empfindest, wenn du an die vier denkst."
Darüber brauchte ich gar nicht nachdenken. Allein bei dem Wort 'Reue' flackerte jedes der vier Gesichter für eine kurze Zeit in meinem Kopf auf.
Und dennoch, ich blieb stur.
So löste ich mich aus seinem Griff und ging hinunter zu den anderen.

#15 RosesWhere stories live. Discover now