Kapitel 10

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Kili

Reflexartig schob ich Zylra von meinem Schoss und nahm den nächstbesten Stein in die Hand. Doch der Schütze, welcher den ersten Pfeil abschoss, schoss ihn mir aus der Hand. Ich war erstaunt und vermutlich kannte man mir das an. Zylra klammerte sich an meinem Arm, aber ich war noch immer fasziniert von seiner Genauigkeit. 
,,Macht das noch einmal und Ihr seid tot!", sagte er mit einer bedrohlichen Stimmer zu mir. Ich hob die Hände hoch um anzudeuten, dass ich keine Waffen habe. Der Fremde wandte den Blick ab und starrte zur Gruppe. Sie schienen noch immer sehr verwundert zu sein. Balin kam hervor und versuchte die Situation zu entschärfen:,, Ihr seid doch aus der Seestadt oder?" Der Fremde sank seinen Bogen und ging auf einen Kahn zu. Er lud die Fässer in denen wir gereist waren auf sein Boot.
,,Dieser Kahn, den Ihr da habt, der wäre nicht zufälligerweise zu mieten?", fragte Balin den Fremden. 
,,Wie kommt Ihr darauf, dass ich euch Zwergen helfen würde?", entgegnete er und musterte die Gruppe erneut. Sein Blick fixierte sich auf das Mädchen, welche ich zum ersten Mal in den Kerkern gesehen hatte. Aber irgendwie kam sie mir so bekannt vor, aber ich wusste nicht woher.
,,Naira, was machst du den hier?", fragte er das Mädchen.
,,Hallo Bard. Diese Zwerge haben mir geholfen aus den Kerkern Thranduils zu fliehen." Der Mann der wahrscheinlich Bard hieß nickte nur. 
,,Wie geht es deinen Kindern? Und wie geht es Ilmare?" Bard blickte auf den Boden.
,,Ilmare ist vor gut einem Jahr verstorben. Die Lungenentzündung hatte ihr einfach nicht gut getan."  
,,Ohh tut mir so leid für dich. Sie war eine tolle Frau."
,,Das war sie in der Tat." Bard blickte Naira lächelnd an. 
,,Sigrid wird sich freuen dich wieder zu sehen. Sie fragte mich sooft wann du wiederkommen würdest", meinte er nun lachend zu ihr. Naira konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. 
,,Würdest du uns mit in die Seestadt nehmen?", fragte sie schlussendlich.
,,Naira, du weißt, dass niemand ohne die Erlaubnis des Bürgermeisters in die Stadt kommt. Du darfst ja hinein, da ich dich kenne und somit ein Freund der Familie bist. Für die Zwerge brauchst du einen Schmuggler." Als Bard diesen Satz beendete machte sich Verzweiflung in mir breit. Ich wollte gerade anfangen zu meckern als Balin vortrat und sagte:,, Und einem Schmuggler zahlen wir das doppelte." Bard schien zu überlegen stimmte schlussendlich zu und sprach:,, Gut. Steigt aufs Boot." Zylra half mir auf die Beine. 
,,Ich schaff das schon", meinte ich zu ihr.
,,Wirklich? Du solltest dein Bein nicht unnötig belasten, Kili", meinte sie nur und sah mich mahnend an. Ich nickte bloß. Sie gab nach und ließ mich ohne Hilfe gehen. Jeder Schritt schmerzte sehr, aber ich wollte mir nichts anerkennen lassen. Zum Glück beachteten mich die anderen Zwerge gar nicht. Als ich am Boot ankam, setzte ich mich an die Steuerbord-Seite und atmete tief durch. Mein Bein schmerzte höllisch und ich gab mir alle Mühe es nicht zu zeigen. Ich war so sehr damit beschäftigt nicht auf den Schmerz zu achten, dass ich nicht bemerkte wie sich Zylra neben mir niederließ. Sie schwieg. Vermutlich war sie sauer, dass ich sie wegen den Bein anlog aber ich bin kein kleines Kind mehr und kam schon alleine zurecht. Ich hatte schon weitaus schlimmere Verletzungen. 
,,Kommt dir Naira auch so bekannt vor?", fragte Zylra dann. 
,,Ja. Es ist so als hätte ich ihren Namen schon mal gehört aber ich komm nicht drauf. Ihr Gesicht kommt mir auch so bekannt vor." Zylra blickte mich an. 
,,Jetzt weiß ich es!", meinte sie voller Freude zu mir. Ich blickte sie nur fragend an. 
,,Naira. Sie war das Straßenmädchen mit dem wir oft spielten. Sie war ja eines Tages einfach verschwunden. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Fili war selbst seit Monaten nicht mehr richtig ansprechbar. Ihr Verschwinden hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Ohh man wie konnte ich nur so dumm sein? Sie war ja meine beste Freundin und ich hatte sie nicht mehr erkannt." Zylra blickte beschämt auf den Boden. Ich nahm vorsichtig ihr Kinn in meine Hand und brachte sie dazu mir in die Augen zu sehen.
,,Du bist nicht dumm und du brauchst dich nicht dafür schämen, dass du sie nicht erkannt hast. Es sind immerhin über 40 Jahre vergangen seit sie weg ist. In der Zwischenzeit verändert man sich ja." Ich hoffte, dass meine Worte sie beruhigten. 
,,Hast ja recht." Zylra lächelte mich fröhlich an. ,,Ich geh jetzt zu ihr. Kommst du mit?", fragte sie. 
,,Nein, geh nur. Ich bleibe mal hier. Du und Naira habt ganz sicher viel zu bereden. Es ist immerhin viel Zeit vergangen." Sie grinste mich dankbar an und ging zum Heck. Ich blickte ins Wasser. Ein dünner Nebelteppich bedeckte den Fluss. Es war so mystisch man könnte auch sagen magisch. 

,,Kili", sagte jemand zu mir. Ich fuhr hoch und erblickte Zylra mit Naira. Die beiden blickten mich verwundert an. 
,,Alles in Ordnung? Du wirkst so..."
,,Ja, ja. Es ist alles gut", log ich Zylra an. Es fühlte sich wie ein Stich an. 
,,Kili, darf ich dir unsere alte Freundin Naira vorstellen?" Naira verbeugte sich vor mir und deutete eine Verbeugung an. Es war toll sie wieder zu sehen.
,,Schön ich wieder zu sehen. Wie geht es dir?" Ich deutete mit meiner linken Hand an, dass sie sich neben mir setzten kann. Sie tat dies und antwortete auf meine Frage:,, Mir geht es gaz gut, danke der Nachfrage. Wie geht es dir?" Naira blickte besorgt auf meine Wunde. Innerlich rollte ich mit den Augen.
,,Jetzt macht sich schon die nächste Sorgen um mich", dachte ich nur. 
,,Mir geht es gut. Sehr gut sogar. So und jetzt erzähl mal, was hast du die letzten Jahre so getrieben?", fragte ich gespannt zu ihr. Naira schien kurz zu überlegen aber dann begann sie zu erzählen. Sie hatte viele Abenteuer in Mittelerde erlebt und viele Freunde gefunden. Irgendwie war ich neidisch auf sie. Ich hörte gespannt ihre Worte. Meine Augen fixierten sich auf ihre Lippen. Als sie fertig war fragte sie uns was all die Jahre in Ered Luin geschah. 
,,Nun ja..." ich kratzte mich am Hinterkopf und wusste nicht wieso.
,,Zylra und ich sind jetzt verlobt." Naira musste lachen. Ich sah sie verwundert an und Zylra erging es sichtlich genauso wie mir.
,,Ich hab es gewusst, dass du und Zylra irgendwann bemerkt, dass ihr euch ineinander verguckt habt!", brachte sie heraus. 
,,Wie du wusstest es?" Ich war jetzt noch verwirrter. Naira rollte gespielt genervt mit ihren Augen.
,,Ich hab doch gesehen wie ihr euch anseht. Glaubt ihr ernsthaft, dass man es nicht bemerkten würde?", fragte sie uns mit einem lustigen Unterton. Ich hob nur die Schultern und Zylra starrte mich nur an. Nun musste ich auch lachen und schließlich stimmte meine Verlobte mit ein. 

Zylra

Nachdem wir fertig gelacht hatten, ging ich mit Naira auf die Backbord-Seite des Kahns. Sie folte mir mit einem fragenden Blick im Gesicht.
,,Was ist los?", fragte sie mich.
,,Ich weiß, dass es Kili nicht gut geht, aber er will es nicht zugeben. Ich habe das Gefühl, dass die Wunde viel gefährlicher ist als wir annehmen." Naira nickte nur.
,,Du weißt wie Kili ist. Sein Stolz ist ihn sehr wichtig. Er ist ein Zwerg und oberndrein noch ein Zwergenprinz und der Neffe von Thorin." Ich war ihr dafür so dankbar. Ich hatte Naira so schrecklich vermisst. Es herrschte eine Stille zwischen uns. Wir überlegten was wir wegen Kili tun könnten. 
,,Was schlägst du vor?", fragte sie mich schließlich. Ich hob nur die Schultern an. 
,,Ich weiß es nicht." Naira blickte nun in den Fluss. Schließlich fragte sie mich:,, Wie geht es Kilis Rücken? Ich hatte es nicht mitbekommen, da ich mich noch in Filis Mantel gekuschelt hatte und schlief."
,,Du wirst es nicht glauben, aber die Wunde ist fast vollständig verheilt."
,,Nein." Ich nickte nur. 
,,Wie ist das möglich?", fragte sie mich.
,,Ich... weiß es nicht." Ich wusste es wirklich nicht. Es war mir ein Rätsel. Gerade als ich etwas sagen wollte sprach Bard:,, Los schnell, steigt in die Fässer!" Die Zwerge protestierten.
,,Ich steig nie wieder in ein Fass!", meinte Fili zu den Fährmann. 
,,Tut es oder ihr klammert euch unter Wasser an meinen Kahn!", fauchte er zurück. Er schien in eile zu sein. Ohne ein Wort zu sagen stiegen die Zwerge in die Fässer. Ich half Kili der mich dankbar anlächelte.
,,Warum muss Naira nicht in ein Fass steigen?", fragte Dwalin.
,,Weil der Bürgermeister sie kennt und somit hat sie eine Erlaubnis in die Stadt zu kommen wann immer sie will." Der Zwerg wollte gerade etwas sagen aber Bard sah ihn so derartig böse an, dass er ohne auch nur einen Laut von sich zu geben in ein Fass stieg. Ich wählte ein Fass, welches ganz außen am Rand stand. Nun ja es war das letzte freie Fass was ich finden konnte. Ich machte mich so klein wie möglich und wartete ab. Ab und zu kam ein Murren von den Zwerge aber das war mir so ziemlich egal. So sind Zwerge nun mal.   

Eine unerwartete GefährtinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt