Kapitel 3 - Der ziemlich heiße Oberkörper eines ziemlich heißen Typen

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>>Ich brauche nur das zu tun, was ich will,
und nicht, was die anderen von mir erwarten.
In der Gemeinschaft ist es leicht,
nach fremden Vorstellungen zu leben.
In der Einsamkeit ist es leicht,
nach eigenen Vorstellungen zu leben
– aber bewundernswert ist nur der,
der sich in der Gemeinschaft die Unabhängigkeit bewahrt.<<

-Ralph Waldo Emerson-


Ich starrte auf den Oberkörper eines Jungen. Den ziemlich heißen Oberkörper eines ziemlich heißen Jungen. Ich wollte meinen Blick gerne heben und aufhören so widerlich zu gaffen, aber es gelang mir einfach nicht.

An all dem war nur meine Mom schuld. Dachte ich.

Heute war Sonntag und weil wir gestern Abend offiziell in unser neues Heim gezogen waren, hatte meine Mutter mich gebeten zu den Nachbarn zu gehen und sie zu begrüßen. Sie hatte extra einen Kuchen gebacken und an sich hatte ich kein Problem damit gehabt ihn rüber zu bringen, allerding hatte ich nicht damit gerechnet von Evelyn (der Nachbarin) herein gebeten zu werden und erst recht hatte ich nicht erwartet, dass sie mich im Wohnraum zurücklassen würde, nur damit wenige Sekunden später, ein Oberkörperfreier Typ vor mir auftauchen konnte.

„Willst du vielleicht ein Foto machen?" fragte eine tiefe Stimme gelangweilt und vor Schock weiteten sich meine Augen. 

Ich fühlte mich nicht nur ertappt, sondern wurde mit einem Mal auch total nervös, weil ich diese Stimme von irgendwoher kannte.

Mir gelang es, meinen Blick zu seinem Gesicht wandern zu lassen und erstarrte. Vor mir stand kein anderer als Kyle Jordan. Von allen Menschen in dieser Stadt hatte ich ausgerechnet Kyle Jordan begafft.

Warum hatte ich nur das Gefühl, dass sich das Schicksal einen Spaß daraus machte, mich immer wieder in peinliche Situationen mit Kyle zu bringen.

Ich ließ mir meine dunklen Haare vors Gesicht fallen, um zu verbergen wie rot ich wurde.

„Hi." Sagte ich leise, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.

Kyle legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. Ich hatte das Gefühl, dass er mich erkannte, aber nicht zuordnen konnte. Ich tat ihm allerdings nicht den Gefallen und klärte ihn auf, sondern streckte ihm die Hand entgegen. Meinen Namen kannte er ohnehin nicht.

„Ich bin Freya. Wir sind gerade neu nebenan eingezogen." Stellte ich mich vor und tat, als würde ich ihn nicht kennen.

Kyle sah auf meine Hand und dann wieder in mein Gesicht. „Schön für dich Fey."

„Freya." Korrigierte ich höflich und zog die Hand wieder zurück, nachdem er sie nicht ergriff. Verlegen spielte ich am Saum meines Shirts. Eine Angewohnheit, die ich mir dringend abgewöhnen musste. Meine Oberteile waren teilweise schon ausgeleiert deshalb.

„Also... ehm du wohnst hier?" was war das denn für eine Frage? Natürlich wohnte er hier, warum sollte er sonst Oberkörperfrei hier rum laufen?
 
Mir kam ein Gedanke, der mich stutzen ließ. Kyle war für seine Bettgeschichten bekannt und ich schloss nicht aus, dass er hier vielleicht nur zu Besuch war.

Kyle schnaubte spöttisch. „Offensichtlich."

Erleichtert seufzte ich auf. Es wäre schon etwas peinlich gewesen, wenn ich mich gerade in dem Haus von einer seiner Liebschaften aufgehalten hätte.

Evelyn kam in den Wohnraum. Sie hielt zwei Teller mit je einem Stück von Moms Kuchen in der Hand und schnalzte missbilligend mit der Zunge, als sie Kyle sah.

„Kyle. Zieh dir etwas an." Mahnte sie ihn, aber Kyle grinste.

„Was denn Mom? Fey gefällt was sie sieht." Schelmisch zwinkerte er mir zu und erneut lief ich puterrot an.

„Ich heiße Freya." Murmelte ich Richtung Boden.

„Kyle!" Warte seine Mutter ihn streng „Benimm dich."

Er zuckte mit den Achseln „Na schön. Hier unten scheint es sowieso ziemlich lahm zu sein." Er drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort im Flur.

Verlegen reichte Evelyn mir einen Teller und deutete aufs Sofa. „Tut mir leid. Kyle ist manchmal ein wenig... ungehemmt, was sowas angeht und im Umgang mit Menschen ist er auch eher unbeholfen." Entschuldigte sie sich.

Am liebsten hätte ich laut aufgelacht. Ungehemmt? Ob seine Mom wusste, was man sich in der Schule so von seiner Ungehemmtheit erzählte?

„Ist schon okay." Winkte ich lächelnd ab und setzte mich neben ihr aufs Sofa.

„Also, Freya war dein Name richtig? Dann sag mal Freya, auf welche Schule gehst du doch gleich?" 

„Auf die örtliche Highschool." Antwortete ich.

Sie sah überrascht aus. „Ah, dann kennen du und Kyle sich ja vielleicht schon?" hakte sie nach.
Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein, ähm... also ich meine ich habe ihn schon mal so gesehen, aber kennen tuen wir uns nicht. Er ist eine Stufe über mir."

Sie nickte nachdenklich. „Aber vielleicht lernt ihr euch ja jetzt mal besser kennen." Sagte sie und ich hatte das Gefühl, dass ich mir den leisen Unterton von Hoffnung nicht einbildete. „Es wäre schön, mal Freunde von Kyle zu kennen die vernünftig sind."

Als hätte er gemerkt, dass über ihn geredet wurde, kam Kyle in diesem Moment an der Tür vorbei.

„Kyle!" rief seine Mom und ich hörte ihn stöhnen, bevor er zurückkam und im Türrahmen stehen blieb.

„Wo willst du hin?" fragte sie.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Zu Carter." Meinte er genervt.

Evelyn sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an „Wir haben Besuch." 

„Na und?" er sah flüchtig zu mir und runzelte die Stirn.

„Ich finde, du solltest dich zu uns setzen. Freya geht auf deine Schule, vielleicht könntet ihr euch kennenlernen." Schlug sie vor.

Am liebsten hätte ich mich aus dem Staub gemacht. Ich fühlte mich, als wäre ich ein Vorwand für Evelyn, um ihren Sohn hierzubehalten.

Kyle sah mich erneut an und plötzlich zeigte sich Erkenntnis auf seinem Gesicht. „Ich weiß warum du mir bekannt vorkommst" sagte er plötzlich und mein Herz rutschte mir in die Hose. Kyles Blick verdüsterte sich und seine grauen Augen schienen eiskalt. „Du bist das Mädchen, dass erst im mich rein gelaufen ist und mir dann Popcorn über den Kopf geschüttet hat."

„Ich...ähm..." versuchte ich zu erklären.

Seine Mutter neben mir, sah verwirrt zwischen uns hin und her.

Kyle nutzte diesen Moment und winkte „Ich werde dann jetzt gehen, da ich Fey ja ohnehin schon kenne." Er wartete nicht auf eine Antwort seiner Mutter und ging einfach. 

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, seufzte Evelyn auf. „Er macht einfach immer was er will." Ihr Lächeln wirkte gezwungen, doch dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf.

Ihre blassblauen Augen strahlten mich begeistert an. „Wie wäre es, wenn du und deine Eltern nächsten Freitag zum Grillen kommt? Ich würde mich freuen sie kennen zu lernen." Schlug sie vor.

Ich wollte ihr die Freude nicht verderben und nickte deshalb „Klar, ich werde mal fragen." Versprach ich.

Da ich selber nicht mehr viel Zeit hatte, weil ich den Rest meiner Kartons noch heute auspacken wollte, verabschiedete ich mich nach einem weiteren Stück Kuchen von Evelyn und ging zu mir rüber.

Evelyn schien ziemlich nett zu sein und ich war mir sicher, dass meine Mom sich gut mit ihr verstehen würde.


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